Licht und Schatten
Zwei Jahre waren vergangen...
Anubis' Worte klangen noch lange in Elmer nach. "Entfernt Euch von dem, was Gizeh geheissen wird..."
Nach den aussergewöhnlichen Erlebnissen in der Pyramide und dem wunderbaren Abend bei Ahmed's Familie einigten sich alle darauf, noch ein paar Tage bei Ahmed und seiner Schwester zu bleiben. Sie waren weit genug weg von dem ganzen Trubel und genossen ihr Zusammensein. Einige Tage lang bestand ihr Tagesablauf nur aus Schlafen, Essen und Reden. Dabei ging es kreuz und quer durch die gesamte Menschheitsgeschichte. Atlantis, Lemurien, Ägypten, die Maya und die Azteken - über alles wurde gesprochen. Grossvater war ein unerschöpflicher Wissensspeicher und er verstand es, den Geschichten die nötige Spannung und Würze zu geben und manchmal rutschte er auch ins Witzige ab und belustigte seine Zuhörer.
Nani, Elmer und seine Grosseltern reisten nach Deutschland zurück. Mit Ahmed hielten sie engen Kontakt und zweimal im Jahr besuchte er sie in Deutschland.
Gleich nach ihrer Rückkehr war Nani zu Elmer gezogen. Ein Jahr später gebar sie einen Sohn. Sie nannten ihn Howart. Seine Augen waren tiefblau und wenn er jemanden ansah, hatte man das Gefühl, er würde auf den Grund der Seele schauen. Schon kurz nach seiner Geburt sprach Grossvater von einer sehr alten atlantischen Seele. Er beschäftigte sich sehr oft mit seinem Namensvetter.
Elmers Grosseltern hatten sich eine gemütliche Wohnung gekauft und Elmer und Nani das Haus vermacht. Die Wohnung war nicht weit vom Haus entfernt und so waren die Grosseltern oft zu Besuch bei ihnen. Der kleine Howart entwickelte sich aussergewöhnlich gut und schnell. Er fing früh mit dem Sprechen an, lief eher als andere Kinder in seinem Alter und interessierte sich für alle möglichen Arten von Steinen, besonders für.....Kristalle. Howart - der Ältere - hatte ihm einmal einen kleinen Kristall in sein zartes Händchen gelegt. Sofort begann der Kristall seine Farbe zu verändern. Howart nahm ihn sofort wieder an sich, es war noch zu früh.....
Ahmed hatte ihnen immer wieder von den Arbeiten auf dem Gizeh-Plateau berichtet. Alles war abgesperrt worden. Der Schutt des eingestürzten Ganges von der Sphinx hin zur grossen Pyramide war inzwischen weggeräumt worden. Alles war abgedeckt worden. Ahmed hatte von merkwürdigen Leuten, die sich mit allen möglichen Gerätschaften im Innern der Pyramide zu schaffen machten berichtet. Die Männer die dort arbeiteten, sahen aus wie Wissenschaftler, doch wurden sie stets von einem Trupp anderer Männer begleitet, die Anzüge und Sonnenbrillen trugen. Wie Leute vom Geheimdienst, meinte Ahmed. Das Ganze ging nun schon seit Monaten so. Das ganze Gelände hatten sie weitläufig abgesperrt.
Gestern war Nani zur Untersuchung beim Frauenarzt gewesen. Als Elmers Grosseltern zum Kaffee kamen, wollten sie es ihnen erzählen. Nani war schwanger. Sie hatten sich noch ein Mädchen gewünscht, wollten sich aber überraschen lassen. Als die Grosseltern herein kamen, sah Grossmutter Nani an, fasste ihr sanft auf den Bauch und sagte: "Ohhh, Du bist wieder guter Hoffnung, Nani. Es ist ein Mädchen."
"Du bist einfach unglaublich Oma, sagte Nani lachend, jetzt ist die ganze Überraschung dahin. Ich habe es gestern erfahren und wir wollten es Euch beim Kaffee sagen."
"Es wird ein besonderes Kind sein, Du wirst es sehen, sagte Grossmutter."
"Ja, ich scheine ein besonderes Talent für besondere Kinder zu haben," gab Nani grinsend zurück.
"Ja, so ist es in der Tat, mein liebes Kind," sagte Grossmutter und strich ihr mit dem Handrücken liebevoll über die Wange.
Kaum dass sie am Kaffeetisch sassen, war der kleine Howart auf dem Schoss des grosses Howart. Während sie ihren Kuchen assen und den Kaffee tranken plauderten sie über Dies und Das. Dann drehte sich der kleine Howart plötzlich um und legte seine kleine Hand auf seines Urgrossvaters Herz. Alle schauten der Szene verwundert zu. Es verging eine kurze Zeit, in der niemand auch nur ein Wort sprach. Dann hob der kleine Mann seinen Kopf, sah seinen Urgrossvater an und fragte: " Amh-shee?"
Alle blickten Grossvater verwundert an. Er schaute dem kleinen Howart direkt in die Augen, als seine eigenen Augen sich langsam mit Tränen füllten. Fragende Blicke richteten sich auf ihn. Grossmutter schien die Einzige zu sein, welche die Situation begriff. Liebevoll lächelnd legte sie eine Hand auf Grossvaters Arm und eine auf den Kopf des kleinen Howart.
"Was ist das für ein Name," fragte Nani.
Grossvater musste zuerst schlucken. "Es ist der Name, den ich in der ersten Inkarnation trug, an die ich mich zurück erinnern kann. Es ist ein atlantischer Name und er bedeutet in etwa so viel wie "Kristallwesen". Der kleine Howart scheint Zugang zur Akasha-Chronik zu haben, durch blosses Handauflegen. Er kann scheinbar darin lesen. Ja Du hast Recht," nickte er dem Kleinen zu und strich ihm über den Kopf, "so lautete einmal mein Name."
Der kleine Junge auf seinem Schoss lächelte ihn an und strich ihm die Tränen von den Wangen. Der Moment dieser grossen Rührung hatte alle am Tisch eine Weile still werden lassen, bis Grossvater wieder das Wort ergriff: " Du solltest ihn schon früh mit dem Ring vertraut machen, Elmer. Aber noch nicht jetzt. Diese Zeit wird gekommen sein, wenn seine Schwester das Licht der Welt erblickt hat. Sie wird aussergewöhnliches Wissen mitbringen und könnte grosse Dinge gemeinsam mit Howart vollbringen."
Und dann verblüffte der kleine Howart seine Eltern. Plötzlich brachte er den Namen "Insa" hervor und schaute sich fragend zu seinen Eltern um.
Es wusste noch niemand hier, aber auf diesen Namen hatten sich Elmer und Nani geeinigt, wenn es ein Mädchen würde....
"Das ist der Name auf den Elmer und ich uns verständigt hatten, wenn es ein Mädchen wird," platzte Nani überrascht heraus.
"Ich denke, der kleine Howart wird noch so manche Überraschung für uns parat haben," sagte Grossvater.
Kurz darauf verabschiedeten sich die Grosseltern und gingen in ihre Wohnung zurück. Morgen wollte Ahmed kommen und sie für ein paar Tage besuchen. Sie freuten sich schon alle auf ihn.
Am nächsten Morgen fuhr Elmer schon kurz nach dem Frühstück los, um Ahmed vom Flughafen abzuholen. Seine Maschine war gerade gelandet und Elmer wartete am Ankunftsschalter auf ihn. Dann hatte er ihn entdeckt und winkte ihm freudig zu. Ahmed kam auf ihn zu, stellte seinen Rollkoffer ab und drückte ihn herzlich. Kaum eine Stunde später sassen sie gemeinsam am Tisch freuten sich über ihr Zusammensein. Elmers Grosseltern waren inzwischen auch schon herüber gekommen und Ahmed berichtete von den neuesten Vorkommnissen auf dem Gizeh-Plateau.
"Ein Freund von mir arbeitet bei der ägyptischen Altertumsbehörde, berichtete er. Er erzählte mir, dass vor einigen Tagen mehrere LKW's auf dem Plateau eingetroffen waren und Unmengen von Kisten mit technischem Gerät in die Pyramide geschafft wurden. Eine amerikanische Firma hat inzwischen die Leitung der Arbeiten innerhalb der Pyramide übernommen. Sie heisst SOL-Industries. Kennt sie jemand von Euch?"
"Ich kenne sie nicht, aber SOL erinnert mich an einen Namen, der mir absolut kein gutes Gefühl macht," sagte Elmer.
Alexander Solomon schien irgendwie immer noch präsent zu sein...
Am Abend wollten sie gemeinsam einen Film ansehen, den Ahmed mitgebracht hatte. Als Nani den Fernseher einschaltete und den Film einlegen wollte, lief gerade eine Sondersendung in den Nachrichten. Das Thema der Sendung war die Pyramide von Gizeh.
Die Pyramide war zum grossen Teil eingestürzt!
Man sprach davon, dass bei den Arbeiten innerhalb der Pyramide durch einen technischen Defekt eine Explosion stattgefunden hat, welche die Struktur des Bauwerkes schwer beschädigt hätte. Mehrere Menschen seien dabei zu Tode gekommen. Im Vordergrund des Berichtes stand ein Mann, der Informationen zum Hergang des Unglückes mitteilte.
"Ich kenne ihn, sagte Grossvater. Wir sind uns schon einmal begegnet."
"In Ägypten," fragte Ahmed.
"Nein. Weit früher."
* * *
Nani gebahr einige Monate später eine Tochter. Ihr Name dürfte bekannt sein....
Das Kind brachte sie in ihrem Haus zur Welt. Insa wurde von ihrem Bruder Howart geliebt und beschützt. Von Anfang an. Sie verstanden sich blind, so als würden sie sich schon lange kennen.
Doch das ist eine andere Geschichte.......
* * * E N D E * * *