Bergweg
Demut eine schwere Leere
im Herbstwind
Die Kijo (jap. 鬼女 (Kanji) きじょ (Hiragana)) ist ein Yōkai und Kami aus der japanischen Mythologie. Ihr Name bedeutet wörtlich übersetzt "Dämonenfrau" und sie stellt die weibliche Form des berühmten Oni dar.
Etymologie
Kijo ist ein sehr weit gefasster Begriff, der im Allgemeinen jeden weiblichen Dämon umfassen kann, so wie sich der Begriff oni technisch gesehen auf jeden männlichen Dämon bezogen werden kann. Tatsächlich wird der Name Kijo einfach durch Kombinieren der beiden Kanji für "oni" (鬼) und "on'na" (女, Frau) gebildet.
Merkmale
Kijo sind stets weibliche Dämonen. In ihrer Gestalt ähneln sie menschlichen Frauen, sind jedoch so schrecklich hässlich, dass diese Hässlichkeit niemals von einer menschlichen Frau erreicht werden könnte. Die Iris kann bei Kijo rot oder gelblich erscheinen. Die Haut it meist bläulich und der Kopf trägt scharfe Hörner. Die Finger tragen lange Krallen. Häufig sind Kijo in Lumpen gekleidet und tragen langes, ungepflegtes Haar.
Aus dem Tosa Obake Zōshi (ein Emakimono, kurz Emaki: Eine Form von illustrierten Erzählungen, in diesem Fall ist der Autor unbekannt), welcher Geschichten über Yōkai in der Provinz Tosa (heute Präfektur Kōchi) erzählt gab unter dem Titel "Kijo" an, dass eine Oni-Frau (Kijo) Haare von langer Länge habe, genau 4 shaku und 8 sun (also etwa 150 Zentimeter). Es existieren aber auch Kijo mit einer Größe von etwas mehr als 3 Metern.
Die körperlichen Kräfte einer Kijo sind schwächer als die eines Oni, aber deutlich stärkera als die eines Menschen. Dafür sind Kijo die deutlich mächtigeren Zauberer und sind in der Lage, Flüche und Verwünschungen zu verbreiten, Gifte und Tränke zu brauen und mächtige Illusionen zu weben. Je länger sie leben, umso mächtiger werden ihre Zauber.
Ihr Charakter kann von rachsüchtiger, fast schon aufbrausender Natur sein, aber auch so still, dass sie Jahrhunderte nicht als Kijo erkannt werden.
Vorkommen
Kijo sind in ganz Japan verbreitet. Sie leben wie Wilde fernab der Zivilisation, man trifft sie daher auf abgelegenen Berge, Höhlen, Inseln und in verlassen, einsam stehenden Hütten an. Sie existieren laut Überlieferungen auf allen Japanischen Hauptinseln.
Lebensweise
Ernährung
Kijo sind Allesfresser, bevorzugen aber im besonderen Menschenfleisch.
Hier sind Reisende besonders beliebt, was vor allem auf eine mangelnde Ortskenntnis zurückzuführen ist, da Ortsansässige die Gebiete der Kijo eher meiden würden.
Entstehung
Die meisten Kijo waren einst menschliche Frauen, aber Hass oder Eifersucht, ein Fluch oder ein schweres Verbrechen, wie Mord oder fahrlässige Tötung (Brandstiftung und jemand stirbt dabei) verdarben ihre Seele und ihr Körper nahm monströse Formen an. Auch Gier, sofern sie anderen schadet, kann ein Auslöser für das Entstehen einer Kijogestalt sein.
Kijo erreichen ein Alter von mehreren Jahrhunderten.
Auch wenn die Kijo das weibliche Gegenstück des Oni sind, benötigen einander nicht zur Fortpflanzung. Können aber aber mit einerander Nachwuchs zeugen.
Kulturelle Bedeutung
Gefährlichkeit
Kijo bevorzugen die Einsamkeit nicht etwa aus Scham vor ihrer neuen Gestalt, sondern um weiter ihren Lebensstil zu führen. Je nachdem was eine Frau zur Kijo getrieben hat, wird ihr dies den Charakter vorgeben. Ist sie aus großer Eifersucht entstanden, wird sie versuchen stets alle Männer zu betören und jene vernichten, die es wagen ihre Schönheit (die durch Illussionszauber entsteht) zu missachten oder hinterfragen. Ist sie aus verbrechererischen Handlungen entstaden, so wird sie weiter Morden, Brandschatzen und keine Mühe machen, dies zu verbergen. Ist eine Frau zu Kijo aus einem Groll entstanden, so wird sie diesen weiter treiben, bis ihre Seele sich der Dunkelheit ganz verzehrt hat und sie ihre Rache erhalten hat. Einige Kijo widmen sich auch einem politischen Ziel und versuchen so ihre eigenen Interessen voranzutreiben.
Dementsprechend variiert die Gefährlichkeit einer Kijo, man sollte sie aber alle meiden.
Mythologie
Die Kijo tauchen häufig in japanischen Legenden, Märchen, Gutenachtgeschichten, Kabuki-Theater und anderen darstellenden Künsten, wie etwa Filme, auf. Unter ihnen sind Momiji Densetsu und Suzuka Gozen aus den Suzuka-Bergen. Dabei ist Suzuka Gozen nicht zwingend, als Koji zu sehen, da, wenn auch listig, sie gegen Oni und für das Menschenwohl kämpft.
Dabei besitzen viele dieser Erzählungen einen mahnenden Charakter, dass Frauen, welche schlechte Dinge tun, zu Kijo werden können. Männer die skrupellosen Frauen hinterherjagen, könnten den Tod finden, so sollen diese Geschichten zur Vorsicht mahnen.
Das Kindermädchen Iwate
Iwate war einst der Name eines Kindermädchens, dessen Aufgabe es war, eine Prinzessin aus Kyoto zu betreuen. Eines Tages verliert die Prinzessin die Fähigkeit zu sprechen. Kein Arzt kann ihr helfen, doch ein Wahrsager teilt dem Iwate mit, dass der Verzehr der rohen Leber einer Frau, und nur dieser allein, helfen könnte, die Stimme der Prinzessin zu retten. Aufgrund dieser Weissagung reiste das Kindermädchen mit der Prinzessin in die Region Michinoku, wo sie auf verwirrte Reisenden warteten.
Mehrere Jahre vergingen, bis ein Paar bei Iwate und der Prinzessin für eine Nacht Unterschlupf suchten. Als es Nacht wurde, schritt Iwate zur Tat und schnitt der schwangeren Frau den Bauch auf und entfernte ihr die Leber. Zwar war die Stimme der Prinzessin gerettet, doch für welchen Preis? Mit ihrer unfassbaren Schuld konfrontiert, verlor Iwate noch in derselben Nacht den Verstand und verwandelte sich in eine Kijo.
Momiji Densetsu
Die Geschichte von Prinzessin Momiji ist im japanischen Theater berühmt. Das Noh-Stück Momijigari ("Jagd auf Momiji“ oder „Herbstblattjagd") erschien in der Muromachi-Zeit (1336 bis 1573). Während der Meiji-Zeit (25. Jan. 1868 bis 30. Juli 1912) wurde es als Kabuki-Stück neu inszeniert. Momijigari wurde 1899 verfilmt und war der erste Erzählfilm in Japan. Es wurde 2009 als wichtiges Kulturgut ausgewiesen.
Vor langer Zeit lebte eine mächtige Hexe namens Momiji in den Bergen der Präfektur Nagano im Zentrum von Honshū. Ihre Geschichte spielt in der Zeit der Koyo (Herbstblattbetrachtung - Zeit des gemeinsamen Bewunderns und Feierns der Herbstfärbung), in der sich Gruppen von Menschen in den Bergen versammelten, um die fallenden roten, orangefarbenen und goldenen Blättern zu feiern.
Während dieser Zeit wurde ein Samurai namens Taira no Koremochi von einem örtlichen Hachiman-Schrein beauftragt Oni-Jagd zu betreiben (Hachiman ist einer der populärsten Götter Japans). Seine Jagd hatte ihn zum Berg Togakushi geführt, wo ein besonders böser Kijo gelebt haben soll.
Koremochi und seine Gefolgsleute stiegen auf den schönen Berg und stießen auf eine kleine Gruppe von aristokratischen Damen, welche die Koyo feierten. Koremochi schickte einen seiner Gefolgsleute, um mehr von den Aristokratinnen zu erfahren. Der Gefolgsmann näherte sich, um sich nach den Feierlichkeiten zu erkundigen, und erfuhr so, dass eine edle Prinzessin den Aristokraten beiwohnte. Die feinen Damen sagten ihm jedoch nicht den Namen der Prinzessin. Gerade als Koremochi und seine Gefolgsleute beschlossen, ihre Mission fortzusetzen, kam eine der wartenden Damen auf sie zu und erzählte ihnen, dass ihre Prinzessin schon einmal von Koremochi gehört hatte und sie diesen zu ihren Feierlichkeiten einladen wollte. Trotz seiner Mission konnte Koremochi eine Prinzessin natürlich nicht grob ablehnen, also stimmten er und seine Gefährten zu.
Auf der Feier wurden die Krieger Prinzessin Sarashina vorgestellt, einer äußerst schönen jungen Frau. Sie saßen alle zusammen und genossen es, die Blätter in ihren wundervollen Herbstfarben zu beobachten, Sake zu trinken und zu tanzen. Koremochi fragte die Prinzessin, ob sie für ihn tanzen würde, und sie tat es.
Bald wurden die Männer betrunken und schläfrig und dösten unter den schönen Bäumen umringt von den liebreizenden Damen ein.
Während er schlief, träumte Koremochi von Hachiman und seiner eigentlichen Mission. Der Gott sagte ihm, dass Prinzessin Sarashina tatsächlich die Kijo Momiji in einer Verwandlung bzw. Verkleidung sei und dass er sie mit dem heiligen Katana Kogarasumaru ("Kleine Krähe") töten müsse.
Als Koremochi erwachte, war das Schwert, von dem er geträumt hatte, in seiner Hand. Es gehörte nicht ihm, sondern war ein Geschenk vom Gott Hachiman persönlich. Koemochi wusste, dass das, was er geträumt hatte, echt war und das war er ursprünglich für echt gehalten hatte, eine Täuschung war.
Er jagte den Frauen nach und plötzlich brach ein gewaltiger Feuersturm aus. Flamme und Wind erhellten den Berg und verwandelten ihn in ein Flammenmeer.
Plötzlich erschien eine zehn Fuß große Kijo mit Hörnern aus brennenden Bäumen. Es entbrannte ein intensiver Kampf zwischen dem mutigen Samurai und der riesigen Dämonin.
Am Ende war Koremochi dank seines magischen Schwertes erfolgreich und konnte die Koji des Togakushi-Berges zur Strecke bringen.
Trivia
- Das Wort Kijo wird auch verwendet, um Frauen mit furchtbarem Charakter zu beschreiben, ähnliches ist bei Männern als "oni" zu beobachten.
- In den Spielen der "Yo-Kai Watch"-Serie erscheint eine Kijo in Form des Yōkai Yamabukihime (Reinkarnierter Legendära-Yo-kai; Rang Z; Stamm Robusta).
Wissenschaftliche Erklärungsversuche
Auch wenn die Kijo das weibliche Gegenstück zum männlichen Oni ist, und sie auch als solche betrachtet werden können, sind sie nicht hundert Prozent deckungsgleich. So sind Oni häufig Peiniger der Verdammten oder als Bedrohung für die menschliche Gesellschaft zu betrachten, so ist dies bei den Kijo nicht hervorgehoben. Kijo werden nicht zwingend mit der Hölle oder dem Jenseits verbunden. Sie agieren in der Regel alleine, während Oni in größeren Horden anzutreffen sein können. Ein Teil dieser Differenzen ist wohl auch der Zeit zu schulden, in denen die ersten Legenden der Kijo erzählt wurden, als es undenkbar war, dass Frauen Männer peinigen, die Hölle vertreten und sich in Gruppen organisieren würden.
Taxonomische Stellung
Kijo besitzen einen humanoiden Charakter. Weshalb sie innerhalb der großen Gruppe der humanoiden Wesen einzuordnen sind. Dabei dürften sie eine Teilmenge der Kijin darstellen, diese Gruppe wird auch als "Onileute" bezeichnet und benenntn damit direkt den nächsten Verwandten der Kijo, den Oni. Mit diesen können sich die Kijo auch fortpflanzen und so Hybridoni oder Hybridkijo zeugen.
Laut dem Tosa Obake Zōshi aßen Kijo den Fötus von einer schwangeren Frau, dies ist ein Deckungsgleicher Mythos zur Onibaba (Legende aus dem Raum Adachigahara (Präfektur Fukushima)), weshalb man dazu tendiert weibliche Oniartige Frauen, welche jünger erscheinen als Kijo und jene die alt erscheinen, als Onibaba zu bezeichnen. Was ebenfalls bedeutet, dass die Onibaba eventuell eine Entwicklungsstufe der Kijo darstellen, oder aber das die Kijo neben der nahen Verwandtschaft zum Oni auch eine sehr nahe Verwandtschaft zur Onibaba besitzen.
Nachweise
- Nadine Suchan: "Kijo - Die weibliche Form des Oni" Sumikai Magazin rund um Japan 14. Mai 2021 https://sumikai.com/japan-erleben/geschichte/kijo-weibliche-oni-293502/ Abgerufen a 6.10.2024
- Yokai.com – the online database of japanese ghosts and monsters (Matthew Meyer) Suche nach "Kijo" http://yokai.com/kijo/ Abgerufen am 23.09.2024
- Yokai.com – the online database of japanese ghosts and monsters (Matthew Meyer) Suche nach "Momiji" http://yokai.com/momiji/ Abgerufen am 23.09.2024
- Yo-Kai Watch: "Yamabukihime" https://yokai-watch.fandom.com/de/wiki/Yamabukihime Abgerufen am 1.10.2024
- 村上健司編著『妖怪事典』毎日新聞社、2000年、132頁。ISBN 978-4-620-31428-0。
- 多田克己 著「『妖怪画本・狂歌百物語』妖怪総覧」、京極夏彦 編『妖怪画本 狂歌百物語』国書刊行会、2008年、306頁。ISBN 978-4-3360-5055-7。
- 「雪婆編著『妖怪百物語絵巻』国書刊行会、2003年、60頁。ISBN 978-4-336-04547-8。