Ein verlockendes Angebot:
Max hockte alleine in einer der heruntergekommenen Hütte am Rand des Platzes. An den Wänden verliefen Streifen von Wasserflecken, der Holzboden war gewellt. Draußen pfiff der Wind um das Gebäude. Max starrte aus dem Fenster und verfolgte, wie die letzten Wendigowak der Gruppe aus vier Personen in die Mine folgten.
„Die Wächter sind also immer noch da“, sagte eine Stimme neben ihn. Max fuhr herum, sah einen Schatten neben sich und stolperte beim Zurückspringen über eine Bodendiele. Er stieß gegen die Wand und landete auf dem Boden.
Samira drehte sich um. Ihre Augen funkelten belustigt. „Das ehrt mich, aber der Vor-die-Füße-werfen solltest du dennoch üben.“
„Frau Hain!“, rief Max aus und tastete mit der Hand über die raue Wand, um sich wieder hoch zu ziehen.
„Du sagst das so, als wäre es etwas Besonderes, so voller Furcht und Andacht“, meinte Samira und grinste. „Ich fühle mich geschmeichelt!“
Max klopfte vorsichtig den Staub aus seiner Hose. „Wo … wo kommen Sie her?“
Samira zuckte mit einer Schulter. „Von Zuhause.“
Max starrte sie an.
„Teleportation ist keine große Sache, wenn man meine Macht besitzt“, erklärte Samira schließlich.
„Und welche Macht wäre das?“, fragte Max. Sein Mund war trocken.
Samira machte ein paar Schritte auf ihn zu und war plötzlich so nah, dass er sie hätte berühren können. Er dachte an Maya und ihr Schicksal. Doch weiter zurückweichen konnte er nicht.
„Interessiert dich die Macht?“, fragte Samira mit einer Stimme wie eine schnurrende Katze. „Willst du ebenfalls Macht haben?“
Max konnte nicht antworten. Er fühlte sich wie ein Kaninchen.
Samira berührte seinen Hemdkragen. „Du bist vielversprechend, Junge. Vielleicht können wir dich gebrauchen, mein Bruder und ich. Naja, Halbbruder.“
„Dein Halbbruder?“
„Brandon“, sagte Samira.
„Ach, du meinst -“, setzte Max an, als Samira ihm blitzschnell einen Finger auf die Lippen legte.
„Schh!“, machte die Frau. „Wir wollen doch nicht, dass die Zuschauer gespoilert werden!“
„Zuschauer?“, fragte Max völlig verwirrt.
„Dies ist eine Geschichte“, sagte Samira. „Irgendwer sieht immer zu. Oder liest mit. So oder so, du musst das nicht verstehen. Vielleicht – wenn du mein Angebot annimmst – erkläre ich dir das.“
„Dein Angebot?“, fragte Max.
Samira nickte und strich über seine Wange, fasste dann sein Kinn und zwang ihn, den Kopf zu drehen. Sie musterte ihn prüfend. „Du kannst Macht erhalten. Für einen Preis, versteht sich.“
„Was für ein Preis?“, fragte Max.
„Kannst du dir das nicht denken?“, fragte Samira und ließ ihn los. Sie ging rückwärts in den dunklen Teil des Hauses.
Max brauchte nicht lang zu überlegen.
„Ich muss Jimmy beschützen!“, rief er aus.
Samira lächelte. Bis auf ihre blitzenden Zähne war sie nur noch ein Schemen in der Dunkelheit.
„Ich werde jetzt zusehen, dass Samstags Zirkus kein Problem für uns wird. Überleg es dir, Maximilian.“
Max blinzelte, dann konnte er sie nicht mehr sehen. Er stolperte nach vorne, in die Dunkelheit, suchte die kleine Hütte ab, aber Samira war fort.
Max schluckte. Nein, er musste seinen Bruder beschützen. Jimmy war wichtiger als er selbst.