Gemma hielt sich wacker und konnte ohne große Probleme auf ihren High Heels durch die Lounge laufen, wobei Zane sich immer in ihrer Nähe aufhielt um notfalls einzugreifen und sie zu stützen, sollte sich das schlagartig ändern. Leise kichernd ging sie in Richtung der Damentoiletten und amüsierte sich über das Klacken ihrer Absätze, während sie ihrem Begleiter immer wieder heimliche Blicke unter ihren Wimpern zuwarf und sich fragte, ob er heute allein nach Hause gehen würde, oder er eine der vielen willigen Damen abschleppte, die ihm eindeutige Signale zusandten, welche sogar sie glasklar empfing. Gönnen würde sie es ihm – vielleicht fand er endlich seine Mrs. Right, die ihn auf den Pfad der festen Beziehung führte. Irgendwo musste es sie schließlich geben.
„Bin gleich wieder da“, nuschelte sie und betrat die Sanitäranlagen der Frauen, um sich Erleichterung zu verschaffen.
Sie richtete ihre Kleidung und verließ die Kabine, um sich die Hände zu waschen und stellte naserümpfend fest, dass diese Louisa mit einem anderen Mädchen zusammen vor dem großen Spiegel stand, der sich einmal über alle vier Waschbecken zog und ihr Make-Up auffrischte. Der Blick von Louisa traf Gemmas über ihre Spiegelbilder und innerlich seufzend trat sie neben die Rothaarige, damit hier schnell wieder rauskam. Gemma verzichtete auf ein näheres Kennenlernen und vermied einen weiteren Blickkontakt während sie sich die Hände mit den Papiertüchern abtrocknete und diese im Mülleimer verschwinden ließ.
„Macht es Spaß?“, sprach Louisa sie an und Gem drehte ihr erstaunt das Gesicht zu.
„Wie bitte?“
„Ob es Spaß macht mit Zane? Ich meine – ist er gut im Bett? So wie alle erzählen?“, präzisierte die Dunkelhaarige ihre Frage und zog ihre feinen Augenbrauen zusammen. „Er soll gut bestückt sein.“
„Was? Ich wüsste nicht was dich das anginge. Wenn er wollen würde, dass du das wissen solltest, würdest du es ganz sicher merken“, war Gemma perplex und strich sich eine blonde Strähne aus der Stirn. „Es tut mir leid, aber scheinbar hat er an dir kein Interesse in diese Richtung.“
„Ich wüsste nicht, wieso du das beurteilen können solltest? Du kennst mich überhaupt nicht und vermutlich bist du für ihn eine genauso oberflächliche Bekanntschaft wie alle anderen Frauen auch. Hoffnungen solltest du dir also keine machen“, äffte Louisa schnippisch zurück und funkelte sie aus dunklen Augen an. „Genieße seine Aufmerksamkeit, denn bald wird er vom Markt sein und mir gehören.“
„Hör zu, Louisa, richtig?“, setzte Gemma an und hob beschwichtigend ihre Hände. „Niemand gehört einem anderen. Man gehört zu jemandem, wenn man das möchte und der Gegenpart das auch so sieht. Aber der Partner ist kein Gegenstand welchen man in Besitz nehmen kann.“
„Wer hat dich eigentlich nach deiner persönlichen Weltanschauung gefragt?“, mischte sich nun die Rothaarige schnippisch ein und besah sich ihre tiefrot lackierten Fingernägel interessiert. „Du bist für Zane nicht interessant; du bist blond, klein und außerdem hast du noch blaue Augen. Guck dir doch bitte all die Frauen an, mit denen er zusammen gesehen wurde. Findest du den Fehler?“
Gemma kniff ihre Augen ein wenig zusammen und presste die Lippen aufeinander, damit sie nicht ihre Krallen ausfuhr und sie dem Mädchen durch das Gesicht zog. Sie war hier eindeutig die Erwachsene von den dreien und sollte ihre Contenance bewahren und sich nicht in einen Kleinmädchenkrieg hineinziehen lassen, weshalb sie eine wegwerfende Handbewegung in der Luft machte und sich auf den Weg zur Tür nach draußen machte, als sie von einer schmalen Hand an der Schulter herumgerissen und hart ins Gesicht geschlagen wurde, was sie zum Aufkeuchen brachte.
„Wage es nicht dich einfach umzudrehen und zu gehen, bitch“, funkelte die dunkelhaarige Louisa sie feindselig an und hielt noch immer ihre Hand erhoben. „Lass deine dreckigen Finger von ihm.“
„Das lass ihn sich selbst aussuchen“, zischte Gemma auf und ignorierte das Brennen in ihrem Gesicht und ihrer Unterlippe, um keine Schwäche zu zeigen. „Er ist alt genug um selbst zu entscheiden mit wem er sich trifft und mit wem nicht. Und nun entschuldigt mich bitte.“
Mit einem erzwungenen Lächeln, welches sie vor Schmerz innerlich zusammenzucken ließ, drehte sie sich wieder zur Tür und öffnete sie schnell, ehe eine der beiden Verrückten reagieren und sie wieder davon abhalten würde. Sie biss sich fest auf die Unterlippe und stürmte vorwärts, wollte möglichst viel Distanz zwischen sich und diese Mädchen bringen und in Ruhe ihre Wunden lecken.
Zane rief ihr hinterher, doch sie schien ihn nicht zu hören und war regelrecht auf der Flucht, konnte jedoch nicht einschätzen, ob sie ihn einfach aufgrund des Alkohols kurzzeitig vergessen hatte, oder ob irgendetwas hinter der geschlossenen Tür passiert war. Hin- und hergerissen ihr zu folgen und zu warten wer die Sanitäranlagen als nächstes verließ, entschied er sich für letzteres, da er wusste, dass Ethan, Tiara und Jannis ein Auge auf Gemma haben würden, wenn sie zunächst allein an die Bar zurückkehrte und verschränkte die Arme vor der Brust, während er sich an die Säule hinter sich lehnte und wartete.
„Zane“, lächelte Louisa zuckersüß, nachdem sie ihn erblickte und wollte auf ihn zugehen, blieb jedoch wie angewurzelt stehen als sie seinen dunklen lodernden Blick sah. „Was ist los?“
„Das, Louisa, frage ich dich“, erwiderte er und seine Stimme war eine einzige Warnung.
„Was soll los sein?“, kicherte sie und schob sich eine dunkle Haarsträhne hinter ihr Ohr. „Ich war nur kurz mit Gia dort drin.“
Während sie sprach, deutete sie mit dem Daumen über ihre Schulter. Sein Blick fixierte ihren und er beherrschte sich nur mühsam, denn irgendwas war dort drin vorgefallen und egal was es war, es konnte nichts gutes gewesen sein. Zane musste sein Revier markieren und die Mädchen in ihre Schranken weisen. Ein für alle Mal. Nicht dass Gemma sich nicht selbst zur Wehr setzen konnte und würde, jedoch gab es gewisse Dinge, die sie tief trafen, auch wenn sie es sich möglichst nicht anmerken lassen wollte. Eigentlich hatte er immer gedacht, Louisa war im Grunde ein nettes Mädchen, doch anscheinend steckte mehr Biest in ihr als angenommen.
Gerade als er etwas erwidern wollte, hörte er seinen Namen und blickte in die Richtung aus der die Stimme kam. Tiara drängte sich zwischen den Gästen hindurch und entschuldigte sich lächelnd, ehe sie auf ihn zueilte und sich auf Zehenspitzen zu stellen und ihn bei den Schultern zu fassen, damit sie ihn zu sich herunterziehen konnte. Sie wollte ihm etwas zuraunen und er beugte sich bereitwillig zu ihr herab, damit sie sich nicht so strecken musste.
„Louisa hat Gem geohrfeigt, Zane. Sie wurde von den beiden zur Rede gestellt und als Gemma gehen wollte, wurde sie an ihrer Schulter zurückgehalten und hat einen Schlag abbekommen. Ihre Unterlippe ist aufgeplatzt. Mit viel Überredungskunst habe ich das aus ihr herausbekommen, da sie durch den Wind ist und eigentlich nur ihre Tasche holen und nach Hause wollte.“
„Sie hat was?!“
Sein Puls beschleunigte sich und er trat bedrohlich auf Louisa zu, die ihn mit vor Schreck geweiteten Augen anstarrte und rückwärts gegen ihre Freundin prallte, die bereits mit dem Rücken an der Wand stand und nirgends hin konnte. Zane atmete tief durch um nicht zu explodieren und knurrte leise auf, während er widerwillig das Handgelenk von dieser Natter ergriff und sie hinter sich herzog. Er nahm keine Rücksicht und ließ sie jammernd hinter sich herstolpern, während alles in ihm brüllte, dass er sie loslassen sollte. Es fühlte sich an, als würde sie ihm die Hand versengen; doch er hatte eine Mission und die würde er durchziehen, koste es was es wolle.
„Erkläre das“, forderte er sie auf als er ihre Hand losließ und sie an seiner Hose abwischte als habe er etwas ekelhaftes angefasst. „Sofort!“
Strauchelnd kam Louisa zum Stehen und hielt sich beide Hände an die Brust, blickte von einem zum anderen und keuchte leise auf, als Zane einen Schritt auf sie zumachte. Er hatte seine Kiefer fest aufeinander gepresst und wartete auf eine Erklärung für Gemmas aufgeplatzte Lippe, die er nicht bemerkt hatte als sie an ihm vorbeigerannt und vor den beiden Mädchen geflüchtet war. Zane konnte deutlich die roten Male erkennen, die er als Handabdruck identifizierte. Ethan stand dicht neben Gemma und hatte seinen rechten Arm schützend um ihre Schultern gelegt. Ihr Wimpern warfen dunkle Schatten auf ihre Wangen und sie mied jeglichen Blickkontakt Louisa gegenüber.
„Louisa“, sagte er gefährlich ruhig und die Angesprochene wimmerte kaum hörbar, ehe ihre Augen von ihm zu Gemma huschten und sie sich auf die Lippen biss. „Erkläre uns, was passiert ist. Was das in Gemmas Gesicht ist. Jetzt.“
„Wir haben uns nur unterhalten…“
„Wage es nicht mich anzulügen. Du kennst nur meine nette Seite, doch ich schwöre dir, ich kann auch vollkommen anders. Und ich rede nicht von Gewalt – denn die verabscheue ich Frauen gegenüber“, unterbrach Zane sie warnend. „Aber vielleicht sollte ich mit deinem Dad ein Wort sprechen und ihn darüber informieren wie sein liebes Töchterchen sich in der Öffentlichkeit benimmt und den Namen der Familie durch den Dreck zieht als wäre sie eine verzogene Göre die ihren Willen nicht bekommt.“
„Das wagst du nicht“, zischte sie nun zornig und machte einen Satz auf ihn zu, wollte ihm mit den Fingernägeln durch das Gesicht kratzen, rechnete jedoch nicht damit, dass Zane ihre Handgelenke packte und sie so handlungsunfähig machte. „Lass mich sofort los!“
Gemma konnte nicht fassen was vor ihren Augen geschah und starrte Louisa an, die vollkommen außer sich war und angefangen hatte zu kreischen, während sie versuchte Zane zu treten und sich wand wie eine Schlange.
„Jack! Zur Bar“, hörte sie Ethan neben sich und sah überrascht zu ihm hoch, während er über Funk der Antwort des Türstehers lauschte. „Ja, Zane hat alles unter Kontrolle, aber du solltest dich der Sache annehmen.“
„Fass mich nicht an, du Scheusal“, schrie Louisa und schaffte es tatsächlich ein Handgelenk aus seinem Griff zu entreißen. „Ha!“
Ehe Zane reagieren konnte, erwischte sie ihn mit ihren Fingernägeln an der linken Wange und er fluchte innerlich, zeigte nach außen hin allerdings keinerlei Schwäche. Bevor er wieder nach ihrem Handgelenk greifen konnte, war Jack zur Stelle und umfasste mit einem routinierten Griff einhändig beide Handgelenke von dem tobenden Mädchen, welches nun versuchte ihre Wut und ihren Frust an ihm auszulassen, was ihm jedoch lediglich ein mildes Lächeln entlockte.
„Lass mich los du Grobian! Fass mich nicht… hey!“
Leise lachend warf Jack sich das strampelnde und fluchende Bündel über die linke Schulter und benutzte die Tür ins Treppenhaus, um auf kurzem Dienstweg an die frische Luft zu gelangen, während er den Kopf schüttelte. Dieses Frauenzimmer war eine ganz wilde, was zur Abwechslung für ein wenig Erheiterung bei ihm sorgte.
„Shh, Vortice. Du bist anstrengender als ein Sack voll Flöhe“, knurrte er nach einer Weile sllerdings genervt, da sie sich wand wie ein Aal und sie zischte seinen Rücken an, ließ ihre Fäuste dagegentrommeln und stöhnte dann frustriert auf.
„Nenn mich nicht so“, fauchte sie dann und er grinste leicht.
„Wie denn?“, erkundigte er sich gespielt unschuldig und grinste in sich hinein.
„Meine Mutter ist Italienerin, ich kann verstehen was du sagst. Und jetzt lass mich runter!“
„So so… du hast italienisches Blut, hm?“, war er belustigt und setzte sie vor sich auf ihren Füßen ab. „Verhalte dich ruhig, oder ich lege dir Handschellen an.“
„Handschellen? Sowas dürfen Türsteher überhaupt nicht…“
„Ich habe eine Sondergenehmigung – aus Gründen. An deiner Stelle würde ich das nicht testen wollen, glaub mir. Und nun erzähle mir, warum du Zane angegriffen hast.“
Ihre Augen wurden noch dunkler als sie sowieso schon waren und glitzerten zornig. Das italienische Temperament brodelte heiß unter der Oberfläche und sie presste ihre vollen Lippen trotzig zusammen, starrte auf die breite Brust vor sich und dann auf Jacks große Hände, die fast schon Pranken waren und noch immer ihre schmalen Handgelenke umfasst hielten. Dann seufzte sie geschlagen und sah zu ihm auf.
„Alle haben etwas mit Zane, nur mich scheint er nicht zu wollen“, platzte es aus ihr heraus und dann verstummte sie schlagartig mit großen Augen. „Jetzt wo ich es laut ausspreche, klingt es unheimlich dämlich…“
„In der Tat“, amüsierte Jack sich und grinste ziemlich überheblich. „Zane ist eine Nummer zu groß für dich, piccolo pazzo.“
Er nannte sie kleiner Dummkopf, was sie zum Schnaufen brachte, ehe sie ihre Augen ein wenig zusammenkniff und feststellte, dass er unglaublich blaue Augen hatte und sie wiederum stutzen ließ, da ihr solche Details überhaupt nicht auffallen sollten – immerhin stand sie hier in ihrem roten Abendkleid auf High Heels und hatte ihre Handgelenke nicht einmal ansatzweise zu ihrer freien Verfügung, da er sie noch immer umfasst hielt. Dieser Kerl war nervig und sie wollte sich nicht von ihm belehren lassen – sie war alt genug um selbst ihre Entscheidungen treffen zu können.
„Du solltest dich bei Zane und vermutlich auch bei Gemma entschuldigen, wenn dir dein Seelenfrieden heilig ist. Wenn es um diesen kleinen Blondschopf geht, kann er schnell aus der Haut fahren. Zwar würde er dich körperlich niemals anrühren, aber er hat selbst und auch über seinen älteren Bruder einige Kontakte, die dir das Leben schwer machen könnten, wenn er wollte“, gab Jack ihr einen gut gemeinten Rat und ließ ihre Handgelenke überraschend frei, trat dabei einen Schritt von ihr weg. „Im Grunde scheinst du niemandem etwas böses zu wollen, auch wenn du augenscheinlich für Gemmas aufgeplatzte Lippe und Zanes zerkratztes Gesicht verantwortlich bist.“
„Ich werde nicht angezeigt?“, war sie perplex und er grinste schief.
„Wenn du keine Anzeige durch die beiden bekommst, dann kannst du aufatmen. Allerdings solltest du dich wirklich bei den beiden entschuldigen.“
Jack zuckte dabei locker eine Schulter und wandte sich dann von ihr ab, damit er seinen Posten neben Neo wieder einnehmen konnte, der noch immer am Haupteingang des ZEE stand und darauf achtete, dass nur die Gäste wieder reinkamen, die bereits vorher schon in der Lounge waren, da es weit nach ein Uhr in der Nacht war.
„Hey“, rief sie und lief ihm hinterher. „Du kannst mich doch nicht einfach ohne meine Jacke einfach vor die Tür setzen.“
„Es ist warm genug, selbst für diese Uhrzeit. Außerdem hast du doch bestimmt eine Freundin da drin die sie dir bringen kann, hm?“, grinste er sie belustigt an und sie ballte ihre Hände zu Fäusten.
„Du bist ein ungehobelter…“
„Ja?“, blieb er abrupt stehen und sie lief gegen seinen Rücken.
Damit sie nicht hinfiel, umklammerte sie reflexartig seine Mitte und japste auf, weil sie sich so erschrocken hatte. Dieser breit gebaute Typ machte sie fuchsteufelswild. Er gab ihr seltsame Namen in ihrer zweiten Muttersprache und stichelte, obwohl er vermutlich auch die Polizei hätte rufen können, da sie direkt zwei Menschen tätlich angegriffen hatte. Sollten diese Gemma oder gar Zane Anzeige erstatten, gäbe es zu Hause mit ihrem Vater Stress, den sie tunlichst vermeiden wollte. Sie ließ ihn los und strich sich das Kleid glatt, ehe sie leise seufzte.
„Kann ich kurz rein und mich bei Zane und dieser… Gemma… entschuldigen und meine Jacke und meine Tasche holen ehe ich gehe?“, wollte sie wissen und sah ihn dann widerwillig an.
„Ich lasse sie rauskommen. Hast du eine Freundin da drin, die deine Sachen direkt mitbringen soll?“
„Ja… Gia. Zane weiß wer sie ist.“
* * *
Die Kratzer von Louisas Fingernägeln hatte er desinfiziert und man sah kaum etwas davon, weil sie ihn nicht richtig erwischt hatte und die Striemen nicht tief genug waren, doch sein Ego trug für ihn sichtbare Verletzungen. Er war abgelenkt gewesen und hatte sich zu sehr über dieses eingebildete und vollkommen eskalierte Weibsbild geärgert, weshalb seine Deckung für einen Moment angegriffen war. Diesen Moment hatte sie genutzt und ihn eiskalt erwischt. Doch es machte ihn wütender, dass Gemma eine aufgeplatzte Unterlippe hatte, da Louisa einen Ring trug, der sie bei der Ohrfeige unglücklich am Mundwinkel getroffen hatte.
Jack hatte Ethan angefunkt und gefragt, ob er Zane und Gemma rausschicken könnte, damit Louisa sich bei ihnen entschuldigen konnte, doch hatte er seinem Bruder zu verstehen gegeben, dass er im Moment nicht mit dieser Person sprechen wollte. Außerdem, war Gemma mit Tiara nach oben gegangen, damit sie ein wenig Ruhe hatten um sich zu unterhalten.
„Wo hast du dieses schreckliche Frauenzimmer aufgegabelt, Zane?“, wollte Jannis immer noch geschockt wissen und sah ihn fragend an. „Die ist gemeingefährlich.“
„Im Jugendzentrum. Sie hat ihren jüngeren Bruder abgeholt nach einem der Hip-Hop Kurse für die Kinder, die ich während der Ferienaktionen geleitet habe“, erwiderte Zane und trank seine Cola aus, die er sich hatte geben lassen. „Sie hing mir sofort am Hintern wie eine Klette und meinte, sie hätte sich auf dem ersten Blick in mich verliebt. Ich denke jedoch eher, sie hat sich in etwas verrannt.“
„Wie alt mag sie sein? Zwanzig, einundzwanzig vielleicht?“
„Laut ihrer Aussage ist sie vierundzwanzig, hatte wohl aber noch keinen richtigen Freund“, beantwortete Zane die Frage von Jannis und schob mit einem Finger sein leeres Glas in Jannis Richtung, was diesen zum Grinsen brachte. „Deswegen denke ich, sie weiß nicht was Liebe ist; wie sie sich anfühlt. Weißt du, was ich meine?“
„Ja, sicher. Aber aus vermeintlicher Eifersucht direkt jemanden anzugreifen ist ein starkes Stück.“
„Sehe ich auch so. Sind Tiara und Gemma noch immer im Loft?“
Zane nickte und stand vom Barhocker auf, warf Jannis einen Blick zu und dieser scheuchte ihn handwedelnd in Richtung Tür, damit er nach oben verschwand und nach den Frauen sehen konnte. Jannis wusste, dass sein Freund sich Sorgen um Gemma machte und seufzte, als die Tür sich hinter Zane schloss. Wann genau hatte dieser stattliche Kerl sein Herz nur verloren? Und warum sprach er nicht einmal mit ihm, seinem besten Freund, über dieses Thema? Mit irgendwem musste er doch reden; er selbst würde zugrunde gehen ohne darüber sprechen zu können. Ganz sicher.
Tiara trat neben ihn und er zuckte leicht zusammen, als sie ihn an die Schulter fasste, ehe er sie überrascht ansah. Sie lächelte und er erwiderte es.
„Erschreck mich doch nicht so, Kleines“, lachte Jannis leise und schüttelte amüsiert den Kopf. „Im Heranschleichen bist du wirklich meisterhaft. Hast du die Ninja-Schule besucht?“
„So ähnlich“, erwiderte sie sichtlich amüsiert. „Zane kam mir eben mit einem wirklich ernsten Gesicht entgegen… geht es ihm gut? Ich meine, außer der Kratzer von dieser Louisa?“
„Mhm. Ihn beschäftigt etwas und ich ahne was es sein könnte. Aber ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht zu einhundert Prozent sicher ob ich richtig liege“, gab er ausweichend zur Antwort.
Sie hob eine Augenbraue, betrachtete ihn nachdenklich und beugte sich dann ein wenig nach vorn zu ihm. Irritiert erwiderte Jannis ihren Blick und lachte dann leise auf.
„Du benimmst dich schon wie Gemma. Ihr hängt eindeutig zu viel gemeinsam rum. Willst du in mir lesen wie in einem Buch? Frag mich doch einfach, Miss Berger. Ich beiße nicht; es sei denn du willst es…“, zog er sie auf und seine Augen blitzten sie herausfordernd an.
„Jannis!“
„Was denn? Ist doch so. Und nun, Kleines, sag mir was dich beschäftigt. Denken wir womöglich in die gleiche Richtung und könnten unsere Masterbrains zusammenschließen?“
* * *
„Gem?“, rief er in den Flur, als er die Tür hinter sich schloss und stehen blieb. „Ist alles klar bei dir? Ich mache mir Sorgen und wollte nach dir sehen.“
Sie antwortete nicht und er seufzte leise. Vermutlich hatte sie die Nase gestrichen voll von ihm und seiner Stalkerin, die ihm wie eine Klette am Hosenbein hing, sobald er in der Nähe war. Dabei hatte er von Anfang an keinerlei Interesse an ihr gehabt und dann auch noch belauschen können, wie sie mit ihrer Busenfreundin Gia einen Plan schmiedete, um ihn am besten auf ewig an Louisa binden zu können. Löcher in Kondomverpackungen stechen und ihn verführen. Als ob dieser Plan ein Geniestreich wäre, so stolz waren beide. Bis er um die Ecke gekommen und sich süffisant grinsend und mit verschränkten Armen gegen die Türzarge gelehnt hatte. Sie waren zu Tode erschrocken und verstummt. Hätte er Interesse an einer der beiden Mädchen gehabt, wäre spätestens zu diesem Zeitpunkt der Drops gelutscht gewesen. Aber sowas von.
Zane verscheuchte diese Erinnerung und ging den Flur hinunter, um zu schauen ob Gemma im Wohnzimmer auf der Couch saß, fand sie dort aber nicht vor und schaute automatisch zur gläsernen Front des Schlafzimmers seines Bruders. Die Vorhänge waren aufgezogen und auch dort war sie nicht zu sehen. Blieb an sich nur noch das Badezimmer, an dessen Tür er nun langsam trat und behutsam anklopfte.
„Gem? Bist du da drin?“, erkundigte er sich und Sorge schwang in seiner Stimme mit.
„Ja…“, kam es nach einigen Sekunden des Zögerns und er seufzte leise auf. „bin ich.“
„Geht es dir gut? Ich…“
„Es wird schon wieder, Zane. Es ist lediglich ein kleiner Kratzer.“
„Ein kleiner Kratzer? Es ist eine aufgeplatzte Lippe, Gem. Ich hätte besser auf dich aufpassen oder dich woanders hinbringen sollen, nachdem Louisa aufgetaucht ist. Sie ist… eine verzogene Göre die immer ihren Willen bekommen hat, außer bei mir. Es tut mir leid…“
Durch die Tür hindurch hörte er wie Glas zersprang und riss die Tür auf, ohne weitere Fragen zu stellen. Mit einem Blick erfasste er die Situation und zog Gemma in seine Arme, um sie an seine Brust zu drücken. Glasscherben lagen auf dem Fußboden und waren in sämtliche Richtungen in tausende von kleinen Stückchen geflogen, weshalb er die zierliche Frau, ohne Socken und Schuhe, in seinen Armen ein Stück über den Boden hielt und innerlich erleichtert aufatmete. Gemma war gerade im Begriff gewesen, nach einer der größeren Scherben zu greifen und er hatte schon blutige weiße Fliesen vor dem inneren Auge gesehen, weil sie sich in ihrer jetzigen Verfassung noch daran geschnitten hätte.
„Za...ne… was tust du?“, stammelte sie durcheinander und hielt sich an seinen harten Schultern fest, spürte unter ihren Handflächen seine definierten Muskeln und atmete seinen Duft nach Zitronengras und Muskatnuss ein, welcher eine Mischung aus frisch und herb ergab, die in ihrem Hirn als sinnlich ankam. „Mir ist nur das leere Wasserglas heruntergefallen, lass mich die Scherben einsammeln.“
„Abgelehnt. Du setzt dich auf die Couch und dann bringe ich dich nach Hause. Du brauchst ein wenig Ruhe. Ich räume die Scherben zusammen“, erwiderte er ernst und trug sie zum besagten Möbelstück um sie dort abzusetzen als würde sie nichts wiegen. „Bleib sitzen. Bitte.“
Er richtete sich auf und sah dann ihr leicht verwischtes Make-Up, welches sie sich schon weitestgehend aus dem Gesicht gewischt hatte. Es sah aus, als hätte sie geweint und er biss die Zähne aufeinander, weil er der Auslöser dafür war. Wäre sie nicht mit ihm im ZEE gewesen, hätte Louisa sie nicht zur Zielscheibe auserkoren und ihr auch keine Ohrfeige verpasst. Vielleicht sollte er einfach überhaupt keine Frauen mehr daten und alles was weiblich war, und nicht zur Familie gehörte, einfach ignorieren. Es war, wie einer seiner Klassenkameraden gesagt hatte: er war ein Troublemaker.
„Aber ich kann die Scherben selbst aufsammeln, denn ich habe lediglich eine kleine aufgeplatzte Stelle an der Lippe. Ich bin nicht schwer…“, startete sie noch einen letzten Versuch, doch Zane hob eine Hand abwehrend in die Luft.
„Tu mir bitte diesen einen Gefallen, hm? Ich kehre das schnell zusammen und dann fahre ich dich heim. Widerrede zwecklos.“
Mit diesen Worten war das Thema für ihn erledigt und er holte Handfeger und Kehrblech aus der Küche damit er im Badezimmer das zerbrochene Glas entfernen konnte. Sie beobachtete ihn aufmerksam und ignorierte das Pochen und Brennen an ihrer Lippe weitestgehend. Zane gab sich die Schuld an dem ganzen Debakel; sie konnte es ihm von der Stirn ablesen. Auch das er sich bei ihr entschuldigen wollte, ehe ihr das Glas aus der Hand gerutscht war bestätigte ihr das zusätzlich. Seine komplette Körperhaltung strahlte Schuld aus und sie verfluchte innerlich dieses kleine Luder, was für diese Misere verantwortlich war. Eifersucht in allen Ehren, aber jemanden attackieren – egal ob verbal oder körperlich – war in ihren Augen ein absolutes No-Go.
„Erledigt. Hast du alles? Dann bringe ich dich nach Hause. Mein Wagen steht bei Ethan in der Tiefgarage. Und ich habe, bis auf den Barrel vor einigen Stunden, nichts alkoholisches mehr getrunken“, wandte er sich an sie und schob seine Hände in die Hosentaschen, sah sie abwartend an und Gemma haderte mit sich selbst.
Sie wollte nicht, dass er sich Vorwürfe machte oder sich als Auslöser der ganzen Ereignisse sah und stand leise seufzend von der Couch auf, ehe sie auf ihn zuging und ihn einfach umarmte. Überrascht sah er auf ihr blond glänzendes Haar hinab und legte dann sanft seine Arme um ihren Körper. Ihre Wange legte sie an seinen Brustkorb und Zane schluckte trocken, da er auf diese plötzliche Nähe zu ihr nicht vorbereitet war.
„Danke, dass du immer für mich da bist, Zane.“
„Ich bin da, wann immer du mich brauchst. Auch, wenn du normalerweise allein klar kommst“, erwiderte er mit weicher Stimme und sie löste sich minimal von ihm, um zu ihm hochzuschauen.
Ohne die High Heels war sie bedeutend kleiner und kam sich nahezu winzig ihm gegenüber vor. Jahrelang hatte sie nur den jüngeren Cousin in ihm gesehen und sich keinerlei Gedanken über seine Statur gemacht, was sich seit einigen Stunden zu ändern schien. Ihr war aufgefallen, dass er sich überwiegend durch das vielfältige Tanzen fit hielt und mit Sicherheit auch noch regelmäßig in einem Studio trainierte. Früher war er eher der schlaksige Junge gewesen, der mit Sport so gar nichts am Hut hatte und viel lieber vor der Konsole in seinem Zimmer saß, wenn Ethan und sie ihn nicht gerade dazu überreden konnten, mit ihnen nach draußen zu kommen. Wie sehr er sich doch verändert hatte und sie es nicht für voll genommen hatte.
„Welche Frau wünscht sich nicht dass auf sie aufgepasst wird?“, lächelte sie ihn an, griff sich mit beiden Händen sein Hemdrevers und zog ihn mit einem kräftigen Ruck zu sich hinunter, damit sie ihm einen Kuss auf die Lippen drücken konnte. „Ich tue es auf jeden Fall.“
Mit einem kessen Zwinkern ließ sie das Revers los und ging an einem verblüfft schauenden Zane vorbei in den Flur, damit sie in ihre Ballerinas schlüpfen konnte. In ihrem Kopf drehte sich alles und sie schüttelte über sich selbst den selbigen, weil sie sich hatte hinreißen lassen und ihm einen Kuss auf den verführerischen Mund gedrückt hatte. Seine Lippen fühlten sich so weich an wie sie aussahen und sie unterdrückte den Drang sich über ihre eigenen zu lecken um herauszufinden wie er schmeckte. Was zum Henker war nur in sie gefahren?
Zane lässt dich träumen, wie nie ein anderer Mann zuvor, Gem. Du solltest dich ihm öffnen und von den nicht existierenden Blutbanden erzählen. Was hast du zu verlieren?
Ihren besten Freund aus Kindertagen. Immerhin hatten sie viele gemeinsame Sommertage gemeinsam mit Ethan verbracht und auch zu Weihnachten hatten sie sich regelmäßig gesehen. Wenn sie sich jetzt in Zane verliebte und er ihre Gefühle nicht erwiderte, drohte die Gefahr, dass sie mit ihrer Gefühlsduselei alles zerstörte was sie verband. Und das wollte sie nicht. Insgeheim mochte sie ihn schon immer lieber als Ethan, da er einfach spontaner und lustiger war und auch ihre verrücktesten Ideen sofort unterstützte. Ethan war schon immer der besonnene ältere Cousin gewesen, der nach Logik und Vernunft agierte und nicht aus dem Bauch heraus. Nur seinem Herzen folgte er jetzt mehr als seinem Kopf, woran Tiara nicht ganz unschuldig war.
„Kommst du, Zane? Ich bin fertig“, rief sie Richtung Wohnzimmer und wunderte sich darüber, dass er ihr noch nicht gefolgt war. „Zane?“