Versteckt:
Das sanfte Brummen des Motors dröhnte ihm langsam in den Ohren. Luca fühlte sich müde, aber gleichzeitig konnte er nicht schlafen. Wann immer er den Kopf gegen das warme Metall lehnte, klapperten seine Zähne so stark, dass er davon Kopfschmerzen bekam. Zweimal hatte er sich schon aus Versehen auf die Zunge gebissen.
Samstag hatte sie in den Tourbus geschmuggelt, und zwar in die Gepäckklappe direkt vor dem Motor. Es gab vermutlich wenig Arten, zu reisen, die unangenehmer waren.
In dem dunklen Laderaum war Miras Senderuhr die einzige Lichtquelle und beleuchtete das spitze Gesicht der jungen Frau. Luca suchte die Ähnlichkeit zu Fay in ihren Zügen, doch er fand nicht eine Spur davon. Mira war genauso hübsch wie Fay, aber auf eine andere, wildere Art. Er seufzte leicht.
Er musste in den Halbschlaf hinüber gedämmert sein, denn als Mira sprach, riss sie ihn wieder heraus.
„Wir haben Realitas soeben verlassen“, verkündete sie mit ruhiger Stimme.
Samstag, der friedlich geschlafen hatte, streckte sich nun. „Schade.“
Die Luft hier hinten war stickig und roch nach Maschinenöl.
„Was bedeutet das?“, fragte Amy.
„Es bedeutet in erster Linie, dass wir unsere Trick mit den Teufeln nicht mehr anwenden können“, sagte Samstag. „Es heißt auch, dass ab jetzt alles möglich ist. Wir sind im Reich der Fantasie, wo es keine Regeln gibt, und selbst die gebrochen werden.“
„Poetisch gesagt“, meinte Mira spöttisch. Samstag grinste sie an: „In Phantasma wird man entweder Dichter oder verrückt. Meist beides.“
„Phantasma“, wiederholte Amy leise. „Das ist die andere Welt, ja?“
„Die anderen Welten“, sagte Samstag. „Hier wird alles real, ob es jetzt ein Buch ist, ein Traum oder eine fixe Idee.“
Selbst im Halbdunkel sah Samstag wohl, wie verwirrt Amy und Luca waren.
„Es reicht, wenn ihr es euch als eine einzige andere Welt vorstellt, Samiras Welt. Denn da sind wir.“
Luca schluckte. Er hatte so sehr gehofft, dass das alles vorbei wäre.
Trotzdem fühlte er sich rätselhafterweise zuversichtlich. Diesmal wussten sie, was sie erwartete. Und Samstag war an ihrer Seite, damit sie zurückschlagen konnten.
„Haben wir einen Plan der Hotels?“, fragte Samstag in diesem Moment.
Mira schüttelte traurig den Kopf: „Den hatte Lily.“
„Ich habe noch was“, meinte Amy und zog ein kleines Notizbuch hervor. Sie reichte es Samstag.
„Ich führe gerne Tagebuch. Nicht so im Sinne von „Liebes Tagebuch, heute war ich im Hotel“, aber ich schreibe mir die Daten auf. Für … ich weiß nicht, wofür. Ich brauche es.“
Samstag schlug das Notizbuch auf und las: „Hotel 1, Hotel Cecilia. Ankunft am Vorabend, 19 Uhr. Abendessen: Möhren, Erbsen und Kartoffelbrei, Bett ab 22 Uhr. Frühstück … hast du das wirklich alles aufgeschrieben?“
Amy wand sich unter seinem Blick. Selbst Luca war überrascht. Er kannte Amys Vorliebe für solche Aufzeichnungen, aber dass sie so detailliert waren, hatte er nicht gewusst.
„Ich habe Angst, dass ich etwas vergessen“, sagte Amy. „Und es lenkt mich vom Heimweh ab.“
„Uns wird es jedenfalls helfen“, entschied Samstag.
„Ich habe irgendwann aufgehört“, sagte Amy leise. „Als es gruselig und verrückt wurde, wusste ich nicht mehr, was ich schreiben sollte.“
„Wir können immerhin die Hotels rekonstruieren und wissen, welche Geschichten sich dort abspielen. Das ist viel wert.“
Obwohl Samstag Amys Marotten bereits akzeptiert hatte, war Luca noch erschüttert. Er machte sich Sorgen um Amy.