Nachgeschrieben am 16.05.2021
Noahs zehnjährige Nichte Nikita saß auf dem Küchentisch und schaukelte mit den Beinen. Ihre traurige Miene verhieß nichts Gutes und so ging Noah direkt zur Anrichte und begann zwei warmen Tassen Kakao mit Marshmallows zu machen bevor er sich zu ihr setzte und sie wortlos vom Tisch auf seinen Schoß zog. Sie lehnte mit ihrem Rücken an seiner Brust und nippte an ihrem Kakao.
»Na komm, erzähl was los ist, Niki,« forderte Noah sie nach einer Weile des Schweigens auf. Sie waren allein im Haus. Rosalie und Ryan waren mit den Zwillingen im Park zum Spielen, aber Nikita hatte Redebedarf, also waren sie und Noah hier geblieben.
Nikita biss sich auf die Unterlippe. »Ich glaube, ich bin kein Mädchen,« platzte sie schließlich heraus.
Noah blinzelte und ließ sich die Worte einen Moment lang durch den Kopf gehen.
»Okay ... ich hab mehrere Fragen. Wie kommst du drauf? Welche Pronomen bevorzugst du und wie möchtest du genannt werden?«, sagte er, nachdem er sich gefangen hatte.
Nikita schnaubte leise, bevor sie sich zu ihm herumdrehte und an ihrem Kakao nippte. »Ich mag keines der Dinge, die andere Mädchen toll finden. Ich fühle mich in Kleidern nicht wohl und irgendwie ... alles fühlt sich falsch an«, versuchte Nikita zu erklären.
Noah nickte verstehend. Nikita musste sich ihm nicht wirklich erklären. »Okay ... und die anderen Fragen?«, hakte er nach.
»Nick oder Niki, wie sonst auch, ist okay und ich denke männliche Pronomen ... die neutralen Pronomen verwirren mich zu sehr,« gab Niki zu, was zeigte, dass sie ... er sich mit dem Thema wohl schon ein Weilchen befasste.
»Gut. Dann werd ich mich an die Tatsache gewöhnen müssen, dass ich ihnen Neffen habe. Vergib mir bitte, wenn ich das mit dem Gendern am Anfang noch nicht richtig hinkrieg, aber ich werd mir Mühe geben«, versprach er und drückte den Jungen an sich.
»Du bist nicht böse?«, hakte Niki nach.
»Wieso sollte ich? Du fühlst, wie du fühlst. Daran kannst du und auch niemand anders etwas ändern. Und wenn du dich wohler dadurch fühlst, als männlich angesehen zu werden und lieber Nick oder Niki statt Nikita genannt zu werden, dann mach ich das. Wichtig ist nur, dass es dir damit gut geht und ob ich oder irgendwer anders sich damit wohlfühlt ist zweitrangig.«, erwiderte Noah.
Dankbar lächelte Nick und kuschelte sich an seinen Onkel. Der erste Schritt war getan.