Kriegsrat:
„Wir haben es hier mit Werwölfen zu tun.“
„Werwölfe?“, wiederholte Amy mit, wie sie fand, viel zu schriller Stimme. Mit ernster Miene nickte Samstag.
Sogar Luca wurde bleich, als Mira ihnen jeweils ein Gewehr in die Hand drückte.
„S-sollen wir wirklich damit schießen?“, fragte Amy. Die Waffe kam ihr schrecklich schwer vor.
„Schrotflinte, mit Silbersplittern geladen“, erklärte Samstag. „Mira zeigt euch, wie ihr laden müsst.“
Mira machte die Handbewegungen vor und Amy wiederholte sie mit steifen Fingern. Ihre Hände waren schwitzig, während sie das kühle Metall im unwirklichen Licht betrachtete.
Sie hockten im Inneren einer Plastikblase, vielleicht die bunt bemalte Wange eines mörderischen Clowns oder einer anderen Figur. Alle diese Figuren waren von Innen hohl, und Samstag hatte ihnen Zutritt zu den Gängen darin verschafft. Hier war die Luft aufgeheizt und muffig, das Licht wurde durch die bunten Farben abgestumpft und eingefärbt.
„Schrotflinten sind nicht gut auf die Entfernung“, berichtete Samstag weiter. „Sie zielen auch nicht besonders genau. Wenn wir damit arbeiten, dann Rücken an Rücken im Viereck, auf jeden Fall so, dass niemand in die Schussbahn gerät. Hier.“
Er gab ihnen zwei paar Ohrenstöpsel. Amy nahm sie wie betäubt entgegen.
„Wir sollen die Werwölfe also nah zu uns lassen?“, fragte Luca nicht sehr begeistert.
„Dann habt ihr den maximalen Treffererfolg“, nickte Samstag, als wäre es selbstverständlich, für sowas sein Leben zu riskieren.
„Und es sind echte Werwölfe?“, fragte Amy mit trockenem Mund.
„Sehr wahrscheinlich“, erklärte Mira nach einem kurzen Blick auf Samstag, als müsste sie ihn um Erlaubnis bitten. „Damals hatten wir Wolfsgeheul gehört und Krallenspuren gefunden, ziemlich eindeutige Sache. Außerdem haben wir Fellbüschel entdeckt“, sie grinste schief, „von denen Samira bestimmt nicht wollte, dass sie gefunden werden.“
Amy starrte ihre Meisterin an. Ihr war ein wenig schwindelig. Sie versuchte, den Gedanken zu realisieren, dass sie sich jetzt auf Werwolfjagd begab. Es klang immer noch unsinnig.
„Warum nur sehr wahrscheinlich?“, piepste Luca.
„Weil immer die Möglichkeit besteht, dass wir es mit einem Wesen zu tun haben, dass wir nicht kennen“, antwortete diesmal Samstag. „Einem Ding, das auf einem Werwolf basiert, aber etwas total anderes ist. Es könnte auch ein Werwolf sein, dem Silber nichts ausmacht. Dessen einzige Schwäche Joghurt ist. Wir sind in Phantasma, und das bedeutet eben, dass es keine Regeln gibt.“
„Aber wie sollen wir dann -“, setzte Amy an.
„Wir wissen eines“, unterbrach Mira sie. „Wir wissen, was Samira gesagt hat. Dreizehn der größten Monsterfamilien haben sich hierfür zusammengeschlossen. Und kaum eine Art ist so verbreitet wie der klassische Werwolf. Deswegen ist es so unglaublich wahrscheinlich, dass wir unseren Feind genau kennen. Aber wir dürfen niemals sicher sein. Wenn wir davon ausgehen, dass wir Recht haben, sind wir so gut wie tot.“
Amy rieb sich die Stirn. Sie war müde, und sie hatte Angst. „Was tun wir jetzt?“, fragte sie.
„Wir warten auf die Nacht“, erklärte Samstag und lehnte sich leicht zurück. „Dann gehen wir auf die Jagd.“