Inkarnationen
Ahmed hatte vorgeschlagen, zu seiner Schwester zu fahren. Sie lebte weiter ausserhalb in einem kleinen Dorf. "Dorf" war eigentlich schon zuviel gesagt, denn die kleine Ansammlung von Häusern zählte insgesamt keine dreissig Seelen. Der Landrover war zwar ramponiert, aber fahrbereit und so fuhren die Fünf kurz darauf in Richtung des Ortes, in dem die Schwester Ahmed's wohnte. Mit jedem Kilometer den sie sich entfernten, schienen die Schäden geringer zu werden und nach zwanzig Minuten Fahrt war von Erdbebenschäden nichts mehr zu sehen. Es tat gut, dem Elend nicht mehr ins Gesicht blicken zu müssen.
Das Gelände wurde leicht hügelig und nach einer weiteren halben Stunde erreichten sie den kleinen Ort. Autos waren hier eher eine Seltenheit und als der Wagen vor dem Haus vorfuhr, trat sofort Ahmed's Schwester Suchalla vor die Türe und begrüsste freudig überrascht ihren Bruder und seine Begleiter. Sie bat sie ins Haus und bot ihnen Tee an. Am Haus waren weder innen noch aussen irgendwelche Schäden durch das Beben zu sehen, aber das Beben war natürlich zunächst das Thema Nr.1. Suchalla bot Ahmed und seinen Freunden an, die nächsten Tage hier zu wohnen. Das Haus war gross genug und sie freute sich von Herzen, ihren Bruder hier bei sich zu haben.
Nach dem Abendessen zogen sich die Fünf in das Esszimmer zurück um zu besprechen, was in den nächsten Tagen zu tun wäre. Die allermeisten der Kristalle und den Ring hatten sie gerettet. Aira-Mu war zunächst an einem Ort unweit des Hauses von Suchalla bei einer kleinen Felsengruppe vergraben worden. Die Kristalle waren in zwei Taschen verstaut, die bei ihnen hier im Zimmer waren. So recht wollte die weitere Planung nicht in Fluss kommen. Irgendwie schien es Elmer so, als ob noch eine wichtige Information fehlen würde. Als er dies in der Runde kund tat, bestätigten alle seine Wahrnehmung, dass sie sich ein wenig ratlos fühlten im Moment.
Dann ergriff sein Grossvater das Wort. "Ich habe das Gefühl, dass ich Euch allen etwas erzählen sollte - vielleicht trägt es dazu bei, unseren Weg klarer zu sehen."
Die Tür ging auf und Suchalla kam herein, um ihnen Tee und eine Kleinigkeit zu Essen zu reichen. Alle bedankten sich und Ahmed bat seine Schwester, sie nun ungestört etwas Wichtiges besprechen zu lassen.
"Wie ihr alle wisst, begann Elmers Grossvater, sind wir alle die wir hier versammelt sind, uns schon in mehreren Inkarnationen begegnet, ja man kann sogar sagen, dass wir uns gewissermassen verabredet haben, um in verschiedenen Zeitepochen gemeinsam das Schicksal der Menschen in eine gute Richtung zu lenken. Dies ist nicht immer gelungen, aber viel Positives ist erreicht worden und wer weiss wie es heute aussehen würde, wenn wir nicht gewesen wären. Jeder hat seinen Teil beigetragen, so gut er eben konnte und jeweils nach seinen Möglichkeiten."
"Wenn man nun ganz weit in der Geschichte zurückgeht, dann stösst man auf Wesenheiten, die z.B. noch einen Körper hatten, welcher lange nicht so verdichtet war, wie unsere Körper hier und heute. Die Lemurer waren solche Wesenheiten und in ihrem Lande Mu lebten sie in Frieden und Eintracht. Sie konnten sich telepathisch miteinander auf grosse Entfernungen verständigen und sie hatten ein sehr gut funktionierendes soziales System. Doch auch in ihnen war der Keim der Suche nach Wissen und der Frage nach allem Anfang gepflanzt und so entwickelten sie sich immer mehr aus einer eher geistigen Lebensweise in eine körperliche Ebene, in der die Körper dann auch immer mehr verdichteten. Sie erlebten die irdische Ebene intensiver.
Aus ihnen ging das Volk der Atlanter hervor, jene Zivilisation, die man heute meist als Hirngespinnst abtuen möchte. Besonders in Archäologenkreisen, obwohl längst genügend Beweise gefunden wurden, die zumindest eine eingehende Weiterforschung sinnvoll erscheinen lassen. Gewisse Kreise sind aber strikt dagegen, diese Theorie weiter zu verfolgen, denn würde sie sich als wahr erweisen, müsste die komplette Menschheitsgeschichte neu geschrieben werden. Es gab einen amerikanischen Mystiker Namens Edgar Cayce, der ganz plötzlich in der Lage war, in die Akasha-Chronik schauen zu können. Ihr wisst, dort ist die gesamte Menschheitsgeschichte gespeichert. Er lebte bis 1945 und hatte in seinen sogenannten "Readings", die er zunächst für Ratsuchende zu allen möglichen Fragen abhielt, plötzlich auch Situationen beschrieben, die aus der Zeit von Atlantis stammten.
Er hatte Zugang zu Informationen, die den jeweiligen Fragenden bezogen auf ihre damalige Lebenssituation wertvolle Hilfen geben konnten. Er sah Szenen aus ihren damaligen Inkarnationen in Atlantis und konnte Bezüge zur Jetztzeit daraus ableiten, welche den Fragenden verschiedene schwierige Lebensumstände erklären konnten und in Zusammenhang gebracht wurden. Eine in Virginia Beach befindliche Stiftung berichtet heute noch darüber und die vielen Bücher, die über sein Leben und Wirken geschrieben wurden, sind sehr interessant. Es gibt nicht viele Menschen, die in die Akasha-Chronik schauen können - er war einer von ihnen." Allerdings konnte er es nur in Trance und konnte sich hinterher an nichts mehr erinnern. So half er z.B. Menschen mit medizinischem Rat, obwohl er niemals etwas in dieser Richtung gelernt hatte. Er sprach in Trance einige Male in fremden Sprachen und sagte u. A. den Beginn und das Ende des 2. Weltkrieges voraus.
"Kannst Du es Grossvater,?" fragte Elmer.
"Nun, nicht so wie Edgar Cayce. Er versetzte sich selber in Trance und was er sah wurde per Stenografie notiert. Die Aufzeichnungen existieren heute noch. Aber ich will Euch gerne zeigen, was ich sehen kann." Er wandte sich an seine Frau. "Gerda sei doch bitte so gut und reiche mir Amh-Te und Sol-Arkh heraus."
"Ja gern," antwortete Gerda und ging zu einer der Taschen herüber, die neben ihr an der Wand standen. Sie reichte Howard einen Kristall, der eine tiefgrüne Farbe hatte. Der zweite Kristall war in ein Band eingelassen, das mit verschiedenen alten Symbolen verziert war und einen Verschluss hatte. Der Kristall war silberfarben und etwas kleiner als der grüne Stein. Howart bedankte sich und nahm den grünen Stein in die Hand. Er legte ihn auf die Mitte des Tisches vor ihnen.
Dies ist Amh-Te, was soviel bedeutet wie "Speicher". Dann nahm er den anderen Kristall und band ihn sich um die Stirn, so dass der kleine Kristall sich vorne an seiner Stirn befand und verschloss ihn hinten. "Dies nun ist Sol-Arkh, er wird der "Sendende" genannt. Mit Hilfe dieser beiden Kristalle kann ich nun verschiedene Bilder aufrufen und an Euch weiterleiten. Wir müssen uns dazu ein wenig konzentrieren und die Augen schliessen. Ich bitte Euch, einander die Hände zu reichen und so einen Kreis zu bilden. Lasst den Geist ein wenig zur Ruhe kommen und dann solltet ihr ein erstes Bild empfangen. Ihr könnt gern dabei sprechen oder Fragen stellen."
Alle folgten den Anweisungen von Elmers Grossvater und kurz darauf kehrte Ruhe ein am Tisch. Howard konzentrierte sich und nach etwa zwei Minuten nahm der grüne Stein auf dem Tisch seine Arbeit auf. Die Farbe verstärkte sich und wechselte in ein leuchtendes Weiss, welches sich im Raum verteilte. Es war wie ein Scan, der den Raum abtastete und bald traf er auf Sol-Arkh an der Stirn von Howart. Sofort begann der Stein kräftig zu leuchten und man sah deutlich, dass sie eine Verbindung hatten. Von den Anwesenden bekam dies niemand mit, da sie die Augen geschlossen hielten. Dafür bekamen sie etwas anderes mit. Ahmed war der Erste, der sich meldete.
"Ich sehe eine Stadt, wie auf einem Hügel stehend. Sie hat etliche Kanäle und liegt an einem Fluss der zu einem Meer führt."
"Ich sehe diese Stadt auch. Ich habe sie schon einmal gesehen, sagte Nani, ich glaube, es ist Atlantis."
"So ist es, sagte Howart, ja, es ist Atlantis. Atlantis so wie es aussah kurz vor der letzten grossen Katastrophe, die alles verschlang."
"Jetzt sehe ich es auch, meldete sich Elmer, die Türme mit den Kristallen und der Hauptturm in der Mitte der Stadt."
"Ja, es war einmal ein sehr schönes Land und die Menschen dort lebten in Frieden und waren glücklich, erzählte Howart weiter. Jedoch gab es gewisse Einflüsse, die einigen unter ihnen einen sehr schlechten Weg anboten.......leider haben sie ihn eingeschlagen und so kam es, dass sie die Kräfte, die von den Kristallen ausgingen missbrauchten und gegen die Menschen einsetzten. Eine sehr unglückliche Verkettung von ungünstigen Umständen führte letztlich zur grossen Katastrophe, die den Untergang von Atlantis zur Folge hatte. Einige Menschen konnten noch rechtzeitig fliehen. Grossmutter und ich zum Beispiel waren unter ihnen. Die Katastrophe war so gewaltig, dass weltweit gravierende Veränderungen in der Erdstruktur vorgingen."
Das Bild wechselte und alle sahen eine ägyptische Landschaft. "Bei einer vorhergehenden Katastrophe, bei der schon ein Teil von Atlantis unterging, flohen viele Atlanter über das Meer in ein Land, dass heute Yukatan und Mexico genannt wird. Die Pyramiden dort zeugen heute noch von ihrer einstigen Anwesenheit dort. Wir jedoch flohen ins Land der Ägypter und durch eine geschickte Vorgehensweise freundeten wir uns mit dem Pharao an und teilten unsere Macht der Ringe mit ihm. Eine tiefe Freundschaft verband mich damals mit ihm und gemeinsam erschufen wir die Pyramiden auf dem Plateau von Gizeh. In jener Zeit waren wir alle die wir hier versammelt sind gemeinsam dort inkarniert und lenkten die Geschicke des Landes. Dies war über 10.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung."
"Mit Hilfe der Ringe und unserer Kristalle konnten wir die tonnenschweren Quader leicht bewegen und zusammenfügen. Als die Pyramide fertiggestellt war, sah sie völlig anders aus als heute, ihr müsstet das Bild nun sehen." Zustimmendes Nicken kam von allen, die am Tisch sassen. "Die Aussenwände waren glatt und auf der Spitze war das Herzstück aufgesetzt - das vergoldete Pyramidion. Weithin war es zu sehen und wenn die Strahlen der Abendsonne es berührten, verströmte es ein ganz besonderes Licht. Ja, weithin war es zu sehen und es lockte viele Menschen an damals. Nicht alle von ihnen hatten gute Absichten und so geschah es, dass wir es in einer anderen Inkarnation wieder entfernt haben. Im Inneren des Pyramidions war ein Grossteil der wertvollen Kristalle angeordnet, die bei verschiedenen Einweihungsgraden eine grosse Hilfe waren und uns sicher auf geheimen Wegen leiteten. Tief versteckt an einem sicheren Ort im Schosse der Wüste wartet es auf seine Zeit."
"Doch glaube ich, dass es noch recht lange dauern wird, bis das Pyramidion wieder das Tageslicht erblickt. Es wird noch vieler Veränderungen bedürfen, ganz besonders im Bewusstsein der Menschen und bis dies umfassend geschehen ist, werden ganz sicher noch einige Jahrhunderte vergehen."
Die Bilder erloschen und langsam öffneten alle wieder ihre Augen und der Kreis wurde aufgelöst. Grossvater sprach davon, dass alle Menschen eine gewisse Verantwortung trugen. Manche nahmen sie sehr ernst und trugen sie für sehr viele Menschen. Manchen trugen sie für den Kreis ihre Familien und manche nur für sich selber. Und manche.......ja manche Menschen hatten gar kein Verantwortungsbewusstsein.
Sie verabredeten für den nächsten Tag noch einmal zum Plateau zu fahren, um den Gang von der Sphinx zur Pyramide in Augenschein zu nehmen, denn hier waren grosse Teile eingestürzt. Auch die beschädigte Seite der Pyramide wollten sie sich näher ansehen.
Sie ahnten nicht, dass sie nicht die Einzigen waren, die diesen Gedanken hatten......