„Lass uns ins Tagada, hm? Ich muss meine überschüssige Energie loswerden, sonst platze ich gleich“, schlug Zane vor und Gemma konnte sehen, wie angespannt und beherrscht er war.
„Überschüssige Energie?“
„Dieses Frauenzimmer regt mich auf und ich kann nichts weiter tun, als ihr wiederholt mitzuteilen, dass sie ihre Finger und alles andere von mir lassen soll. Scheinbar spreche ich jedoch undeutlich oder in einer fremden Sprache, welche sie nicht versteht.“
Oh. Er sprach also von Louisa. Und so wie es aussah, war er wegen ihrer Aktion wütend. Ein gutes Zeichen für Gemma, ein ziemlich schlechtes allerdings für Louisa.
„Verständlich“, sagte Gemma und unterdrückte ein erleichtertes Auflachen. „Wobei sie echt was zu bieten hat.“
Versuchst du ihn damit zu ködern, Gem? Was erhoffst du dir davon?
Zane lachte kurz und humorlos auf und schüttelte dann seinen Kopf. Zu bieten? Louisa? Nein, nicht für ihn. Vielleicht konnte sie Jack um ihren Finger wickeln, aber an ihm prallten all ihre Versuche ab, denn sein Herz war seit Jahren vergeben und er glaubte nicht, dass irgendjemand es schaffte dies zu ändern. Für die Frauenwelt war er verdorben, denn nur Gemma hatte die Macht ihn um den kleinen Finger zu wickeln, wenn sie es wollte.
„Oh nein, Gem. Sie zieht gerade eine Show ab, da kannst du mir erzählen was du willst. Ich habe sie komplett anders kennengelernt. Sie hat damals ihren kleinen Bruder von einem meiner Tanzkurse im Jugendtreff abgeholt und kam in viel zu weiten Klamotten dort an. In das Shirt hätte sie locker zweimal reingepasst und ihre Haare waren zu einem Dutt zusammengebunden, den ich persönlich eher als Vogelnest bezeichnen würde“, erklärte er und fuhr sich mit einer Hand durch sein dunkles Haar. „Ungeschminkt, total schüchtern.“
Verblüfft sah Gemma Zane an.
„Ernsthaft? Wir sprechen schon noch von der Louisa dort hinten?“, fragte sie und deutete über ihre Schulter vage in die Richtung aus der sie gekommen waren.
„Jup. Deswegen kann ich dir versichern, dass sie mit voller Absicht provoziert. Und ich vermute hinter dem Ganzen Gia. Diese Person konnte ich noch nie leiden.“
„Ihre rothaarige Freundin?“
„Genau die“, zuckte er seine Schultern und sah Gemma dann mit einem halben Lächeln an. „Lass uns ins Tagada, hm? Ich mag nicht mehr über das Thema reden und hoffe, Jack wird Louisa irgendwie in den Griff bekommen. Ansonsten tut er mir jetzt schon leid.“
„Jack und Louisa?“, wunderte sie sich und dann fiel der Groschen. „Oh. Du hast also vorhin heimlich mit ihm telefoniert? Der Adler ist gelandet und reißt das Zebra. Wirklich, Zane?“
Ihr Strahlen ließ ihm das Herz aufgehen und er schob einen Arm um ihre Taille, hielt sie an der rechten Hüfte fest und dirigierte sie zu dem Fahrgeschäft, in das er unbedingt rein wollte. Und wenn Gemma nun noch bei ihm war, würde es die Erfahrung perfekt machen.
„Ich glaube, er hat sein Herz an sie verloren. Aber ihres zu erobern wird die größte Herausforderung in seinem Leben, glaub mir“, sagte er und seufzte dann leise. „Der Adler muss gezähmt werden, sonst reißt er weitere Opfer, die nicht gefressen werden wollen.“
„So wie sie es bei dir versucht“, bemerkte Gemma und genoss das Muskelspiel unter ihrer Hand, die an seiner Taille lag. „Ich bin gespannt, ob er es schafft.“
Ohne sie loszulassen kaufte Zane die Fahrkarten für Gemma und sich und reihte sich in der Warteschlange ein, damit er wieder bessere Laune bekam. Der Zwischenfall mit Louisa hatte ihm diese nämlich gründlich verhagelt, was nicht allzu oft vorkam, denn normalerweise war er eine Frohnatur, was auch Gemma nur zu gut wusste, weshalb sie sich vornahm ihn wieder aufzuheitern.
„Ich wette mit dir, ich kann mich besser im Tagada halten als du, Zane.“
„Meinst du? Bist du dir sicher, dass du mit mir wetten möchtest?“, wollte er halb überrascht und halb amüsiert von ihr wissen. „Bisher war ich immer ein klein wenig besser als du.“
„Das wird sich jetzt ändern“, grinste sie zu ihm hoch und aus ihren blauen Augen blitzte der Schalk.
„Was ist denn der Gewinn?“
„Wenn ich gewinne habe ich einen Wunsch frei“, sagte sie nach kurzem Überlegen und er legte den Kopf schräg. „Welchen genau, entscheide ich hinterher.“
„Du spielst mit unfairen Mitteln, Gem“, schüttelte er leicht belustigt seinen Kopf.
„Findest du? Was ist dein Wunschgewinn?“
Mit einem diabolischen Grinsen sah er sie an und sie schluckte. Diesen Gesichtsausdruck kannte sie nur zu gut.
„Das, meine liebe Gem, verrate ich dir nicht. Denn ich werde gewinnen und dir meinen Wunschgewinn auf dem goldenen Tablett präsentieren. Keine Vorbereitungszeit, denn die bekomme ich von dir ja auch nicht.“
„Einverstanden.“
* * *
Louisa ließ sich unwillig zu einer der Parkbänke führen und setzte sich, ehe sie ihre Beine übereinanderschlug und ihn aus schmalen Augen misstrauisch ansah. Jack fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und suchte nach den richtigen Worten, damit sie nicht direkt wieder hochfuhr und ihm vermutlich noch die Augen auskratzte, während er sie aus dem Augenwinkel betrachtete. Was in Herrgotts Namen hatte sie da bloß an? Er stellte sich eher die Frage, was sie nicht anhatte. Niemals hatte er sich für eifersüchtig gehalten, doch dieses… Outfit… weckte diese in ihm. Jeder Mann der die Augen über ihren Körper gleiten ließ, wurde, ob gewollt oder ungewollt, schon fast ihr Liebhaber. Bei den Göttern, sie war fast nackt.
„Lass mich bitte erst sprechen, bevor du etwas dazu sagst, okay?“, bat er, innerlich ein nervöses Wrack, unterdrückte den Drang sich erneut durch die Haare zu fahren und seufzte schwer. „Ich bin nicht sonderlich gut darin meine Gefühle und Emotionen in Worte zu packen, sondern eher der Macher. Also bitte lege nicht jedes einzelne Wort auf die Goldwaage, hm?“
„Ich kann nichts versprechen, Topolino.“
Mit einem amüsierten Blick verschränkte er die Arme vor seiner Brust und blieb an Ort und Stelle stehen, sah sie an und fand zu seiner alten lässigen Fassung zurück, weil sie ihn auf Italienisch als Mäuschen bezeichnet hatte. Ganz so egal konnte er ihr also nicht sein, wenn sie ihm, ob bewusst oder unbewusst, versuchte die Nervosität ein wenig zu nehmen.
„In Ordnung, Topolina, ich versuche es dir zu erklären“, schenkte er ihr einen Anflug eines Grinsens. „Ich bereue nicht, dass ich dich geküsst habe. Nur um das zuerst klarzustellen. Ich bereue lediglich, dass ich es mitten in der Öffentlichkeit getan habe...“
Sie öffnete ihre vollen Lippen und wollte ihn vermutlich wieder anfauchen, oder er schüttelte mit ernstem Blick seinen Kopf, was sie dazu brachte ihren Mund wieder zu schließen. Was zur Hölle machte dieser Mann mit ihr? Sie wollte aufbegehren und ihm am liebsten den hübschen Hals umdrehen und doch schaffte er es, dass sie still blieb und bereit war ihm einfach zuzuhören. Warum tat er das?
„Du bist nicht irgendeine Frau, die man gegen die Seitenwand eines Eiswagens pinnt und schon fast dort nimmt. Das, was ich getan habe, kommt schon fast einem Überfall gleich. Und das ist das Letzte, was ich im Sinn hatte. Ich möchte, dass du das willst, was ich auch möchte. Aus freien Stücken und nicht weil ich dich überrumple, weil du mich einfach um meine Selbstbeherrschung gebracht hast, indem du mit deiner Zunge fast die Eiswaffel zum Erzittern gebracht hast“, erklärte ihr seine Denkweise und sie konnte erkennen, dass seine Augen sich um eine weitere Nuance verdunkelt hatten. „Weißt du, was du mir für Bilder in den Kopf gepflanzt hast mit dieser Zungenakrobatik, Vortice?“
„Sag du es mir, Jack.“
Mit einem in der Luft wippendem Fuß und verschränkten Armen beobachtete sie ihn und fragte sich, ob er wirklich so war, wie er sich gerade beschrieben hatte. Sie hatte den Kuss am Eiswagen nicht als Überfall gewertet, sondern als dass was es war – als ziemlich heiß. Noch nie hatte ein Mann sie so geküsst. Weder mit solch Leidenschaft noch öffentlich oder an einer Seitenwand im Schatten während jeder sie hätte sehen können. Außerdem war er auch von ihr erregt gewesen, was bis dato noch nie vorgekommen war. Bisher hatte sie nur wirklich feuchte Küsse bekommen ohne jegliche Empfindungen auf beiden Seiten… und das Einzige was sie als Beziehung titulieren konnte, war die Sache mit Sebastian gewesen. Louisa verzog ihren Mund unwillig, als sie an ihn dachte und schüttelte innerlich den Kopf, um ihn daraus zu verscheuchen.
Jack beobachtete sie aufmerksam und bekam mit, als sie ihren zum Küssen wie gemachten Mund sah, welcher sich für einen Moment verzog. Vermutlich bekam sie das noch nicht einmal mit. Was verbarg sie hinter ihrer eisernen Maske und der fast unzähmbaren Wut?
„Ich habe mir gewünscht dass das Eis etwas anderes wäre“, gab er ihr verzögert eine Antwort und konnte sehen wie sie leicht errötete, sich ansonsten keine Gefühlsregung anmerken ließ.
„Du sagst bestimmt jeder Frau, die du anziehend findest, dass du sie ausziehen willst. Was genau soll ich mit diesen Aussagen nun also anfangen?“
„Ich will mich bei dir entschuldigen, Louisa“, sagte er aufrichtig und seufzte innerlich, weil sie noch immer kratzbürstig war und er sie am liebsten in seine Arme ziehen und küssen wollte, bis sie zur Besinnung kam und merkte, wie ernst er es meinte. „Bis zu dem Moment mit dem Eis wollte ich es langsam angehen, weil…“
Sie sah ihn an und zog langsam eine Augenbraue in die Höhe.
„Weil…?“
Weil du mich reizt, wie mich noch nie eine Frau gereizt hat. Weil du die pure Sinnlichkeit bist, auch wenn du dezenter geschminkt bist und mehr an deinem Wahnsinns Körper hast. Weil ich dich auch dann mehr als nur anziehend finde, wenn du Angst hast und dich an mich klammerst. Weil ich drauf und dran bin mein Herz an dich zu verlieren und mich rettungslos in dich zu verlieben. Selbst, wenn du jetzt die Unnahbare und Selbstbewusste mimst, um mich auf Abstand zu halten, Louisa.
„Ich möchte dich kennenlernen.“
„Du kennst mich doch bereits, oder nicht?“, war sie nun irritiert und blinzelte ihn kurz an.
„Louisa, möchtest du ein Date mit mir?“, änderte er spontan seine Strategie, trat näher an sie heran und hielt ihr auffordernd eine Hand entgegen. „Bitte geh mit mir aus. Ganz offiziell.“
* * *
„Honey, was ist los?“, fragte Ethan sanft und hockte sich neben Tiara, die vornübergebeugt auf der Couch im Loft saß und ihre Faust mit gesenktem Kopf an ihre Stirn drückte.
„Wie kann sie bloß so unvernünftig sein?“, kam die leise Antwort von ihr und er seufzte leise. „Sie will keine Kinder und dann springt sie betrunken mit dem erst besten Typen in die Kiste, lässt sich in den drei dort verbrachten Tagen schwängern – obwohl sie nicht einmal seinen Namen wusste – und fragt mich nun allen Ernstes, ob ich an ihrer Stelle lieber abtreiben oder mich für das Baby entscheiden würde?“
Er schüttelte fassungslos den Kopf und setzte sich dann neben sie auf die Couch, um sie sanft an seine Brust zu ziehen. Traurig seufzend lehnte Tiara sich an ihn und sah zu ihm hoch.
„Wie will sie es großziehen, wenn sie es behält, wenn sie nicht einmal ihr eigenes Leben im Griff hat, Ethan? Ich habe sie echt lieb und will sie wirklich unterstützen, aber sie macht es sich verdammt einfach und versucht mich in die Verantwortung zu ziehen. Sage ich, sie soll es behalten und sie macht es, dann wird sie mir vermutlich ihr ganzes weiteres Leben Vorhaltungen darüber machen, wenn es nicht klappt wie sie es sich vorstellt… treibt sie es ab, weil ich ihr diesen Rat gebe… und sie bereut es hinterher, wird unsere Freundschaft daran zerbrechen. Da bin ich mir sicher. Was also, glaubt sie, was ich tun soll?“
„Sie muss ihre Entscheidung selbst treffen“, sagte er sanft und hauchte ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. „Du bist ihre beste Freundin, aber du bist nicht Diejenige, die über Leben und Tod ihres Kindes entscheiden sollte.“
„Du hast Recht, aber…“, fing sie leise an und Ethan legte einen Finger auf ihre Lippen.
„Nein, Honey. Da gibt es kein Aber. Sei für sie da, egal welche Entscheidung sie für sich trifft und unterstütze sie darin. Sie muss zwar die Entscheidung allein fällen, jedoch den Weg nicht allein gehen, denn dafür hat sie dich – als ihre Freundin an ihrer Seite. Oder sehe ich das falsch, hm?“
Mit großen Augen sah Tiara ihn an und ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus, während sie feststellte, dass es stimmte und er ihr einen Rat gegeben hatte, der ihr wirklich weiterhalf. Glücklich seufzend schwang sie sich auf seinen Schoß und legte ihre Arme um seinen Nacken, um ihn voller Liebe zu küssen. Ethan seufzte leise in ihren Mund und umfasste mit einem leichten Grinsen ihren Hintern, denn er hatte schon die den halben Abend Sehnsucht nach ihr.
„Willst du schauen, ob Lilli noch unten ist?“, erkundigte er sich trotz seines Verlangens bei ihr und sie schüttelte den Kopf.
„Nein, sie ist weg. Da brauche ich nicht erst nachschauen. Sie braucht jetzt ihre Ruhe und wird sich bei mir melden, oder ich melde mich bei ihr. Das entscheide ich morgen spontan. Lilli wird heute alles abblocken, was mit mir zu tun hat, da ist sie sehr eigen.“
„Dann habe ich dich ja doch noch für mich allein. Ich kleiner Egomane ich“, grinste er sie verführerisch an und knöpfte langsam ihre Bluse auf, was sie zum Kichern brachte.
„Du bist ein Teufel…“
„Nein“, widersprach er ihr mit einem halben Grinsen und wackelte mit den Augenbrauen. „Ich bin dein Teufel. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied.“
* * *
„Sie sind aktuell die Einzigen die fahren möchten“, ertönte die Stimme einer Mitarbeiterin dicht bei ihnen. „Suchen Sie sich also einen Platz aus.“
„Nur wir beide?“, deutete Zane fragend auf Gemma und sich und die Mitarbeiterin winkte sie lächelnd weiter. „Wie aufregend. Zumindest kann uns niemand wegrammen.“
„Du könntest mich wegrammen, Zane“, erwiderte Gemma lakonisch und lachte dann leise, als er sie in die Seite knuffte.
Gemma, Gemma, Gemma… ich wusste gar nicht, dass du so zweideutig sein kannst. Ob ihm das wohl grade aufgefallen ist?
Gemeinsam setzten sie sich auf die gepolsterte Bank und Gemma sah sich neugierig um. Ein Kreis mit zwei halbrunden Polsterbänken über denen mehrere Stangen zum Festhalten angebracht waren, hohe Schutzwände, die ebenfalls gepolstert waren, und ansonsten nacktes Metall, wo das Auge hinsah. Nicht sehr vielversprechend, wenn man hier drin stand oder saß, jedoch hatte sie einige Fahrten beobachten können und wusste somit, dass man wirklich Schwierigkeiten hatte sich auf seinem Platz zu halten und nicht durch die Gegend zu hüpfen oder zu stolpern.
Als sie beide auf ihren Plätzen waren, wurde die Durchsage mit den Sicherheitshinweisen gemacht und ein freudiges Kribbeln machte sich in Zane breit, denn er liebte den Nervenkitzel. Gerade diese Attraktion reizte ihn seit Jahren, denn durch seine Leidenschaft zu Tanz und Musik hatte er ein feines Körpergefühl und war sicher, dass er sich mit Leichtigkeit aufrecht halten konnte, wenn er es versuchte.
Der Betreiber betätigte das Startsignal und das Ganze fing an sich zu bewegen, langsam und stetig, fing dann an sich schneller zu drehen und Gemma hielt sich halb lachend und halb beunruhigt an den Stangen links und rechts über ihrem Kopf fest, während Zane noch vollkommen entspannt neben ihr saß und begeistert vor sich hingrinste. Die Mechanik wurde eingesetzt und die komplette Apparatur neigte sich nach vorn, sodass die Schwerkraft eintrat und Gemma, wenn sie den höchsten Punkt erreichten, ihre Schwierigkeiten hatte sich auf der Bank zu halten. Zane hingegen wagte sich in den Stand und nahm das Wippen sanft aus den Knien heraus mit, damit er nicht stolperte, was Gemmas Kinnlade aufklappen ließ. Er würde doch nicht…
„Das ist gar nicht so schwer, wenn man ein bisschen Physik versteht und Körpergefühl hat“, lachte er begeistert auf und wippte schon fast im Takt der Musik bis zur Mitte, wo die Erschütterungen nicht allzu schwer zu sein schienen.
„Zane, was tust du“, rief sie und versuchte ihre Angst um ihn nicht durchblitzen zu lassen.
„Spaß haben, Gem.“
Sie biss sich auf die Unterlippe und beobachtete ihn, brauchte zwei Anläufe um es ihm nachzuahmen, blieb unsicher stehen und versuchte den richtigen Takt zu finden, während sie schluckte und ein Stoßgebet zum Himmel schickte. Dann hatte sie den Dreh halbwegs raus und folgte Zane langsam und sah dabei wohl nicht ganz so elegant aus wie er, wenn er sich hier bewegte, da sie hier und da stolperte.
„Ganz easy peasy“, scherzte Gemma und hielt mit ihren Armen die Balance, um nicht zu fallen.
„Gem“, entfuhr es ihm leicht erschrocken und ließ seinen Blick prüfend über sie huschen. „Füße locker, aus den Knien heraus wippen und den Oberkörper dabei leicht nach vorn beugen, wenn das Ganze sich neigt, hörst du?“
„Aye“, presste sie hervor und setzte seine Anweisungen in die Tat um, was ihn stolz zum Grinsen brachte. „So?“
„Wir haben zwei mutige Fahrgäste, einen kleinen Applaus für die zwei Artisten“, erklang die Stimme des Betreibers aus den Boxen und einige Besucher klatschten tatsächlich. „Ich würde euch empfehlen, dass ihr euch hinsetzt, denn jetzt wird es richtig extrem. Wir drehen voll auf und ich möchte ungern Verletzungen durch Stürze vermeiden.“
Zane hob einen Daumen in die Luft, als Zeichen, dass sie den Rat befolgen würden und nahm Gemma bei der Hand, damit sie sicher an ihre Plätze gelangten. Sofort schob Gemma ihre Finger wieder um die Stangen über sich und spannte ihren Körper an, als es anfing heftiger zu ruckeln und zu wippen. Zane warf ihr besorgte Blicke zu, da sie sich kaum halten konnte und sie versuchte ihn beruhigend anzulächeln, was ihr nicht unbedingt gelang.
„Zeit für ein bisschen Zweisamkeit“, ertönte es mit einem Grinsen in der Stimme über die Lautsprecher. „Und hepp!“
Überrascht sah Zane auf, als Gemma mit einem heftigen Ruck halb über seinem Schoß saß und erkannte, dass sie rot geworden war, was ihn ein Grinsen unterdrücken ließ, denn er wollte sie nicht noch weiter in Verlegenheit bringen. Nach einem weiteren Ruck, ausgelöst durch einen der Pressluft-Zylinder, rutschten ihre Hände von den Stangen ab und er griff beherzt nach ihr, damit sie nicht hart auf dem Metallboden aufschlug, um sie fest an seine Brust zu ziehen, entkam durch seine Aktion selbst nur knapp einem Sturz und schob den rechten Arm durch die Metallstangen, damit er vernünftigen Halt bekam und mit dem linken Arm Gemma festhalten konnte, die sich mit einer Hand an ihn klammerte und mit der anderen an die Stange.
„Das sieht nach einem verdammt wilden Ritt aus, ihr beiden. Da geht doch noch mehr, oder?“, kam es amüsiert über die Lautsprecher und Zanes Blick flog zum Aufenthaltsraum, in dem der Betreiber hinter einer Plexiglasscheibe saß und alles überschauen konnte. „Schaut euch diesen Hüftschwung an, Mädels, so macht man das.“
Nicht sein verdammter Ernst, fuhr es Zane halb verärgert und halb belustigt durch den Kopf, als er die Person sah, die sich das Mikrofon geborgt hatte und zu ihnen sprach, während der Betreiber sich gemütlich auf seinem Bürostuhl zurückgelehnt hatte und nur die Knöpfe und Schalter bediente.
„Gem, schling deine Arme und Beine um mich so gut es geht, damit ich beide Hände und Arme frei habe“, brachte Zane angestrengt hervor und hörte sie nach Luft schnappen. „Vertrau mir.“
Mit zusammengepressten Lippen hielt sie sich beidhändig an den Stangen fest, stemmte sich mit den Füßen in eine halb stehende Position und wartete den Moment ab, in dem die Gravitation ihr gelegen kam und nickte Zane zu, der, ebenfalls mit beiden Händen die Stangen umklammerte, die Hüften nach vorn schob und spürte, wie Gemmas Beine sich um ihn schoben, ehe sie tief durchatmend für einen Moment ihre Augen schloss.
„Beide Arme zeitgleich, Gem.“
Leise fluchend positionierte er seine Hände anders und fand so einen bequemeren Halt und sah ihr tief in die Augen, wartete den richtigen Moment ab und raunte ihr ein „Jetzt“ zu. Mit wild klopfendem Herzen löste sie die Finger beider Hände von den Stangen, schob ihre Arme um seinen Nacken und drehte den Kopf so, dass sie nicht zusammenstießen und sie ihn sich auch sonst nirgends anschlug.
Nun trug er ihr Gewicht mit und spannte seinen Körper an, damit sie nicht zusammen von der Bank flogen, was jedoch deutlich angenehmer war, als sich entweder Sorgen um Gemma zu machen, weil sie sich selbst kaum halten konnte, oder von ihr – im wahrsten Sinne des Wortes – geritten zu werden. Vor aller Augen. Zumal es ihn so verdammt erregte, dass er nicht einmal etwas dagegen gehabt hätte, wenn sie ihn hier und jetzt richtig bestiegen hätte. Fuck – er war eindeutig chronisch untervögelt. Aber seitdem er festgestellt hatte, dass er sie wollte und keine andere, konnte er sich keinen One-Night-Stand mehr suchen. Es ging nicht. Spätestens nach dem flüchtigen Kuss in Ethans Wohnbereich war sein Kopf bezüglich Sex mit anderen Frauen ein einiges kahles Nichts.
„Einen großen Applaus für diesen Superhelden mit der grandiosen Körperspannung. Nächster Halt: Endstation“, kam die Ansage und Zane stöhnte innerlich erleichtert auf.
Das Tagada stoppte langsam und Zane ließ vollkommen verschwitzt seinen Kopf nach hinten gegen das Polster sinken, während er die Augen schloss und die Spannung aus seinem malträtierten Körper wich. Sein Atem ging stoßweise, wie nach einem anstrengenden Lauf und er war froh, dass Gemma sich nicht verletzt hatte und es ihr gut ging. Vollkommen erledigt löste er seine schmerzenden Finger von der Stange legte sie achtlos auf Gemmas Hüften. Nur nebenbei nahm er wahr, dass sie ihre Arme von seinem Nacken nahm, ihre Hände sein Gesicht umfassten und er hob seinen Kopf an, damit er sie anschauen konnte. Er wollte sich vergewissern, dass es ihr auch wirklich gut ging.
Gemma lächelte ihn zittrig an, hatte dabei Tränen in den Augen, was ihn leicht zusammenzucken ließ, denn er ertrug es nicht, wenn es ihr schlecht ging. Als er etwas sagen wollte, schüttelte sie den Kopf und ehe er sich fragen konnte, ob sie sich doch verletzt hatte, senkte sie ihren Kopf zu seinem und küsste ihn mit einer Inbrunst, die ihm den Atem stocken ließ, ehe ihm die Augen zufielen und er ihren Kuss verlangend erwiderte, wobei seine Hände sich in ihren Nacken schoben, damit er mit seinen Daumen ihre Wangen streicheln konnte. Sein Herz quoll fast über vor lauter Gefühlen für diese Frau und er war sich sicher, dass er nur ohnmächtig geworden war und das ganze träumte. Wenn er die Augen aufschlug, würde er vermutlich ausgestreckt auf dem harten Boden des Tagada liegen und in den Sternenhimmel blicken.
„Ja hallooo – ich würde ja sagen ihr müsst jetzt bitte aussteigen, aber diesen Moment muss man einfach nur festhalten. Schaut euch das an, Freunde der guten Unterhaltung. So muss ein Kuss aussehen wenn er perfekt ist.“
Zane knurrte leise in den Kuss und Gemma löste überrascht den Kuss, damit sie ihn fragend anschauen konnte.
„Ich bringe ihn um…“, raunte er mit rauer Stimme und seine Augen blitzen in einer Mischung aus Verlangen und Zorn auf.
„Wen?“, fragte sie irritiert nach und leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen, was Zane dazu brachte, ihr auf diese zu starren und zu schlucken.
„Jannis.“
Noch immer konfus folgte sie seinem Blick und drehte ihren Oberkörper ein wenig, damit sie sah, wohin genau er schaute. Verblüfft sah sie auf Jannis, der, von einem Ohr bis zum anderen grinste, neben dem Betreiber stehen und winken, was Gemma fast von Zanes Schoß fallen ließ, hätte er sie nicht blitzschnell und knurrend an der Taille festgehalten und wieder an sich gedrückt.
Natürlich kam diese saublöde Aktion von seinem besten Freund; von wem auch sonst? Zane würde ihn genüsslich erwürgen, ehe er ihn an den Füßen baumelnd ans Tagada band und höchstpersönlich den Knopf für die wilde Fahrt betätigte, weil er es gewagt hatte, Gemma in Gefahr zu bringen, nur weil Jannis darauf spekulierte dass Gemma und er, Zane, sich näherkamen und sie ihn küsste, als gäbe es kein Morgen mehr. Wie konnte Jannis davon ausgehen, dass Zane sich und auch Gem halten konnte, bis das Fahrgeschäft anhielt. Was zur verdammten Hölle war in diesen Kerl gefahren?
Vermutlich der heiße Typ neben ihm auf dem Stuhl, der seine Hand mit Sicherheit gerade heimlich über die Kehrseite von Jannis gleiten lässt, was man von hier aus jedoch nicht erkennen kann.
„Ich…“, wollte er schon aufknurren und erstarrte dann wie vom Donner gerührt, als ihm auffiel, was ihm gerade alles durch den Kopf gegangen war. Jannis hatte den Betreiber um einen Gefallen gebeten, dass alles war kein Zufall.
„Zane?“, kam es leise und unsicher von Gemma und er sah sie alarmiert an. „Es tut mir leid, ich…“
Es traf ihn wie ein Amboss. Sie hatte ihn geküsst. Und nicht nur ein bisschen, sondern voller Leidenschaft und Verlangen, so, wie auch er es verspürt hatte, als ihre Lippen für ihren ersten Kuss aufeinandergetroffen waren und er alles um sich herum ausgeblendet und sich voll und ganz auf Gemma konzentriert hatte. Seine süße Gemma hatte ihn wirklich einfach vor aller Augen geküsst. Auf dem Präsentierteller.
Sie machte Anstalten von seinem Schoß zu klettern, da er sie nur stumm mit einem Blick anschaute, den sie nicht zu deuten wusste und schluckte trocken, weil sie glaubte, mit diesem Kuss alles zerstört zu haben, weil ihre Gefühle sie vollkommen übermannt hatten. Angst um sich, Angst um Zane und dann die pure Erleichterung, weil vor allem ihm nichts passiert war. Und dann hatte sie ihn einfach geküsst. Und verdammt, dieser Kuss war einfach alles was sie jemals wollte und von dem sie nicht gewusst hatte, dass sie es brauchte. Ja, er hatte den Kuss erwidert, aber vermutlich war das reiner Reflex. Nun sah er sie einfach nur an und sagte nichts mehr.
Eine eisige Hand griff nach ihrem Herz. Gemma hatte es verbockt, da war sie sich absolut sicher. Sie hätte, wie Tiara mehrfach gedrängt hatte, mit ihm reden sollen, dann wüsste er nun, dass er sich keine Gedanken machen musste. Doch nun hatte sie ihn vor aller Augen geküsst. Mitten auf dem Tagada.