Der ausrangierte
Regenschirm springt umher
Rutschiges Öl
Karakasa kozō (jap. 唐傘小僧 (Kanji) からかさこぞう (Hiragana)) ist ein Tsukumogami innerhalb der Yōkai. Sein Name bedeutet so viel wie "Papierschirm-Priesterjunge", weitere Namen sind Kasa-Obake (傘おばけ; "Schirm-Geist") und Karakasa-Obake (から傘おばけ, "Papierschirm-Geist") genannt. Er gehört zu den beliebtesten Yōkai.
Etymologie
Die ersten Erwähnungen und Abbildungen des Karakasa kozō erschienen während der frühen Muromachi-Zeit (jap. 室町時代, 14. Jahrhundert), meist in Bilderrollen (Emakimono (jap. 絵巻物; "Bilderalbum mit Kurzgeschichten")) über Yōkai und Tsukumogami, wo der Karakasa kozō aber anfänglich nicht namentlich benannt oder näher beschrieben wurde. Die meisten Beschreibungen stammen aus der Edo-Zeit (1603 bis 1868).
Ab dem 18. Jahrhundert, in der Edo-Zeit, fand der Karakasa kozō als Bildmotiv Eingang in Brett- und Karuta-Kartenspiele.
Erste Anekdoten zum Karakasa kozō treten erst zum Ende der Edo-Zeit im 19. Jahrhundert auf.
Merkmale
Karakasa kozō sind Abwandlungen chinesischer Ölpapierschirme. Es handelt sich also um einen Schirm, dessen Bespannung aus Öl getränktem Papier besteht. Luxuriöse Varianten dieses Schirms sind auch mit Seide bespannt. Sie tragen ein einzelnes großes Auge, was aus einem Loch der Schirmbespannung starrt. Gelegentlich werden die Wesen auch mit zwei Augen dargestellt. Unter dem Augenloch hängt aus einem weiteren Loch die Zunge. Der Speichel der Zunge ist ölig. In manchen Fällen sind an den Seiten ebenfalls Löcher, aus der armartige Strukturen ragen.
Der Schirmstock und Griff sind relativ kurz und dick. Der Schirmstock ist zum Bein umgewandelt, gelegentlich ist ein zweites Bein ausgebildet. Unabhängig von der Anzahl der Beine wird mit diesen zur Fortbewegung wild herumgehüpft. Das Bein, welches sich aus dem Griff bildet, endet meist in einem menschlichen Fuß, in manchen Fällen trägt dieser Schuhwerk (zum Beispiel Geta (jap. 下駄, "Holzsandalen") oder Zōri (jap. 草履, "Strohsandalen")). Die Bespannung kann auch geöffnet werden, was es dem Karakasa kozō erlaubt zu fliegen.
Vorkommen
Karakasa kozō sind über ganz Japan verbreitet und finden sich in der Regel in der Nähe menschlicher Behausungen.
Lebensweise
Wanderung
Gelegentlich, wenn Karakasa kozō entstehen, fliegen sie einfach davon - niemand weiß, wo sie hin wandern.
Entstehung
Karakasa kozō entwickeln ein Eigenleben, wenn sie ihren "100. Geburtstag" erreichen und in dieser Zeit zu oft ignoriert wurden und sich nutzlos vorkommen.
Kulturelle Bedeutung
Gefährlichkeit für Menschen
Karakasa kozō erschrecken wahnsinnig gerne Menschen. Sie schleichen sich hüpfend an und schlecken ihre überraschten Opfer mit ihren öligen Zungen ab. Was den ein oder anderen eventuell sehr in Panik versetzt, ist zum Glück harmlos.
Diese Streiche sind als Vergeltung für die Verwahrlosung zu betrachten, aber auch aus reiner Langeweile betreiben diese Yōkai diesen Schabernack.
Allerdings ist Vorsicht geboten. Es gibt andere Schirm-Tsukumogami, die für Menschen gefährlich sind, und man sollte darauf achten, sie nicht mit diesem verspielteren Geist zu verwechseln.
Mythologie
In der Präfektur Ehime geht die Sage um, dass einst ein verhexter Regenschirm im Bezirk Higashimurayama (jap. 東村山市, eine japanische Stadt in der Präfektur Tokio.) ahnungslose Spaziergänger, welche von Platzregen überrascht wurden, dazu verleitete, den Schirm aufzuspannen, um sich vermeintlich vor dem Regen zu schützen. Wenn die Spaziergänger dieser Hoffnung erlagen, packte der Karakasa kozō seine Opfer am Handgelenk und zog sie in den Himmel. Dort trug er sie meilenweit durch den Regen davon.
Aus der Präfektur Niigata wird überliefert, ein Karakasa kozō habe die Anwohner der Stadt Sasakami in Angst und Schrecken versetzt.
Wissenschaftliche Erklärungsversuche
Gestaltungsvorbild für den Karakasa kozō war der Bankasa (jap. 番傘), ein großer, aufspannbarer Regen- oder Sonnenschirm, der sich besonders in der Edo-Zeit großer Beliebtheit erfreute. Es handelt sich um einen relativ robusten Alltagsschirm, ein Massenprodukt und für den "kleinen Mann" bestimmt, der aber in Luxusanfertigungen nicht mit einfachem Papier, sondern mit Seide bespannt wurde.
Die Erwähnungen und Darstellungen des Karakasa kozō sollten belehren auch einfache Dinge, wie einen Schirm zu schätzen und vermischten sich mit der Angst bei starkem Sturm vom eigenen Schirm davon getragen zu werden.
Trivia
- Im Film Yōkai Hyaku Monogatari von Yasuda Kimiyoshi aus dem Jahr 1968 erscheinen Karakasa kozō
- Karakasa kozō sind vor allem bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt und werden häufig als Mal-Motive ausgewählt.
- Ein beliebtes Spielzeug ist ein Hampelmann in der Gestalt eines Karakasa kozō.
- Auch Tatoos mit Karakasa kozō-Motiv erfreuen sich großer Beliebtheit in Japan.
- In Super Mario Land 2: 6 Golden Coins kommt Karakasa kozō in Form des Geisterschirms am Anfang und am Ende des zweiten Levels der Pumpkin-Zone als Gegner vor. Wenn Mario in seine Nähe kommt, öffnet er sich und springt in die Luft. Man kann den Geisterschirm durch Draufspringen oder einen Feuerball besiegen.
- Im Spiel Yo-Kai Watch 2 erscheint der Karakasa kozō in Form der Yōkai Schirmschelm (Rang E; Element Wind, Stamm Herziga) und Schirmschäm (Rang D, Element Wind, Stamm Fiesa; kann erst ab Yo-Kai Watch 2 Geistige Geister befreundet werden). Beide Yōkai können befreundet werden und so Teil des eigenen Teams werden. Schirmschelm spielt zudem einen wichtigen Teil innerhalb des Plots von Yo-Kai Watch 2.
- Auch im Nō-Theater wird der Karakasa kozō von Schauspielern verkörpert, welche meist auf einem Bein stehend als Karakasa kozō verkleidet sind.
Taxonomische Stellung
Karakasa kozō sind Teil der paraphyletischen Gruppe der Tsukumogami. Die nächste Verwandtschaft steht morphologisch zu anderen Schirmwesen, wie Amefuri kozō. Allerdings ist dabei auch das Material entscheidend, eine nahe Verwandtschaft kann nur vorliegen, wenn der Griff ebenfalls (aus demselben) Holz und die Bespannung aus den gleichen Stoffen wie beim Karakasa kozō bestehen.
In dem Werk Gazu Hyakki Tsurezure Bukuro (画図百鬼徒然袋; "100 Geister im Handgepäck") des Kyōka-Poeten und Ukiyo-e-Künstlers Toriyama Sekien (鳥山 石燕; * 1712; † 22. September 1788) aus dem Jahr 1784 wird eine abgewandelte Form des Karakasa kozō präsentiert, der Hone-karakasa (骨傘; "Papierregenschirm aus Knochen"). Dieser scheint wohl damit der nächste Verwandte des Karakasa kozō.
Nachweise
- Friedrich B. Schwan: Handbuch japanischer Holzschnitte. Iudicium, München 2003, ISBN 3-89129-749-1, S. 750.
- Hirotaka Ichiyanagi: 知っておきたい世界の幽霊・妖怪・都市伝說. Seitōsha, Tokyo 2008, ISBN 978-4-7916-1568-1, S. 77.
- Katsumi Tada, Zō Jimusho: 日本と世界の「幽霊・妖怪」がよくわかる本. PHP Kenkyūjo, Tokyo 2007, ISBN 978-4-569-66887-1.
- Kenji Murakami: 妖怪事典. Mainichi Shinbunsha, Tokyo 2000, ISBN 978-4-620-31428-0.
- Lea Baten: Playthings and pastimes in Japanese prints. Shufunotomo, Tokyo/New York 1995, ISBN 0-8348-0344-5.
- Laurence C. Bush: Asian Horror Encyclopedia: Asian Horror Culture in Literature, Manga and Folklore. Writers Club Press, San José 2001, ISBN 0-595-20181-4.
- Mario Wiki: "Geisterschirm" https://mario.fandom.com/de/wiki/Geisterschirm Abgerufen am 8.09.2024
- Michaela Haustein: Mythologien der Welt: Japan, Ainu, Korea. ePubli, Berlin 2011, ISBN 3-8442-1407-0.
- Murakami Kenji: 百鬼夜行解体新書. Verlag Kōē, Tokio 2000, ISBN 978-4-87719-827-5.
- Yokai.com – the online database of japanese ghosts and monsters (Matthew Meyer) Suche nach "Karakasa kozō" https://yokai.com/karakasakozou/ Abgerufen am 8.09.2024
- Yo-Kai Watch: "Schirmschelm" https://yokai-watch.fandom.com/de/wiki/Schirmschelm Abgerufen am 8.09.2024
- Yo-Kai Watch: "Schirmschäm" https://yokai-watch.fandom.com/de/wiki/Schirmsch%C3%A4m
- 造事務所編著 著、多田克己監修 編『日本と世界の「幽霊・妖怪」がよくわかる本』PHP研究所〈PHP文庫〉、2007年。ISBN 978-4-569-66887-1。
- 初見健一『まだある。 今でもわくわく“懐かしの昭和”カタログ 遊園地編』大空出版、2009年。ISBN 978-4-903175-33-1。
- 村上健司他編著『百鬼夜行解体新書』コーエー、2000年。ISBN 978-4-87719-827-5。
- 湯本豪一『百鬼夜行絵巻 妖怪たちが騒ぎだす』小学館、2005年。ISBN 978-4-09-607023-9。
- 田神健一・奥津圭介・中村亜津沙 編『アニメ版 ゲゲゲの鬼太郎 完全読本』講談社。ISBN 978-4-06-213742-3。
- 『知っておきたい世界の幽霊・妖怪・都市伝説』一柳広孝監修、西東社〈なるほど!BOOK〉、2008年。ISBN 978-4-7916-1568-1。
- 村上健司編著『妖怪事典』毎日新聞社、2000年、119頁。ISBN 978-4-620-31428-0。