Das große Feuerwerk begann in wenigen Minuten und auf dem Platz herrschte ein heilloses Gedränge, weshalb Zane schützend seinen Arm um Gemma legte und sie abschirmte, während er ihnen einen Weg durch die Menschenmenge bahnte. Ein paarmal hätte sie fast einen Ellenbogen gegen den Kopf bekommen und er fragte sich, wie man so unaufmerksam durch die Gegend rennen konnte. Die Leute hatten doch Augen im Kopf, die sie nutzen konnten.
Wieder hob er seine Hand und drückte einen stämmigen Kerl beiseite, der Gemma sonst umgerannt hätte und knurrte ihn an, er solle gefälligst hinschauen wohin er rennt, was die Frau an seiner Seite schmunzeln ließ. Ihre Größe war in einem solchen Gedränge nicht gerade von Vorteil, aber mit Zane an ihrer Seite fühlte sie sich sicher, als wären diese vielen Menschen überhaupt nicht vorhanden. Sie keuchte auf, da sie einen Rempler von hinten abbekam und von Zane aufgefangen wurde, ehe sie der Länge nach auf den Boden stolperte.
„Mach die Augen auf, Alter“, fuhr er den Jungspund mit unterdrücktem Unmut hinter ihnen an, der Gemma angestoßen hatte.
„Sorry, war keine Absicht“, hob dieser abwehrend die Hände und grinste verlegen. „Mein Kumpel hat mich geschubst und ich konnte mich nicht eher abbremsen. Kommt nicht wieder vor.“
„Will ich dir auch geraten haben“, erwiderte Zane unwillig, schlang seinen Arm um Gem und manövrierte sie einmal quer durch den Menschenstrom. „Ich hab die Nase voll. Wir machen es ganz anders.“
„Was hast du vor, Zane?“, warf sie ihm einen kurzen Seitenblick zu und er grinste verschlagen.
„Ich kenne da ein nettes Plätzchen, von dem aus man einen viel besseren Blick hat und vor allem seine Ruhe vor diesem Herumstoßen.“
Mit zielstrebigen Schritten ging er mit ihr durch den angrenzenden Park, der verlassen und schummrig dalag und hielt sie dabei fest an seiner Seite. Gemma warf einen prüfenden Blick über ihre Schulter und sah die bunten Lichter des Fests durch die Bäume und Büsche schimmern, ehe sie ihren Blick wieder geradeaus fokussierte und neugierig war, wohin er sie führte. Nach wenigen Metern bog er rechts ab und ging mit ihr einen leicht zu übersehenden schmalen Pfad durch die Gebüsche, der zu einem Anstieg führte.
„Wow, was ist das für ein Ort?“, hauchte sie verwundert und war fasziniert.
Hinter diesem Wildwuchs hätte sie keinen Hügel erwartet, von dem aus man einen relativ guten Blick in den Himmel hatte. Da es sich um ein Höhenfeuerwerk handelte, würde man mit Sicherheit das Meiste von hier aus beobachten können. Vom Park aus sah dieser Bereich aus, als ob das Ganze hier nur ein Ort war, an dem die Natur sich ausbreiten konnte. Ein unberührter Platz, zu dem es keinen Zugang gab. Doch Zane hatte einen gefunden; vermutlich schon vor einiger Zeit. Ob er oft herkam und in den Himmel blickte? Sie würde es an seiner Stelle tun, wenn sie den Kopf freibekommen wollte.
„Hier komme ich schon seit einigen Jahren immer wieder her, wenn ich meine Ruhe haben will und Sterne beobachte. Hilft beim Nachdenken und Entscheidungen fällen“, verriet er ihr verschwörerisch und sie lachte leise. „Ich habe mich häuslich hier eingerichtet, da ich glaube, dass hier kaum bis gar keiner herkommt.“
Sie beobachtete ihn dabei, wie er eine dunkelgrüne Plane aus einem der Gebüsche zog und auf dem Boden ausbreitete, der aus harter Erde bestand, die nicht bewachsen war, bevor er eine Plastikbox hervorzog und den Deckel mit einem kleinen Schlüssel aufschloss, welchen er von der Kette nahm, die er um den Hals trug und ihr bislang überhaupt nicht aufgefallen war.
„Trägst du die Kette immer?“, fragte Gemma verwundert und er schüttelte grinsend den Kopf.
„Die habe ich heute um, weil ich schon vermutet hatte, dass ich die Geduld verliere, weil jedes Jahr ein solcher Andrang beim Feuerwerk herrscht und ich nicht der Geduldigste bin“, erwiderte Zane und klappte den Deckel auf, um eine große Decke hervorzuzaubern, die er ihr reichte und eine zweite zu Tage förderte. „Also bin ich vorbereitet.“
„Ich bin beeindruckt, Mister Williams“, grinste sie amüsiert und sah ihm dabei zu, wie er die Decke, welche er in den Händen hielt, über der Plane ausbreitete und sich darauf niederließ.
Sie ließ sich neben ihm nieder und legte die noch zusammengefaltete zweite Decke vor sich ab, damit sie es sich bequem machen konnte. Den Kopf legte Gemma in den Nacken und betrachtete den Himmel über sich, lächelte und drehte dann ihr Gesicht Zane zu, der sie betrachtete und mit den Armen hinter sich abstützte, während sein linkes Bein lang vor ihm ausgestreckt lag und das rechte angewinkelt war.
„Nichts besonderes“, schüttelte er den Kopf und sah dann selbst in den Nachthimmel. „Wobei ab und an ist es hier doch besonders.“
„Inwiefern?“, hakte sie nach und betrachtete sein Profil mit einem lautlosen Seufzen.
„Das wirst du noch sehen, Gem. Lass dich einfach überraschen. Das Feuerwerk geht auf jeden Fall gleich los“, grinste er er nach einem prüfenden Blick auf seine Uhr und ließ sich dann auf den Rücken sinken, während er die Arme im Nacken verschränkte. „Hier nervt wenigstens niemand und tritt einem auf die Füße.“
„Da hast du wohl Recht“, lächelte sie und blickte dann erwartungsvoll in den Himmel, damit sie nicht anfing Zane anzustarren und eine angenehme Stille senkte sich über diesen Ort.
Lediglich die Musik und das Stimmgewirr des Fests wehten seicht zu ihnen hinüber und sie atmete die frische Luft tief in ihre Lungen, ehe sie kurz zusammenzuckte, da das Feuerwerk begann und sie kurz abgelenkt war, entspannte sich dann aber wieder und beobachtete, wie die Raketen am Himmel zerschellten und ein bunter Funkenregen sich ausbreitete. Sie hatte bereits als Kind Feuerwerke geliebt und konnte auch als Erwachsene nicht abstreiten, dass es eine gewisse Faszination in ihr auslöste. Lächelnd vergaß sie alles um sich herum und bekam nicht mit, wie Zane sich überhaupt nicht für das Geschehen am Himmel interessierte, sondern die Frau betrachtete, die sein Herz in ihren Händen hielt und es immer wieder höherschlagen ließ.
Ihr Gesicht strahlte pure Freude aus, die ihn automatisch mitlächeln ließ und setzte sich auf, damit er unauffällig sein Handy aus der Hosentasche ziehen und ein Foto von ihr machen konnte. Die bunten Farben auf ihrer Haut, bedingt durch das Feuerwerk, ließen sie wirken, als wäre sie aus einer Saga entsprungen. Zane verstaute das Gerät wieder in seiner Tasche und hob den Blick zum Himmel, damit er wenigstens ein wenig von dem Feuerwerk mitbekam. Eigentlich interessierte es ihn nicht, doch er wusste wie sehr Gemma sich darauf jedes Mal freute, weshalb er sie hergeführt hatte und gern mit ihr in den Himmel sah.
„So schön“, sagte sie leise und seufzte dann, den Blick auf das Spektakel am Nachthimmel geheftet.
„Ja, wunderschön“, lächelte er und meinte nicht die Geldverschwendung über Gemma und sich, sondern betrachtete – mal wieder – sie. „Es gibt nichts was ich mir lieber anschauen würde.“
„Seit wann findest du Feuerwerke schön?“, wollte sie wissen und drehte ihm ihr Gesicht verwundert zu. „Wirst du etwa alt?“
Ihr Grinsen ließ seine Mundwinkel amüsiert zucken, doch er unterdrückte den Drang ihr Grinsen zu erwidern. Wie gern würde er sie jetzt an sich ziehen und küssen, doch er widerstand diesem Verlangen und seufzte innerlich auf. Er wollte es langsam angehen lassen und nichts überstürzen, obwohl alles in ihm danach schrie. Zane hatte sich nun jahrelang in Selbstbeherrschung geübt und würde die nächste Zeit locker schaffen. Dieses Mal hatte er ein klares Ziel vor Augen und setzte alles dran es zu erreichen. Sollte es nicht auch Gemmas Wunsch sein, dann hatte er zumindest alles versucht, um ihr Herz für sich zu gewinnen.
Nachdenklich sah er zu, wie die letzten Raketen am Horizont ihren Glanz verloren und Gemma seufzte wehmütig auf, weil sie nun nichts mehr an diesem Ort hielt, denn im Dunkeln auf diesem Hügel zu sitzen war vermutlich nicht das Abendprogramm, welches Zane vorschwebte. Sie sah ihn an und stellte fest, dass er noch immer in den Himmel blickte und mit seinen Gedanken weit weg zu sein schien, weshalb sie ihn nicht ansprach, sondern lediglich betrachtete.
„Schließ deine Augen, Gem“, hörte sie ihn leise sagen.
„Was? Warum?“
„Tu es einfach“, lächelte er und sah sie aus dem Augenwinkel an. „Vertrau mir.“
Leise seufzend schloss sie die Augen und wartete gespannt ab, was als nächstes passierte, während Zane langsam aufstand, sich direkt hinter ihr auf die Decke setzte und seine Beine links und rechts neben ihre schob. Sanft legte er seine Arme von hinten um ihre Taille, und legte sein Kinn auf ihrer rechten Schulter ab, beobachtete aufmerksam die Umgebung und dankte Mutter Natur für ihre kleinen Wunder, während er darauf wartete, dass er Gemma auffordern konnte, ihre Augen wieder zu öffnen.
„Ist dir etwa kalt?“, grinste sie in diesem Augenblick und er lachte leise auf, während sie seinen unglaublichen Duft in ihre Lungen atmete.
„Nein, mir ist warm. Ich dachte nur dir könnte vielleicht kalt werden“, erwiderte er schmunzelnd und zählte innerlich gemächlich bis zehn. „Augen auf“, hauchte er an ihrem Ohr.
Gemma öffnete ihre Augen und schnappte überrascht nach Atem, als sie sah, dass um sie herum die Glühwürmchen aus ihrem Schlaf erwacht waren und nun ein sanftes diffuses Licht verbreiteten. Niemals zuvor hatte sie bislang diese Tiere beobachten können und kannte sie nur aus Erzählungen, Filmen und Büchern. Und nun erlebte sie dieses Naturphänomen aus nächster Nähe, weil Zane seinen Lieblingsort mit ihr teilte und sie hergebracht hatte. Ergriffen legte sie ihre Hände auf seine Unterarme und lehnte sich vertrauensvoll an seine Brust, während sie dem Schauspiel ihre volle Aufmerksamkeit schenkte und nicht fassen konnte, dass sie in den letzten Tagen mehr erlebt hatte, als in den vergangenen Jahren. Wie hatte aus der unternehmungslustigen Gemma eine Gemma werden können, die gar nicht bemerkte, wie unglücklich sie eigentlich war? War Zane eigentlich bewusst was er für sie tat? Wie sehr er sich darum bemühte, sie glücklich zu machen und zum Lächeln zu bringen? Hatte sein kurzer Kuss an der Getränkeausgabe mehr zu bedeuten gehabt, als sie bisher annahm?
* * *
Noch immer konnte Louisa nicht glauben was Jack gesagt hatte. Er wollte sie offiziell daten, trotz der ganzen Schikanen, die sie über sich ergehen lassen musste, wenn sie in ihrem natürlichen Look herumlief? Ganz bewusst wollte er sich mit ihr sehen lassen und hatte obendrein auch noch klargemacht, dass er sie verteidigen würde, sollte man sie beleidigen oder anderweitig bloßstellen wollen. Sie saß auf der Couch und hatte eine der Decken um sich geschlungen, während Jack das Chaos in Flur und Bad beseitigte und fragte sich, ob sie sich in ihn verlieben könnte. Er war ein wirklich toller und einfühlsamer Mann, bedachte sie mit einer aufrichtigen Aufmerksamkeit, die sie nie zuvor erleben durfte und zeigte ihr, wie ernst er es meinte. Jeder andere Typ wäre jetzt verschwunden und hätte sie in ihrem Elend allein gelassen. Nicht aber er.
„Hast du Hunger?“, erkundigte er sich just in diesem Moment und sah ins Wohnzimmer hinein.
Überrascht blickte sie von dem Muster der Decke auf und sah ihn an.
„Irgendwie schon, ja…“, gab sie dann leise zu und er grinste jungenhaft.
„Darf ich deine Küche benutzen?“
„Oh? Sicher, ja… Soll ich dir zeigen, wo du was findest?“
Louisa machte Anstalten aufstehen zu wollen doch Jack schüttelte den Kopf und winkte ab.
„Lass nur, ich schaue mich einfach um und sollte ich etwas bestimmtes suchen, rufe ich dich einfach. Mach es dir bequem und entspann dich ein wenig.“
Nachdem er ihr zugezwinkert hatte, verschwand er wieder und sie blinzelte verblüfft, ehe sie sich dabei ertappte, wie sie seinen Namen murmelte. Mit einem kleinen Seufzer stand sie dennoch von der Couch auf, schaltete die LED-Kette in den beiden Bücherregalen neben dem TV an und schlang die Arme um ihren Oberkörper, um sich selbst zu umarmen. In ihrem kleinen Reich hatte sie sich bislang immer wohlgefühlt, doch irgendetwas störte ihren inneren Frieden heute. Wäre Jack nicht hier und würde sie umsorgen, hätte sie ein kleines Problem, befürchtete sie. Und ihr wurde unwohl bei dem Gedanken daran, dass er nach dem Essen vermutlich wieder verschwinden würde. Tränen brannten in ihren Augen und sie sog ihre Unterlippe zwischen die Zähne um nicht zu weinen.
Sich umschauend sah Jack sich in der geräumigen Küche um und öffnete Schränke, Schubladen und Kühlschrank, damit er wusste, was er wo fand und mit was er ein Essen zaubern konnte. Sie hatte, wie erhofft, alles da, was er verwenden konnte um einige Tomaten-Pesto-Crostini zu zaubern, welche ihr hoffentlich schmecken würden. Konzentriert wusch er die Kirschtomaten und den Rosmarin, welchen er danach zupfte, schnippelte alles zurecht wie er es brauchte und kümmerte sich danach um eine die Knoblauchzehen welche er kleinhackte, ehe er die drei vorbereiteten Zutaten auf ein tiefes Blech gab und mit Olivenöl und Balsamico-Essig beträufelte um danach alles mit Salz, Pfeffer und Zucker zu verfeinern und zu vermischen. Zufrieden schob er das Ganze in den Herd und warf einen Blick auf die Uhr. In fünfzehn Minuten musste er das Brot in den Ofen legen, welches er bereits zurechtgelegt hatte und nur noch mit Öl beträufeln musste.
Um Louisa nicht so lang allein zu lassen, betrat er das Wohnzimmer und sah sie sofort vor dem Fernseher stehen, die Arme um sich selbst geschlungen, den Kopf gesenkt. Sein Herz zog sich für einen Augenblick zusammen, ehe er, mittlerweile ebenfalls barfuß, da er seine Schuhe im Flur ausgezogen hatte, leise zu ihr ging und sie wortlos mit den Rücken an seine Brust zog, damit er sie fest umarmen konnte. Sie zuckte minimal zusammen, ließ diese Geste jedoch zu und verspannte sich kein bisschen, was ihn ungemein beruhigte. Nichts lag ihm ferner, als sie sich noch unwohler fühlen zu lassen als sowieso schon.
„Ist alles in Ordnung, Bellezza?“, fragte er leise und sie nickte und schüttelte gleichzeitig ihren Kopf. „Willst du darüber reden?“
Sie schien darüber nachzudenken und seufzte dann leise.
„Ich habe darüber nachgedacht, wie einsam ich eigentlich bin. Meine Familie ist zwar groß, aber irgendwie haben wir immer alle unser eigenes Ding gemacht… außerdem habe ich nur eine wirkliche Freundin…“
„Gia?“, hakte er nach, froh über sein Namensgedächtnis.
„Ja… Gia. Wobei viele, die sie kennen, jetzt sagen würden, sie habe einen schlechten Einfluss auf mich“, gab sie zu und biss sich kurz auf die Unterlippe. „Was irgendwie auch stimmt. Dennoch ist sie für mich da, wenn ich sie brauche. Momentan allerdings…“
Jack drehte sie in seinen Armen vorsichtig zu sich herum und schaute ihr offen ins Gesicht, von dem er noch immer vollkommen hin und weg war. Die hellgrünen Augen ließen sie noch anziehender wirken als die dunklen. Dazu die neckischen Sommersprossen und das natürlich schöne Gesicht an sich. Am liebsten hätte er davon nun ein Foto gemacht, riss sich aber zusammen und streichelte sanft über ihren Rücken.
„Sie hat keine Zeit und du verfällst in Grübeleien?“, riet er und wusste er hatte Recht, noch bevor sie ein knappes Nicken andeutete. „Das Gefühl kenne ich zu gut. Man sitzt abends auf der Couch, starrt auf den Fernseher und sieht doch nicht was dort über die Mattscheibe flimmert. Und wenn man es doch für einige Sekunden aufschnappt, findet man es banal und der Aufmerksamkeit nicht wert. Danach fragt man sich unweigerlich, warum man eigentlich einen tollen Abend allein verbringt und wo die Freude alle abgeblieben sind, welche man zur Schulzeit hatte. Und dann legt sich eine Traurigkeit über einen, die einen dann irgendwann dazu zwingt, sich ins Bett zu verkriechen und sich die Decke über den Kopf zu ziehen und zu hoffen, dass man schnell einschläft, damit dieses Gedankenkarussell endlich ein Ende nimmt.“
Mit offenem Mund starrte Louisa ihn an und er presste die Kiefer aufeinander, weil er gerade sein Inneres nach außen gestülpt und ihr einen kleinen Einblick hinter seine Fassade gewährt hatte, bevor er diese wieder hochzog und ihr ein aufmunterndes Lächeln schenkte.
„Du bist tiefgründiger als ich angenommen habe, Jack.“
„Oh, du kennst nur einen winzigen Bruchteil bisher. Willst du mich wirklich kennenlernen, dann musst du schon ein wenig mehr Zeit mit mir verbringen, hm?“, schenkte er ihr ein halbes Grinsen, was ihn verwegen aussehen ließ und ihr ein kleines Lächeln entlocken konnte.
„Was duftet eigentlich so köstlich?“, wechselte sie das Thema und er unterdrückte ein amüsiertes Grinsen, weil er genau spürte, dass sie noch zurückhaltend war.
„Ich mache gerade den Tomaten-Pesto-Crostinis. Schon mal welche gegessen?“
„Nein, bisher nie. Ich bin gespannt wie es schmeckt. Kochst du viel selbst?“
„Ab und zu. Für mich allein lohnt sich der Aufwand nicht, aber ich bekoche ab und an gern meine Freunde, wenn es sich anbietet“, erwiderte er und nahm sie bei der Hand, damit er sie mit in die Küche nehmen konnte. „Meistens beschränke ich mich auf sowas wie jetzt.“
Bevor Louisa etwas sagen oder reagieren konnte, fasste er sie sanft an der Taille und setzte sie ohne Anstrengung auf die Arbeitsplatte, damit sie sich keine kalten Füße auf den Fliesen holte. Ihm selbst machte es nichts aus, denn zu Hause lief er nur barfuß herum. Nach einem prüfenden Blick in den Ofen nahm er das tiefe Blech heraus und stellte es auf das Ceranfeld des Herds, legte die sechs Scheiben Brot auf das Rost, auf dem Backpapier ausgelegt war, und träufelte mit flinken Fingern Öl darüber, damit es für drei Minuten rösten konnte.
„Mund auf“, sagte er und hielt ihr einen Löffel voll Schmorsud vor die Lippen. „Achtung, heiß.“
Louisa oder der Sud?
„Hmm… lecker“, schwärmte sie mit einem anerkennenden Lächeln.
Sie nahm schlürfte vorsichtig etwas Sud vom Löffel und leckte sich unbewusst über die Lippen, um auch den letzten Rest dieser überraschenden Köstlichkeit zu erhaschen, was Jack schlucken ließ, bevor er den Rest vom Löffel leckte und ihn in die Spüle legte. Die drei Minuten waren um und er holte das Brot aus dem Ofen nachdem er diesen ausgeschaltet hatte, legte es auf einen länglichen Servierteller und strich Frischkäse auf die Scheiben, damit er eine Mischung aus Pesto, welches er ausnahmsweise aus einem Glas nahm und sonst selbst herstellte, Tomaten und Sud darauf verteilen konnte. Die fertigen Teller stellte er auf den kleinen Küchentisch, nahm Besteck aus der entsprechenden Schublade und legte es neben die Teller.
„Es ist angerichtet“, eröffnete er feierlich und hob sie von der Arbeitsplatte, damit sie sich auf einen der Stühle setzen konnte. „Was möchtest du trinken, Vortice?“
„Eistee, bitte“, erwiderte sie und wartete geduldig, bis er mit zwei gefüllten Gläsern an den Tisch kam und sich ihr gegenüber setzte. „Danke.“
Mit einem Lächeln begannen sie zu essen und ein angenehmes Schweigen füllte die Küche, während jeder seinen Teller betrachtete. Wobei das nicht ganz stimmte, denn Jacks Blick stahl sich immer wieder heimlich zu Louisa und bewunderte ihre natürliche Schönheit. All das Make-Up brauchte sie nicht, denn sie verdrehte ihm auch so den Kopf. Es grenzte für ihn an ein Wunder, dass sie noch niemand an sich gebunden hatte, wobei in dieser Hinsicht wieder dieser Sebastian ins Spiel kam, der mit seinen Aktionen nicht nur ein paar Stöcke zwischen ihre Beine geworfen hat, sondern sie richtiggehend in Schwierigkeiten gebracht hatte. Ihr Ruf war angeknackst. Wenn er ihren Worten glauben schenken konnte, dann hatte er bereits tiefe Risse, die es zu kitten galt. Und hierbei sprach er nicht vom stümperhaften Einsatz mit Bauschaum, sondern meinte eine professionelle Reparatur ihres Rufs. Das wiederum brachte Jack selbst auf den Plan, denn er würde dafür sorgen, dass die Menschen schwiegen und sie in Ruhe ließen. Aber alles zu seiner Zeit.
„Das war unglaublich appetitlich und sättigend“, seufzte Louisa zufrieden und lehnte sich zurück.
„Freut mich. Nichts besonderes, dennoch lecker. Vor allem schnell zubereitet.“
„Wenn du alle Gerichte so gut hinbekommst, darfst du mich gern öfter bekochen“, sprach sie aus, was sie dachte und fragte sich zeitgleich, was in sie gefahren war. „Vermutlich werde ich alles mögen was du auf den Teller bringst.“
Schmunzelnd betrachtete er sie und stellte fest, dass sie exakt das aussprach was sie dachte, jedoch eigentlich nicht für seine Ohren bestimmt war. Doch sie trug ihr Herz auf der Zunge und konnte wohl nicht aus ihrer Haut. Diese Tatsache würde ihm vielleicht das ein oder andere Mal in die Karten spielen, wenn er nicht mehr weiterkommen sollte. Er leerte seinen Eistee, räumte den Tisch ab und ließ aus einer spontanen Entscheidung heraus Wasser in das Spülbecken, damit er das wenige Geschirr per Hand abwaschen konnte.
„Ich habe eine funktionierende Spülmaschine, weißt du?“
„Für das Bisschen brauchst du keinen Geschirrspüler der über eine Stunde mit viel Wasser spült. Geht doch so viel schneller, hm?“
„Wenn du das sagst. Dann trockne ich aber ab.“
Sie bewaffnete sich mit einem Trockentuch und war innerlich froh ihn noch ein wenig länger um sich haben zu können, denn in seiner Nähe fühlte sie sich wohl und konnte eine Zeitlang vergessen was passiert war. Flink wusch er die Teller, die Gläser und das Besteck ab und kümmerte sich dann um das Blech, während sie alles nach und nach abtrocknete und ihn bei seinem Tun heimlich beobachtete. Er hatte so viele Facetten, die sie immer wieder ins Staunen versetzten. Charmant, stark, klug, empathisch, beschützend, stur und vor allem heiß wie die verdammte Hölle. Sein Humor war hier und da auch schon hervorgeblitzt, doch Louisa vermutete, dass er sich zurückhaltend gegeben hatte was das anbetraf. Sie trocknete das Blech ab und stellte es auf die Arbeitsplatte, ehe sie das feuchte Geschirrtuch zum Trocknen aufhängte.
„Siehst du – schon fertig“, zwinkerte er ihr mit einem kleinen charismatischen Lächeln zu und ließ das Wasser ab, wischte sich dann, wie selbstverständlich, die Hände an der Hose ab.
„Du hättest auch das Trockentuch nehmen können“, amüsierte sie sich und er grinste spitzbübisch.
„Wo bleibt denn dann der Spaß?“
Mit einem belustigten Kopfschütteln blickte sie ihn für einen Moment lang nachdenklich an.
„Hast du noch Lust auf einen Film? Oder willst du nach Hause?“, fragte sie dann und atmete innerlich tief durch, weil sie sich vor seiner Antwort ein wenig fürchtete.
„Ich habe nichts vor. Was hast du denn im Angebot?“, lächelte er sie an.
„The Nun soll ganz gut sein, habe ich gehört“, erwiderte sie, nachdem sie innerlich aufgeatmet hatte, weil er noch nicht ging. „Ein Horrorfilm.“
„Du schaust Horrorfilme?“, war Jack verwundert und sah sie nicken.
Er folgte ihr ins Wohnzimmer und setzte sich gemeinsam mit ihr auf die Couch. Sie nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein, damit sie den Film über Netflix starten konnte und zog sich dann die Decke heran, damit sie sich darin einmummen konnte, was ihn innerlich zum Schmunzeln brachte, da sie richtiggehend verloren aussah in dieser überdimensionalen Kuscheldecke. Wie gebannt sah sie auf die Mattscheibe und er konnte nicht aufhören sie immer wieder heimlich anzuschauen und ihre natürliche Schönheit zu bewundern. Es ging ihm nicht in den Kopf, wie man auf die irrsinnige Idee kam sie als hässlich zu bezeichnen, so wie Sebastian es augenscheinlich getan hatte.
Er konzentrierte sich für eine Weile auf den Film und stellte fest, dass dieser einfach nur verdammt grauenhaft war. Aber nicht im Sinne von gruselig, sondern grauenhaft schlecht. Kopfschüttelnd sah er fast alle Szenen voraus und fragte sich wie man so einen Schund als Schocker des Monats anteasern konnte. Als sein Blick wieder zu der Frau an seiner Seite wanderte, stellte er fest, dass sie eingeschlafen war. Sie hatte sich, mit ihrem süßen Hintern in seine Richtung, auf der Seite zusammengerollt und ihr Gesicht halb in der Decke vergraben. Wie hatte er sich so auf den Film fixieren können, ohne das mitzubekommen? Erstaunt über sich selbst stand er leise von der Couch auf, beugte sich über sie und küsste ihre Stirn, ehe er die Decke richtig über sie ausbreitete und dann den Fernseher ausschaltete, damit er möglichst lautlos in die Küche gehen und ihr eine Nachricht auf dem Whiteboard an der Wand hinterließ, auf dem sie sonst vermutlich ihre Einkäufe und Termine notierte, welches momentan jedoch leer war, sodass er ausreichend Platz zur Verfügung hatte.
Melde dich bei mir, Bellezza. Jederzeit, egal was dir auf dem Herzen liegt. PS: denk an unser Date. Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen ;) - Jack
Dazu schrieb er seine Handynummer und hoffte, sie würde ihn kontaktieren, denn er wollte nicht übergriffig sein und sie anrufen oder ungebeten bei ihr vor der Tür auftauchen. Er hatte sich entschuldigt und sie hatten einen schönen Abend miteinander verbracht. Nach einem kurzen letzten Blick auf ihre schlafende Gestalt verließ er schweren Herzens ihre Wohnung und machte sich auf den Weg nach Hause. Zu gern wäre er geblieben, wollte sich ihr allerdings in keinem Fall aufdrängen. Ihm blieb lediglich die Hoffnung, dass er ihr Interesse zumindest ansatzweise geweckt hatte und sie ihm eine Chance gab ihn besser kennenzulernen.