Nachgeschrieben: 05.09.2020
Gähnend kam Noah aus dem Schlafzimmer geschlurft. Er hatte gestern die Spätschicht in der Bar gehabt und war dementsprechend erst in den frühen Morgenstunden ins Bett gekommen. Noch im Zombiemodus bahnte er sich seinen Weg in Richtung Küche, um seine ›morgendliche‹ Kaffeeinfusion zu sich zu nehmen, damit er sich zumindest minimal menschlich fühlte.
Aus der Küche ertönte ein geschäftiges Klappern eines Messers auf einem Holzbrett. Ganz so, als würde ein Koch Gemüse kleinschneiden. Noah blieb in der Tür stehen und starrte auf den Anblick, der sich ihm bot.
Ryan stand mit einer Kochjacke und Jogginghosen bekleidet an der Arbeitsplatte und schnitt wie ein Profi Paprika in Streifen. In einigen Schalen lagen schon gewürfelte Schalotten und Kartoffeln, gestiftete Möhren, Brokkoli- und Blumenkohlröschen.
Noah blinzelte und fragte leise: »Ryan? Was machst du da?«
Ryan lächelte einen Moment lang stumm, wandte sich aber nicht von seiner Tätigkeit ab, bevor er antwortete: »Ich koche. Das sieht man doch.«
Sie kannten sich jetzt schon lange, aber Noah hatte ihn noch nie am Herd gesehen.
»Ehm ... du kannst kochen?«, murmelte Noah. Er klang dabei so, als würde sein Hirn noch nicht auf allen Zylindern laufen.
Ryan legte sein Messer aufs Brett, schenkte eine Tasse Kaffee ein und trat auf Noah zu. Er gab ihm die Tasse in die Hand, küsste ihn auf die Wange und lächelte ihn an. »Guten Morgen, Brummbär. Und ja, ich kann kochen. Du glaubst doch nicht, dass meine Mutter ein Kind in die Welt entlassen hätte, dass sich nicht selbst versorgen könnte.«, sagte er.
Noah nippte an seinem Kaffee, ließ die Worte auf sich wirken und bestaunte dabei die akkurat geschnittenen Gemüsesorten.
»Setz dich ... es dauert noch ein Weilchen, bis es fertig ist. Hältst du so lange durch, oder soll ich dir Rührei mit Bacon machen?«, wies Ryan ihn an, der es nicht haben konnte, wenn man in seinem Rücken stand, während er kochte.
Noah tat wie ihm geheißen und beobachtete einfach weiter. Er konnte nicht fassen, dass er dies nicht über seinen langjährigen Partner gewusst hatte.
»Noah? Rührei ja oder nein?«, hakte Ryan noch einmal nach.
»Nein, danke. Ich bin noch nicht richtig hungrig«, antwortete Noah ihm endlich und lächelte verlegen.
Ryan erwiderte das Lächeln und wandte sich dann dem Wok zu. Er begann die Gemüse nach Garzeit hinzuzufügen, rührte, würzte und probierte ganz so, wie man es von einem Profikoch erwarten würde.
Noah war fasziniert.
»Was gibt es denn Gutes?«, fragte er nach einer Weile der Stille zwischen ihnen.
»Scharfes Curry«, erwiderte Ryan und schaltete den Reiskocher ein, begann dann die benutzten Schalen, Messer und Brettchen abzuspülen und wieder an ihren angestammten Plätzen zu verstauen, damit er sich später nur noch um Besteck und Teller kümmern musste.
»Uhu ... ich bin gespannt«, sagte Noah.
Ryan nickte und setzte sich dann zu ihm, bis der Reis fertig war. Dann stand er wieder am Herd und begann anzurichten. Einige Minuten erschien er wieder am Tisch und stellte einen gut gefüllten Teller und ein Glas Milch vor Noah auf den Tisch.
Dieser atmete tief ein und sein Magen knurrte, als die angenehmen Aromen auf all seine Sinne einströmten. Er nahm seinen Löffel in die Hand und blickte zu Ryan hinüber. »Vegetarisch?«, fragte er, da er kein Fleisch auf seinem Teller entdecken konnte.
»Japp ... schadet dir auch nicht, wenn du mal nur Gemüse isst«, sagte dieser und zwinkerte ihm zu, sah ihn dann aber abwartend an.
Noah kostete, begann zu husten und trank bereitwillig aus dem Glas Milch, bevor er ein heiseres »Scharf!« hervorbrachte.
Ryan lachte. »Soll wohl ... da sind gehakte Ghostpepper drin«, meinte er und ließ es sich schmecken.
Noah zögerte nicht, sondern begann zu essen, auch wenn er regelmäßig zur Milch griff.