Mit kritischem Blick betrachtete Zane sich im mannshohen Spiegel welcher im Schlafzimmer seines älteren Bruders und dessen Verlobten stand und fuhr sich erneut mit beiden Händen durch die dunklen Haare, die nun einen wilden Touch hatten und nestelte unzufrieden an dem weißen langärmeligen Hemd herum, da er mittlerweile einen trainierteren Oberkörper als sein Bruder hatte, dessen Kleidung er sich soeben lieh, damit er nicht extra nach Hause fahren musste. Gezwungenermaßen ließ er die obersten fünf Knöpfe offenstehen und verzog den Mund. Die Shirts kamen absolut nicht infrage, da er ansonsten auch direkt ein Top anziehen konnte, weil Ethan nur Slim Fit Shirts im Schrank hatte. Er musste ihn unbedingt wieder mit ins Studio schleifen, oder ihn zum Joggen abholen, damit er ein wenig mehr Muskeln aufbaute, sonst war es das mit dem Leihen von Klamotten, dachte er sich belustigt und war froh darüber das wenigstens die Jeans gut saß. Nicht das er sonderlich eitel war, doch gab es für ihn nichts Wichtigeres an einer Jeans als die Passform. Sonst konnte auch gleich bei den Baggypants bleiben, in denen man keinen Hintern hatte.
Einen Stilbruch musste er mit der begrenzten Auswahl seiner Schuhe begehen, denn die schwarzen Flame Sk8-HI Reissue Vans in Canvas und Wildleder mit aufgedruckten Flammen in der Farbgebung gelb, orange und rot, welche sich von vorn nach hinten zogen, passten nicht vollkommen zu seinem restlichen Outfit und ließen ihn nicht ganz so overdressed aussehen, wie er sich fühlte. Ansonsten hatte er nur viel zu bunte Rainbow Checkerboard SK8-HI in tie dye Optik, mit der obligatorischen Flamme auf dem äußeren seitlichen Teil der Sohle und die wollte er ganz sicher nicht in der Bar anziehen. Einigermaßen zufrieden mit seinem Look verließ er den Raum und wurde direkt von zwei neugierigen Augenpaaren gemustert.
Jetzt guck dir diesen Leckerbissen doch mal ganz genau an… Dieser Typ ist zum Bespringen wie gemacht. Seine Brust, die im übrigen wie aus Stein gemeißelt aussieht, sprengt gleich dieses mega enge Hemd und seine Beine…
Gemma fauchte ihre innere Stimme genervt an und redete sich ein, dass sie auf das geballte Testosteron rein gar nicht reagierte, während sie wusste, dass es keinen Sinn machte. Zane Williams war tatsächlich hot as hell und das musste selbst sie sich eingestehen. Und mit dem neuen Background, dass kein Verwandtschaftsverhältnis sie verband, machte es ihn noch attraktiver. Auch bemerkte sie die aufmerksamen Blicke von Tiara nicht, die sehr wohl den inneren Zwiespalt mitbekam und hoffte, dass Gemma irgendwann über ihren Schatten springen würde und Zane gegenüber offener wurde. Zumindest was den Teil anging, der die Gefühle betraf, die über die nicht existierenden Blutbande hinausgingen. Vielleicht konnte man hier noch nicht von einer Verliebtheit sprechen, jedoch sprang Gemma total auf Zane insgesamt an, auch wenn sie das niemals zugeben würde, sollte sie, Tiara, sie darauf ansprechen. Eher biss Gemma sich die Zunge ab.
Dieses Hemd… es spannt sich so eng um seinen Oberkörper, man könnte es glatt als ‚gefühlsecht‘ bezeichnen, hm? Und es betont seine von der Sonne geküsste Haut, weil es weiß ist – wow, Gemma, wow. Er ist ein richtig dickes Kaliber und mit einem Langweiler, wie Dexter einer ist, nicht zu vergleichen.
„Bist du fertig?“, erkundigte Tiara sich lächelnd bei Zane und dieser nickte leicht. „Bravo. Dann können wir runtergehen und schauen was los ist. Ich werde euch gern ein paar Drinks mixen, wenn ihr wollt.“
Zanes Blick wollte sich nicht von Gemmas Anblick loseisen lassen und er stöhnte innerlich gequält auf. Was zum Henker hatte Tia ihr da für ein Outfit geliehen? Wie um Himmelswillen sollte er garantieren, dass nicht jeder zweite Kerl in der Bar das Sabbern anfing und versuchte sie anzubaggern? Das würde ein Fulltimejob und kein entspanntes Miteinander geben, schwante ihm dunkel. Sie erhob sich von der Couch und trat in die Mitte des Raums, weshalb er eine noch bessere Sicht bekam.
Tiara hatte ihr eines ihrer Hoodie-Kleider in schwarz herausgesucht, welches eine sportliche Note besaß und der Stilbruch ebenfalls bei den Schuhen lag, wie bei ihm, stellte er erstaunt fest und ließ dann seiner zukünftigen Schwägerin einen erstaunten Blick zukommen, welchen sie gekonnt ignorierte, weshalb er sein Augenmerk wieder auf Gemma richtete und nahm überrascht zur Kenntnis, dass die Kapuze mit Kordelzug keinesfalls underdressed für die Lounge wirkte, da dieses lässige und bequeme Kleid durch ein Paar blutroter Lack Pumps mit mörderisch hohen Absätzen aufgepimpt wurde, die ihn schlucken ließen. Ihre Beine waren nackt und er konnte kaum den Blick von ihnen nehmen, um ihr ins Gesicht zu schauen. Sie war dezent geschminkt, trug nur einen roten Lippenstift, ein bisschen Wimperntusche und Eyeliner, wirkte jedoch auf eine sportliche Art und Weise elegant in seinen Augen.
Holy hell, diese Mischung aus sexy und sporty spricht dich total an, nicht wahr? Diese Frau hat wahnsinnige Kurven und Beine die anbetungswürdig lang sind. Wenn sie jetzt schnipsen würde, würdest du laufen und dienen.
Verflucht, diese absolut nervige Stimme hatte Recht. Wenn es sich hierbei nicht um seine Cousine handeln würde, dann gäbe es jetzt keinen Gang in die Lounge – er würde sie über seine Schulter werfen und stantepede zu seinem Auto tragen, damit er sie mit zu sich nach Hause nehmen und in sein Bett bringen konnte. Dort käme sie unter Garantie in den nächsten Tagen nicht mehr heraus und bräuchte danach einige Tage Urlaub, damit sie wieder normal gehen würde können. Doch sie war blutsverwandt mit ihm und tabu, verdammt noch mal. Er musste sie sich aus dem Kopf schlagen, so heiß sie auch war. Dazu diese wilden Locken, die ihr mittlerweile bis knapp über die Mitte ihres Rückens fielen und ihn fast schon aufforderten mit ihnen zu spielen und sie sich um die Handgelenke zu wickeln, taten ihr übriges.
„Dann wollen wir mal“, setzte er ein lässiges Grinsen auf, auch, wenn ihm dazu gerade nicht der Sinn stand, denn ihm wurde klar, dass sie seit ihrer Trennung von Dex und dem Abbruch ihrer Zelte in Seattle einen gewaltigen Satz in Richtung serious beauty gemacht hatte, wo sie vormals eher die natural loveliness war.
* * *
„Wow, wen hast du denn da mitgebracht, Gem?“, begrüßte Ethan sie mit einem Zwinkern. „Hast du diesen seriösen Typen irgendwo aufgegabelt?“
„Nicht ganz. Er ist quasi in mich reingelaufen.“
„Hmm… ich habe vage in Erinnerung, dass du gegen mich gerannt bist“, meinte Zane gespielt nachdenklich und zog die Augenbrauen, mit vor Belustigung zuckenden Mundwinkeln, leicht zusammen. „und fast auf deinen süßen kleinen Hintern gefallen bist.“
Auf den verdammt heißen Hintern, meinst du wohl.
Gemma ließ sich problemlos auf einen der Barhocker gleiten und drehte sich eine gelockte blonde Strähne ihres Haars um den rechten Zeigefinger, während sie unbewusst auf der Unterlippe herumkaute, was dazu führte, dass Zanes Blick wie magnetisch angezogen wurde und er sich auf seinen Bruder konzentrierte, der gerade damit beschäftigt war seine Herzensdame in seine Arme zu ziehen und zärtlich zu küssen. Auf der einen Seite gönnte er ihm sein Glück, andererseits verfluchte er es jedoch auch, denn es zeigte ihm immer wieder, wie einsam er manchmal doch war. Trotzdem konnte er sich nicht vorstellen, es länger als ein paar Nächte mit einer Frau an seiner Seite auszuhalten. Viel zu sehr liebte er seine Freiheit und genoss es, dass er sich nicht verbiegen musste und sein konnte wie er war. Die Frauen, mit denen er bisher gedatet hatte oder mit denen er das Bett für eine Weile geteilt hatte, wollten ihn verbiegen und nach ihren Wünschen formen, was ihn die Beine in die Hand nehmen und flüchten hatte lassen.
Zu freiheitsliebend, zu gut gelaunt, zu viel Zeit mit deinem Tanz-Training, unbezahlte Kurse für Kinder Hip-Hop? Um Gotteswillen – bloß nicht! Zane, du musst dich ändern. Bla bla… Nein, danke, dann lieber Single und frei sein.
„Ich bin noch immer fasziniert von eurer Umgestaltung hier in der Lounge, Ethan“, wechselte der blonde Vamp, in dem Zane noch immer seine unschuldige und freche Gemma suchte, das Thema und sah über ihre Schulter hinweg zur kleinen aber ausreichend Platz bietenden Tanzfläche, wandte sich dann wieder um und grinste. „Wessen Idee war das eigentlich?“
„Tiaras“, beantwortete Ethan mit einem stolzen Blick auf die Frau an seiner Seite und lächelte. „Sie hatte mit ihrer Vermutung, es würde frischen Wind reinbringen, Recht und nach einem kurzen Testlauf haben wir ein wenig umgestaltet. In dieser Ecke hat sowieso kaum jemand gesessen und so kann die freie Fläche standesgemäß genutzt werden.“
„Gilt die Lounge-Bar denn jetzt nicht eher als Club?“, fragte die Blondine mit einem interessierten Blick und begann geistesabwesend einige Strähnen miteinander zu verflechten.
„Schon, aber ich bleibe bei der Bezeichnung Lounge-Bar.“
„Bruderherz, machst du uns schon zwei Irish Black?“, schaltete sich Zane dazwischen und lehnte sich leicht gegen die Theke, trommelte dabei mit seinen Fingern auf dieser herum und Ethan zog verwundert die Brauen nach oben.
„Ihr wollt von dem Barrell?“
„Gem kam auf die Idee“, informierte Tiara ihn schmunzelnd und stellte ihm zwei Gläser bereit.
Da er sich in Hemden noch nie wohlgefühlt hatte, schob er die Ärmel bis über die Ellenbogen und seufzte leise auf, erleichtert darüber, dass er ein wenig mehr Freiraum erhielt, was seinem älteren Bruder nicht verborgen blieb, da dieser gerade den Whiskey vor Zane und Gemma abstellte. Sie prosteten sich mit einem leichten Lächeln zu und Tiara ließ die beiden dabei nicht aus den Augen, was auch Ethan nicht verborgen blieb, weshalb er sich zu seiner Verlobten herunterbeugte.
„Warum lässt du die beiden nicht aus den Augen, Honey?“, fragte er flüsternd.
„Hm? Ich will nur sicher gehen, dass es für Gem okay ist.“
„Warum…?“, fing er seine Frage an, wurde aber durch das Rufen von Jannis unterbrochen und wandte sich in dessen Richtung. „Entschuldigt mich kurz.“
Er entfernte sich und Tiara stützte ihren rechten Ellenbogen in ihre linke Hand, legte den Finger dabei an die Wange und tippte federleicht im Takt dagegen; überlegte, wie sie es anstellte, auch Zane in die richtige Richtung zu lenken, ehe sie dem Schicksal die Führung überließ. Sagen durfte sie ihm nichts, also fiel die direkte Ansprache weg. Aber sollte sie sich wirklich so sehr einmischen? Innerlich seufzend begrüßte sie den Rest der Crew, als die Tür aufging und Zane schlug bei Ben ein, mit dem er ab und an auch mal privat um die Häuser zog.
„Yo, alles fresh?“, grinste Ben ihn an und warf dann einen Blick auf Gemma, bevor er einen leisen Pfiff zwischen den Zähnen ausstieß. „Wow, Gemma?“
„Wer sonst? Die Königin von England?“, gab diese ironisch zurück, was Zane zum Grinsen brachte.
„Du siehst echt heiß aus.“
„Vielen Dank für die Blumen“, erwiderte sie und klang dabei gelangweilt, ehe sie einen Schluck von ihrem Whiskey nahm und das Glas wieder abstellte.
„Kein guter Tag gewesen?“
„Nimm es mir bitte nicht übel, Ben, aber ich habe momentan keine Lust mit dir zu reden.“
„Autsch“, zischte er und fasste sich mit verzogenem Gesicht an die Brust. „Das hat mich getroffen. Falls du doch noch Lust auf Smalltalk bekommst, weißt du wo du mich findest.“
„Wie auch immer“, murmelte sie und fuhr mit dem Zeigefinger langsam am Rand ihres Glases entlang.
Zane sah ihr wie gebannt dabei zu und wunderte sich dabei über das triumphierende Gefühl, als Gem Ben hatte abblitzen lassen. Er war anscheinend überhaupt nicht ihr Typ, wobei selbst Zane zugeben musste, dass Ben ein gutaussehender Kerl war. Knapp ein paar Zentimeter kleiner als er selbst, breit gebaut, aber weniger Muskelmasse. Ben war kein Studiogänger und trieb auch nur hin und wieder Sport, weshalb er vermutlich eher als durchschnittlich bezeichnet werden konnte. Dazu dunkle, fast schon schwarze Augen und braunes kurzes Haar. Doch definitiv war er bei Gemma nicht im Rennen. Und es erleichterte ihn. Mehr als es vermutlich sollte.
Malst du dir etwa doch Chancen aus?
Sie ist meine Cousine, verdammt, grollte er die Stimme in seinem Kopf an und umklammerte sein Glas fester.
Es ist nicht verboten mit seiner Cousine eine Beziehung zu führen und auch die Heirat ist erlaubt.
Aber es können Kinder mit Gendefekten daraus resultieren, weil wir irgendwie doch den gleichen Genpool haben. Und das will ich nicht. Sie ist tabu, klar soweit?, knurrte er in seinem Kopf und musste aufpassen, dass er nicht laut mit dieser sprach.
Du findest sie trotzdem heiß und würdest gern das Bett mit ihr teilen, hm?
„Hast du gerade geknurrt?“, fragte Ben ihn irritiert und Zane blinzelte kurz.
„Habe ich? Kann sein. Ich war in Gedanken“, gab er ausweichend zur Antwort und trank einen Schluck der bernsteinfarbenen Flüssigkeit, die angenehm in seiner Kehle brannte.
„Dir möchte ich nicht nachts im dunkeln begegnen, wenn du sauer auf mich bist, Zane.“
Mit funkelnden Augen blickte Zane ihn an und der lachte leise auf, als er bemerkte, dass er gerade herausgefordert wurde.
„Mister Knister, ich will hier keinen Wettbewerb heraufbeschwören, ganz ruhig“, hob er abwehrend die Hände und warf dann einen Blick über seine Schulter zu Gemma. „Hat er heute noch nichts gegessen? Dann wird er ein wenig unleidlich.“
„Frag ihn doch?“, meinte sie schnippisch und stand dann mit dem Glas in ihrer Hand auf, um vom Barhocker zu gleiten und in die Ecke zu stöckeln, in der die Tanzfläche lag.
In der Nähe dieser ließ sie sich auf einem der Sofas sinken und schlug die Beine lässig übereinander.
„Großes Kino, Ben“, verdrehte Zane genervt die Augen und folgte ihr kopfschüttelnd. „Der Kerl kann manchmal echt anstrengend sein.“
„Hm.“
Er stellte sein Glas auf dem Tisch vor sich ab und lehnte sich dann entspannt zurück, streckte dabei seine langen Beine aus und legte die Arme links und rechts von sich auf die weich gepolsterte Rückenlehne. Die ersten Gäste trafen ein und er beobachtete, wie der Raum sich nach und nach füllte und die unterschiedlichsten Menschen aufeinandertrafen und sich lächelnd unterhielten. Auch die ersten Bestellungen von härteren Mischungen gingen bereits über die Theke und er seufzte leise. Normalerweise stand er lieber hinter der Bar, als hier zu sitzen, aber für Gemma tat er das gern. Wenn sie nun noch ein wenig bessere Laune bekam, konnte der Abend durchaus lustig werden. Vorsichtig betrachtete er sie mit einem Seitenblick und sah, dass sie in Gedanken versunken in ihr Glas starrte als würde sie dort alle Antworten finden, die sie suchte.
Der DJ des ZEE nahm gerade seinen Platz ein und stellte alles mögliche ein, während Zane darüber nachdachte, wie er Gemma von ihren trüben Gedanken ablenken konnte, als sie bedrückt seufzte und das Glas mit in den Nacken gelegten Kopf leerte, ehe sie es auf den Tisch stellte. Ihm klappte der Mund auf, was sie zum Grinsen brachte.
„Was denn? Bist du zu weich dafür?“, provozierte sie ihn mit blitzenden Augen und er zog spöttisch eine Augenbraue hoch, griff nach seinem Glas und tat es ihr gleich. „Du überraschst mich, Zane.“
„Meinst du ich bin nicht trinkfest, nur weil du mich nie trinken siehst, Gem?“
„Hm… vielleicht.“
Musik ertönte und er erhob sich geschmeidig von dem Sofa, hielt ihr seine Hand mit einem aufforderndem Blick hin und grinste sein halbes Grinsen, was sie auch schon so oft bei seinem älteren Bruder Ethan gesehen hatte. Nach einem kurzen Zögern legte sie ihre Hand vertrauensvoll in seine so viel größere und er zog sie sanft hoch, um sie dann zur Tanzfläche zu führen. Aufgeregt flatterte ihr Herz und sie versuchte normal weiterzuatmen, damit er keinen Verdacht schöpfte, während sie sich fragte, ob er es schaffte sie für heute abzulenken.
„Warte kurz, ich bin gleich wieder da“, bat er sie lächelnd und eilte auf den DJ an seinem Pult zu. „Kannst du Flo Rida mit Flow spielen, T?“
„Was hast du vor, Zane?“, grinste T ihn neugierig an und warf einen kurzen Blick zu Gemma. „Willst du vor ihr angeben, hm?“
„Nicht ganz, nein. Ich möchte sie ein wenig von ihren Gedanken ablenken. Und was kann ich am besten?“
„Tanzen, Bruder. Ich verstehe. Geh auf Position, ich gebe dir ein Zeichen“, scheuchte er Zane wieder von seinem Arbeitsplatz weg und lachte leise. „Ich will alles sehen, Kumpel.“
Zane zeigte ihm einen Daumen nach oben und joggte zu Gemma zurück, welche ihn die ganze Zeit über beobachtet hatte.
„Was hast du ausgeheckt, Flame?“, wollte sie wissen und stemmte locker eine Faust in ihre Hüfte.
„Flame?“, war er irritiert und lockerte sich nebenher ein wenig auf, um sich warm zu machen.
„Deine Schuhe. Die, die du heute auf der Bühne bei deinem Auftritt getragen hast waren bunt und hatten auch eine Flamme als Seitenstreifen an der Sohle außen. Scheint also dein Markenzeichen zu sein“, erklärte sie ihren Gedankengang und er grinste sie amüsiert an.
„Na, dann wird das in Zukunft wohl mein Künstlername, hm? Bisher habe ich noch keinen. Ich hatte keinen passenden Namen und wichtig ist er mir eigentlich auch nicht.“
T gab ihm fünf Finger und zählte damit einen Countdown für ihn, weshalb Zane sie entschuldigend ansah, auf die noch leere Tanzfläche sprang und sich in Position brachte. Hoffentlich hielt das Hemd seinen Tanzmoves stand, sonst war er Ethan ein neues schuldig, fuhr es ihm amüsiert durch den Kopf. Mit dem Rücken zu Gem zählte er die verbliebenen drei Sekunden innerlich mit runter, T kündigte ihn, jedoch nicht namentlich, über sein Mikrofon an und startete den Track, woraufhin Zane zu Gemma herumsprang und sich ganz auf seinen Körper konzentrierte und seine Hüften im Takt bewegte, während er den Beat fühlte und sich ganz von seinen inneren Beat verließ, wie sonst auch. Er fixierte Gemma dabei, grinste immer wieder und ließ Arme und Beine sprechen, während er alles andere um sich herum ausblendete und nur noch die Musik, den Beat und das Adrenalin wahrnahm. Das hier war nicht ganz sein Stil, denn er beschränkte sich normalerweise auf ehrenamtliche Auftritte bei Kinderfesten oder anderen Veranstaltungen und gab sein Können nicht im ZEE oder sonstigen anderen Tanzlokalen zum Besten.
Mit einem faszinierten Ausdruck auf dem Gesicht beobachtete Gemma den völlig in seine Tanzeinlage versunkenen Zane und konnte nicht glauben dass er hier und jetzt einfach den DJ anquatschte und sich einen Track wünschte, damit er ihr hier einen Auftritt lieferte, nur um sie aufzumuntern und von ihren Sorgen abzulenken. So kannte sie ihn nicht – denn er tanzte niemals in Discotheken oder anderen Clubs. Lediglich kleinere Veranstaltungen wurden durch ihn bestätigt.
„Wow, wer ist der heiße Kerl auf der Tanzfläche, kennst du den?“, fragte gerade eine gutaussehende Dunkelhaarige, deren Kleid wie eine zweite Haut an ihrem Körper lag, wie Gemma mit einem kurzen Blick feststellte, ehe sie wieder zu Zane sah. „Nein, nie gesehen bisher.“
„Ist das nicht einer der Inhaber? Wie hieß er doch gleich…“, antwortete die kleine zierliche Blondine neben der Dunkelhaarigen nachdenklich. „Mir fällt der Name nicht ein.“
Er heißt Zane. Aber das werde ich euch ganz sicher nicht unter die Nase reiben, dachte Gemma und rollte kurz die Augen, ehe sie sich wieder auf Zane konzentrierte und die beiden Mädchen ausblendete, da sie die Showeinlage genießen wollte.
Zane konnte erkennen, dass die zwei Mädchen an der Tanzfläche, welche unweit von Gemma standen, sich scheinbar über ihn unterhielten und wie Gemma die Augen verdrehte. Vermutlich sinnierten sie, ob sie ihn kannten, was ihn jedoch nicht die Bohne interessierte. Er war nicht hier damit er eine Frau mit nach Hause nehmen konnte, oder sich eine anfing für ihn zu interessieren, sondern um Gemma abzulenken und ihr ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern – doch bisher schien beides nicht aufzugehen und er stöhnte innerlich, bevor er stoppte und nach Atem rang, nachdem der Track vorüber war. Leicht schwitzend drehte er sich zu T um und gab ihm das Handzeichen für Pause, damit er sich an der Bar eine Cola oder ein Wasser organisieren konnte. Als er an den Mädchen vorbei wollte, hielt eine ihn am Unterarm fest und er warf mit einem genervten Blick einen kurzen Blick auf ihre Hand und dann in ihr Gesicht. Es war die größere Dunkelhaarige, die sich augenscheinlich älter geschminkt hatte als sie war. Ihr Lächeln sah gekünstelt auf und er schüttelte ein wenig unwirsch ihre Finger von seinem Arm.
„Sorry, kein Interesse“, sagte er ernst und das Lächeln fiel in sich zusammen als er zu Gemma ging und ihr einen Arm um die Schultern legte, damit er mit ihr zur Bar gehen konnte. „War die Showeinlage nicht überzeugend genug für ein bisschen gute Laune?“
„Der Hüftschwung ist gut, aber am Rest könntest du noch ein bisschen feilen“, meinte sie leichthin und er lachte herzhaft auf, weil sie ihn aufzog. „Ausbaufähig würde ich als Laie sagen.“
„So so. Lass uns etwas trinken und dann zeige ich dir noch eine zweite Choreo zu einem anderen Track, hm? Vielleicht gefällt dir da meine Technik besser. Wenn nicht, musst du mir wohl mal Unterricht bei den Moves geben, die noch nicht so sitzen.“
Er nahm seinen Arm von ihren Schultern und beugte sich zu seinem Bruder über die Theke, um zwei Cola zu bestellen, während Gemma auffiel, dass sie seine Nähe irgendwie vermisste und schüttelte innerlich den Kopf über sich.
Er will nichts von mir, immerhin denkt er noch immer, dass ich seine Cousine bin.
„Ich soll also deine Trainerin für mehr Pep in deiner Choreo sein?“, griff sie das Gespräch wieder auf als er ihr eines der beiden Gläser mit Cola reichte und an der anderen nippte, um ihr direkt antworten zu können.
„Logo. Du hast immerhin meine Schwächen erkannt und gut analysiert.“
„Hm, ich muss erst einmal darüber nachdenken, ob ich dich irgendwo in meinem Terminkalender zwischenschieben kann. Immerhin bin ich eine vielbeschäftigte Frau mit dem Auge für das gewisse Etwas“, meinte sie und sah ihm in die Augen während sie einen Schluck von ihrer Cola nahm. „Aber ich denke, ich werde was freies finden.“
Gemma fragte sich, ob er sie tatsächlich zu einem Training mitnehmen würde, oder ob er das einfach nur so sagte, damit sie ein Gesprächsthema hatten und musterte ihn als könne sie die Antwort von seiner Stirn ablesen, was ihm nicht verborgen blieb. Mit zuckenden Mundwinkeln dirigierte er sie wieder zum Sofa, auf dem sie vorhin gesessen hatten und ließ sich darauf nieder, ehe sie sich zu ihm setzte und ihren Blick durch den Raum und über die Gäste schweifen ließ. Es war heute nicht ganz so voll wie sonst, was ihr jedoch gelegen kam. Auf ein Gedränge hatte sie wenig Lust und genoss die Luft zum Atmen.
„Am Samstag bin ich trainieren, vielleicht hast du Lust und willst mitkommen“, nahm er das Gespräch wieder auf und sah sie fragend von der Seite an.
„Bisher habe ich noch nichts vor – warum also nicht.“
„Perfekt. Dann kannst du mir zeigen, wie ich meinen Tanz verbessern kann“, lächelte er und nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass man sie beobachte, was ihn dazu brachte seinen Kopf zu drehen.
Dort stand Louisa und starrte Gemma mit einem Blick an, den er von ihr bereits zu genüge kannte. Innerlich aufstöhnend fragte er sich, warum sie sich noch immer Hoffnungen machte, mit ihm in eine Beziehung zu kommen. Mehr als nur einmal hatte er ihr deutlich gemacht, dass er nicht der Typ Mann für sie war, den sie sich wünschte und den sich verdiente. Sie war eine liebe und umgängliche Person, die sich bei ihm jedoch in etwas verrannte, was er nicht zu geben bereit war. Außerdem hatte sie sich in den Kopf gesetzt, sie sei die Frau, die Eine, die ihn bekehren konnte, da es in ihren Augen die wahre Liebe schaffte, welche sie ihm entgegenbrachte. Nur leider empfand er für sich nichts in dieser Art, nicht einmal ansatzweise, was über platonische Gefühle hinausging.
Ihre tiefschwarzen Haare hatte sie zu seiner aufwändigen Hochsteckfrisur verarbeitet, ihre schlanke und kurvenreiche Figur steckte in einem dunkelroten Spaghettiträgerkleid, welches in leichten Falten fiel, jedoch ihre langen Beine und ihre vollen Brüste betonte und dennoch an den richtigen Stellen eng anlag. Ihre Füße steckten in farbig dazu passenden Wildleder Sandalen mit Pfennigabsätzen und Schnallen um den Knöcheln. Zane war kein Kind von Traurigkeit, spielte allerdings immer mit offenen Karten, ehe er mit einer Frau das Bett teilte und sagte ihnen klipp und klar, dass sie keine Beziehung mit ihm zu erwarten hatten. Louisa war ebenso informiert, entwickelte aber Gefühle für ihn und seitdem tauchte sie in regelmäßigen Abständen hier auf und versuchte ihn von sich zu überzeugen. Und heute war anscheinend einer dieser Abende.
„Zane“, begrüßte sie ihn mit einem verführerischen Lächeln auf den dunkelrot geschminkten Lippen und einem besitzergreifendem Blick aus ihren funkelnden dunklen Augen. „Ich habe gehofft, dich hier zu finden.“