Prompt: Am Ende des Winters
Warnungen: keine
Schwerfällig erhob Maggie sich aus ihrem Stuhl, als es an der Tür klopfte. Automatisch stützte sie ihren Rücken etwas mit einer Hand und versuchte sich zu strecken. Dabei versuchte sie zeitgleich ihr Gleichgewicht zu halten, was so schwanger wie sie dank der Zwillinge in ihrem Bauch war, gar nicht so einfach war.
Langsam wanderte sie zur Tür, wo es ein weiteres Mal klopfte. Sie zog die Tür ihres Holzhauses auf und blickte an ihrem Besuch vorbei hinaus auf den See, bevor sie lächelte.
"Jay … was machst du denn hier?", fragte sie überrascht und trat langsam zurück, um ihn herein zu lassen.
"Ich wollte nach dir sehen, bevor die Straßen hier raus wieder unbefahrbar werden.", sagte er und umarmte Maggie einen Moment später.
Maggie lächelte. "Das freut mich", murmelte sie.
"Ich hab Vorräte mitgebracht", verkündete Jay und zwinkerte Maggy zu, bevor er sich seinem Jeep wieder zuwandte und mit dem Ausladen begann.
Ungefähr eine halbe Stunde später hatte er die fein säuberlich gekennzeichneten Kisten an ihre Plätze in der Vorratskammer gebracht. Sie enthielten Konserven voll Obst, Gemüse und eingelegtem, vakuumiertes Fleisch, Dosenbrot, Thunfisch- und Heringsfilets in Dosen und Zwieback und Cracker in Massen. Außerdem noch alles mögliche an lang haltbaren Dingen, wie Dosensuppen und einige MREs.
Eine Kiste war unbeschriftet und landete in dem Zimmer, welches für Maggies Nachwuchs gedacht war.
Maggie hatte helfen wollen, aber Jay hatte sie zurück zu ihrem Sessel geschickt. Nachdem alles verstaut war, hockte er sich im Schneidersitz zu ihr vor den fröhlich vor sich hinprasselnden Kamin und studierte seine Freundin.
Mit geübten Bewegungen zog er ihr die Pantoffeln aus und begann ihre geschwollenen Füße zu massieren, was Maggie ein erleichtertes Seufzen entlockte.
"Wann ist es soweit?", wollte er wissen.
"Am Ende des Winters", schnaufte Maggie.
Jays Brauen zogen sich vor Überraschung hoch, während er ihren kugelrunden Bauch ansah.
"So lange noch?", hakte er nach.
Maggie lachte amüsiert.
"Ja, Jay."
"Ich weiß, es ist nicht dein erstes und auch nicht dein zweites Kind, aber als du bei Mel und Cal so rund warst, warst du kurz vorm Werfen", wandte er ein.
"Melanie und Calvin waren auch allein in meinem Bauch", erwiderte sie und streichelte mit ihren Händen sacht über besagtes Rund.
"Hu?", kam es überrascht von Jay.
"Maxwell hat einen Volltreffer gelandet, bevor er mich verlassen hat, Jay", sagte sie und klang dabei irgendwo zwischen angepisst, erleichtert und amüsiert.
Der Laut, der Jay entkam, war unbeschreiblich. Es dauerte einen Moment, bevor Maggie ihn als ein "Was?" identifizierte.
"Zwillinge, Jay. Unsere Großmütter haben beide vor langer Zeit Zwillinge geboren … das Potential war immer da … und schlagen hier zwei Herzen unter meinem und ich bin allein mit ihnen … aber es ist gut so", erklärte sie und schob sich mit einer Hand ihr langes dunkelbraunes Haar aus dem Gesicht.
"Er hat dich mit Zwillingen allein gelassen?" Jay klang empört.
"Er weiß es nicht, Jay. Und wenn es nach mir geht, wird er es auch nicht erfahren. Er wollte dieses blonde Dummchen aus der Stadt und das ist okay. Ich komm auch gut ohne ihn klar. Mel wird den Winter hier oben verbringen und mir mit den Tieren helfen und Cal überlegt zumindest einen Teil der Semesterferien hier zu sein. Martin, der ein bisschen weiter oben hat seine Hilfe ebenfalls angeboten, also ist für alles gesorgt."
"Aber was, wenn etwas passiert? Wenn die Kinder zu früh kommen?"
Jay klang besorgt.
"Jeremy unten im Dorf hat ein Schneemobil und kann im Notfall den Doktor raufbringen oder mich vom Berg holen. Die Zwillinge sind nicht die ersten Kinder, die hier im Haus auf die Welt kommen und sie werden vermutlich nicht die letzten sein.", murmelte Maggie und gähnte.
Die Wärme des Feuers und die Massage machten sie träge.
Jay lächelte.
"Ich würde mich besser fühlen, wenn ich den Winter hier verbringen dürfte.", sagte er.
"Jay~", sagte Maggie gedehnt, "Das kann ich nicht von dir verlangen. Du hast deine Praxis in der Stadt und sobald der Schnee fällt, kannst du nicht mehr runter vom Berg."
"Lass mich für dich … für euch da sein, Maggie. Ich möchte sicherstellen, dass euch nichts passiert. Du bist mir wichtig. Warst du schon immer und wirst du immer sein", sagte er.
Maggie schwieg einen Moment lang und blickte ihn einfach an.
"Du hast nie aufgehört mich zu lieben, obwohl ich mich für Max entschieden hab, oder?", fragte sie.
Jay schüttelte den Kopf. "Nie, Mags. Du bist die Eine für mich und wenn ich nur dein bester Freund sein kann, dann ist das okay für mich. Nur zwing mich nicht, dich hier oben allein zu lassen, wo alles passieren kann … die Praxis, die wartet auch im Frühjahr noch auf mich. Doc Brown ist zurück in der Stadt und kann aushelfen, solange ich nicht da bin. Es ist da unten also für alles gesorgt."
"Du hast das hier geplant, oder?", erwiderte Maggie und blickte in Richtung Vorratskammer.
Ein wenig schuldbewusst duckte Jay seinen Kopf.
"Ich war damit nicht allein, Mags. Die Kinder machen sich sorgen. Sie trauen sich nicht zu, dir mit der Geburt zu helfen. Sie wissen nicht, was sie im Notfall tun müssen. Ich schon … ich habe das studiert und jahrelange Erfahrung und mit den anfallenden Tätigkeiten auf dem Hof kann ich auch aushelfen. Davor habe ich keine Angst. Eher davor, dass dir was passiert.", gab er zu.
Maggie schloss ihre Augen und atmete langsam aus. Aufregung war nicht gut für sie und die Babies.
"Okay … okay … wenn ihr euch dann alle besser fühlt, dann sage ich nicht nein. Allerdings wird es mit den Schlafplätzen dann eng. Mel und Cal müssen sich schon ein Zimmer teilen wie früher … und das Gästezimmer ist jetzt das neue Kinderzimmer … also entweder du machst es dir zwischen den Babywiegen gemütlich oder du …", sie stockte und blickte auf ihre Hände hinab.
"Oder ich teile mir mit dir das Bett?", fragte Jay leise.
"Nur, wenn es dir nichts ausmacht", nuschelte Maggie.
Jay schüttelte den Kopf. "Es hat mir früher nichts ausgemacht und es macht mir auch heute nichts aus.", flüsterte er und kniete sich hin. Seine Hand legte sich an Maggies Wange und er strich zart ihren Wangenknochen nach.
Einen Moment war es bis auf das Knistern des Feuers still im Raum.
"Danke", sagten beide unvermittelt und lachten.
Die seltsame Stimmung zwischen ihnen löste sich und Maggie lehnte sich in die Berührung. Sie war erleichtert, dass sie nicht mehr allein war. Es war zwar gut und schön, aber je weiter ihre Schwangerschaft fortschritt, umso schwieriger wurde es für sie sich selbst zu versorgen. Jay an ihrer Seite zu haben war schön.
Sie hoffte nur, dass es ihr Leben nicht unnötig verkomplizierte.
Wobei sie glaubte nicht daran.
Mit einem weichen Lächeln auf den Lippen schlief sie unvermittelt sein.
Jay griff nach der Decke, die von ihrem Schoss gerutscht war und deckte sie zu, bevor er in die Küche schlich, um das Abendessen vorzubereiten und Mel eine Nachricht zukommen zu lassen, dass sie seine Taschen am Abend mit zum Haus bringen sollte.
Er hatte das Gefühl endlich da angekommen zu sein, wo er hingehörte.
Die Zukunft würde zeigen, wie genau er nun in Maggies Leben passte. Er hoffte darauf, der Mann an ihrer Seite sein zu dürfen. Ob nun als bester Freund oder mehr, nun das würden sie sehen … vielleicht am Ende des Winters.