„Und du meinst wirklich, er hat ein Auge auf Gem geworfen?“, fragte Tiara Jannis während sie ihm die vollen Biergläser reichte, die sie frisch gezapft hatte und er nickte.
„Wobei ich nicht nur an ein Auge denke, sondern direkt an beide.“
„Und sein an sein Herz“, fügte sie leiser hinzu, damit nur Jannis sie verstehen konnte. „Aber wie schaffen wir es Amor zu spielen, ohne dass es auffällt?“
Er brachte die Gläser zu den Gästen, sie strich sich ein Haar aus der Stirn, sah dann zu Ethan hinüber, der sich mit einem Bekannten unterhielt, welcher sich einen Scotch bestellt hatte und sich an die Bar in Ethans Nähe gesetzt hatte, damit sie ein wenig plaudern konnten. Sie betrachtete sein Profil und seufzte leise und glücklich, während ihr durch den Kopf ging, dass sie auch Gem und Zane so glücklich erleben wollte. Denn wenn Ethan ihren Blick spürte, was sicherlich nicht mehr lang dauern konnte, dann lächelte er sie exakt so glücklich an wie sie sich in diesem Moment fühlte.
„Schmachtest du deinen gutaussehenden Verlobten schon wieder an, Tia?“, lachte Jannis neben ihr leise und sie grinste verschmitzt, als Ethan seinen Kopf in ihre Richtung drehte und wissend grinste.
„Ohja, Jannis. Und wie ich das tue. Und immer wenn ich es mache, spürt er meinen Blick und schaut mich an. Es fühlt sich irgendwie magisch an.“
Jannis beugte sich nach vorn, drückte demonstrativ einen übertriebenen Schmatzer auf ihre linke Wange und grinste dann mit einem provokanten Winken zu seinem Chef hinüber, der die Augen mit einem noch breiteren Grinsen kurz verdrehte und dann wieder seinen Gesprächspartner ansah, der ihn nach einem herzhaften Lachen ansprach.
„Ist das deine Freundin?“, fragte Lewis ihn mit funkelnden Augen und Ethan beugte sich nickend zu ihm, ehe er dann nochmals zu ihr sah.
„In der Tat. Aber sie ist auch zeitgleich meine Verlobte und baldige Ehefrau. Und wenn alles so läuft, wie wir uns das vorstellen auch irgendwann die Mutter meiner Kinder.“
„Wow, dich hat es ganz schön erwischt, mein Bester“, stieß Ethans Gegenüber einen leisen Pfiff aus. „Habe ich wirklich so viel verpasst während ich in L.A. war?“
„Sieht ganz danach aus, Lewis. Du hast aber auch eine harte Zeit hinter dir. Deine Ex wollte dir euer Kind wegnehmen, hat dich ausnehmen wollen wie eine Weihnachtsgans und du musstest alles drüben regeln und hier dein Leben irgendwie weiterführen, ohne das alles den Bach hinuntergeht. Meinen Respekt hast du.“
„Erinner mich nicht an die Geschichte… Ich bin froh, dass meine kleine Sammy mit ihren fünfzehn bereits so clever ist um mitzubekommen, wer versucht sie zu seinen eigenen Gunsten zu beeinflussen und wer sie ihre eigenen Entscheidungen treffen lässt“, erwiderte Lewis nach einem kleinen Seufzen und schüttelte dann den Kopf. „Sie will die Schule in L.A. beenden, kommt aber zu mir nach Deutschland, wann immer die Zeit es zulässt.“
„Wird noch einmal eine harte Zeit für dich, hm? Wird Sammy nach der Schule hierher kommen?“
„Ich denke sie wird sich wohl spontan entscheiden, wenn es soweit ist. So langsam interessiert sie sich für Jungs und geht auf Dates. Sollte es funken, wird sie sicherlich in den USA bleiben und mich weiterhin besuchen kommen, denke ich.“
* * *
Gemma hatte ihm einfach einen Kuss auf die Lippen gedrückt. Etwas, was bisher noch nie vorgekommen war und er stand wie ein verdammter Idiot mitten im Wohnbereich, aus dem sie gegangen war um sich Schuhe und Jacke anzuziehen und auch ihre Tasche zu greifen. Und er stand hier seit einer gefühlten Ewigkeit und konnte an nichts anderes mehr denken, als an ihre weichen Lippen, die seine für einen Bruchteil einer Nanosekunde berührt hatten. In seinem Gehirn spielten sämtliche Synapsen verrückt und er hoffte, dass er jemals wieder ein vernünftiges Wort herausbringen würde, ehe er seinen Kopf leicht schüttelte und in den Flur ging, während er eine neutrale Miene aufsetzte, damit sie ihm nicht hinter seine sorgfältig aufgesetzte Maske schauen konnte. Sie sah ihn aufmerksam an und er ließ ein Grinsen aufblitzen, welches seine Augen allerdings nicht erreichte, was auch Gemma auffiel, die sich fragte was plötzlich mit ihm los war, es jedoch nicht mit sich in Verbindung brachte. Vermutlich schlauchten ihn mittlerweile die ganzen Ereignisse des vergangenen Abends und sie nahm ihn bei der Hand, damit er nicht doch noch zu müde zum Autofahren wurde.
Gerade als er sich seinen Autoschlüssel eingesteckt hatte, spürte er wie sie seine Hand in ihre nahm, mit ihm zur Tür herausspazierte und ihn hinter sich die Treppe herunterführte. Sein Blick fiel automatisch auf ihre miteinander verbundenen Hände und er schluckte trocken. Jede noch so kleine Berührung steckte seinen Körper in Brand und er hatte, verflucht noch mal, Angst sich und sie dabei zu verbrennen. Er musste sie schnellstens nach Hause fahren und dann das Weite suchen. Theoretisch müsste er sich auch irgendeine willige Frau suchen, mit der er sich seine sexy Cousine aus dem Kopf schlagen konnte, doch fiel diese Möglichkeit heute weg. Wenn er sich von Ethans Bungalow aus nach Hause fahren würde, wäre es für sämtliche Bemühungen um eine Frau für eine Nacht viel zu spät und er viel zu müde um noch in irgendeiner Form zu Sex aufgelegt zu sein. Bei seinem Glück schlief er kurz danach obendrein ein und die fremde Frau der Wahl übernachtete bei ihm. Um Gotteswillen, nein, dass kam überhaupt nicht infrage.
„Wollen wir uns noch verabschieden?“, riss sie ihn aus seinen unmöglichen Gedanken und er bemerkte, dass sie am unteren Treppenabsatz standen und sie ihn fragend ansah.
„Was sagtest du?“
„Ob wir uns von den anderen noch verabschieden wollen.“
„Nein… ich werde Ethan später eine Nachricht schicken“, erwiderte Zane ein wenig zerstreut und Gemma betrachtete ihn besorgt.
„Bist du müde? Ich kann mir auch ein Taxi rufen, damit du direkt nach Hause fahren kannst.“
„Nein, schon okay. Meine Gedanken waren nur gerade woanders. Mir geht es blendend.“
Er zog sie sanft mit sich während er die Tür aufdrückte, er die angenehme Nachtluft in seine Lungen sog und Gemma neben ihm zum Stehen kam, seine Hand jedoch nicht losließ. Unauffällig sah sie sich in alle Richtungen um und erwartete irgendwie, dass Louisa oder ihre Freundin um die Ecke sprangen und sie wieder belästigen wollten. Doch dieses Mal war Zane an Gemmas Seite und wüsste das zu verhindern, dessen war sie sich absolut sicher. Nach einem Moment ging er mit ihr an seiner Hand in Richtung der Tiefgarage und sie genoss die Stille um sich herum, welche nur durch ihre gleichmäßigen Schritte gestört wurde.
„Meine Mutter hat sich von meinem Dad getrennt und sie wird mit ihrem Neuen nach Italien ziehen“, begann Gemma plötzlich leise zu erzählen und Zane warf ihr einen erstaunten Seitenblick zu. „Das ist nicht der Grund, warum es mich so aus der Bahn geworfen hat, aber ich wollte dich nicht komplett im dunkeln stehen lassen, weil du dir wirklich alle Mühe gemacht hast um mich aufzuheitern und von meinen trüben Gedanken abzulenken.“
„Ich weiß das sehr zu schätzen, Gem, danke für dein Vertrauen“, sagte er sanft und drückte zart ihre Hand in seiner, was sie zu einem Lächeln brachte. „Und wenn du bereit bist über die ganze Geschichte zu sprechen, dann kannst du das jederzeit tun.“
„Das weiß ich, Zane. Und ich bin verdammt froh, dass ich euch alle habe. Ihr seid immer für mich da und unterstützt mich in allen Lebenslagen.“
„Immer“, bestätigte er mit Nachdruck und ihm fuhr der Gedanke durch den Kopf, dass er für diese Frau sogar sein eigenes Leben geben würde, wenn es sie nur irgendwie schützte. „Ohne zu zögern, Gem.“
Sie blickte ihn an und konzentrierte sich dann wieder auf den Gehweg vor sich, damit sie schummrigen Licht der Laternen nicht umknickte, weil sie einen Stein oder etwas ähnliches übersah und Zane damit noch mehr Ärger aufbürdete, indem er sie bis zu seinem Wagen tragen musste, da sie im schlimmsten Fall nicht mehr auftreten konnte. Bei diesem Gedanken entkam ihr ein kleines Kichern und er brummte ein leises „hm?“
„Mir ging nur gerade durch den Kopf, dass es jetzt echt blöd wäre, würde ich umknicken und nicht mehr laufen können. Du müsstest mit bis zu deinem Wagen tragen und der Abend, beziehungsweise die Nacht, wäre komplett gelaufen“, sagte sie und gluckste leise.
Ehe sie überhaupt bemerkte, was er vorhatte, trug Zane sie bereits wie eine Braut auf seinen Armen, grinste von einem Ohr bis zum anderen und sie stellte fest, dass sie sogar vergessen hatte zu Quieken, so unvorbereitet hatte er sie mit seiner Spontanaktion erwischt. Lediglich an seinem Hemd hatte Gemma sich festgeklammert, obwohl das überhaupt nicht nötig war, denn er hielt sie sicher fest, ohne ein Anzeichen dafür, dass sich das in nächster Zeit ändern würde, weshalb sie ihre Wange gegen seine Schulter lehnte und leise seufzte.
„Dafür musst du nicht umknicken. Ich trage dich wohin du willst, wann du willst, Gem“, sagte er und seine Stimme vibrierte durch seinen Brustkorb, auf dem sie ihre Handfläche liegen hatte.
„Das musst du nicht…“
„Und wenn ich es aber will?“
„Warum solltest du mich tragen wollen? Es muss unheimlich anstrengend für dich sein, Zane.“
„Ganz und gar nicht“, widersprach er leise und sie zog ihre Augenbrauen leicht zusammen, weil seine Stimme vollkommen entspannt klang.
Nach wenigen Minuten, in einem angenehmen Schweigen, kamen sie an der Tiefgarage an und er blieb stehen, ließ sie wieder auf ihren eigenen Füßen stehen und angelte lächelnd seine Schlüssel aus der Hosentasche, damit er das Tor per Funk öffnen konnte.
„Nach dir“, sagte er und schob sie mit seiner Hand in ihrem unteren Rücken sanft den Weg entlang zu seinem Auto; einem älteren Opel Corsa in schwarz. „Mach es dir bequem.“
Bisher war sie noch nie Beifahrer in seinem Wagen, den er hegte und pflegte, da es sich noch immer um sein erstes Auto handelte, welches Ethan ihm damals geschenkt hatte. Es wurden sogar die Serviceintervalle alle eingehalten, was sie schon des öfteren zum Grinsen gebracht hatte, denn der Wagen hatte bereits über zwanzig Jahre auf dem Buckel. Gemma setzte sich auf den Beifahrersitz und er schloss die Tür, damit er auf der Fahrerseite einsteigen und den Motor starten konnte, nachdem sie beide angeschnallt waren. Entspannt fuhr er seinen geliebten Corsa aus der Tiefgarage und betätigte den Funkschlüssel für das Tor, damit es sich hinter seinem Wagen wieder schloss.
„Du wirst dieses Auto fahren bis es auseinanderfällt, oder?“, fragte sie schmunzelnd und er grinste.
„Bis das der TÜV uns scheidet.“
„Wie romantisch du sein kannst, Zane.“
„Du hast ja gar keine Ahnung wie romantisch ich sein kann, Gem“, erwiderte er und steuerte seinen Corsa in Richtung Wendhausen.
„Was würdest du denn zum Beispiel tun, wenn deine Freundin auf dich sauer wäre und nicht mit dir sprechen möchte, weil du sie irgendwie auf die Palme gebracht hast?“
Er warf ihr einen kurzen Blick zu und runzelte dann die Stirn.
„Kommt auf verschiedene Faktoren an…“, meinte er nachdenklich. „Blumen sind zu stumpf, denn jeder kann sich damit entschuldigen und es hinterher nicht so meinen. Irgendwie romantisch, ja, aber dennoch einfallslos und unehrlich in meinen Augen. Vermutlich würde ich das Gespräch mit ihr suchen, bei einem von mir eigens gekochtem Drei-Gänge-Menü und einem Glas Wein, oder Sekt… je nachdem, was ihr gefällt und dann eine ernstgemeinte Entschuldigung hervorbringen.“
„Klingt eher vernünftig, anstatt romantisch, Mr. Williams“, stellte Gemma grinsend fest und er schnaufte leise. „Kein Kerzenschein? Keine Rosenblätter? Ich meine… schau dir Ethans Aufwand für einen Antrag an.“
„Für einen Antrag kann man sich durchaus ins Zeug legen mit all dem Dekokram drumherum, aber für mich hat Romantik mit Herzchen, Blütenblättern, Kerzenschein und so weiter nicht wirklich etwas zu tun. Romantisch kann auch ein spontaner Kniefall vor der Frau des Leben sein, während man bei Rewe an der Kasse steht. Oder am Kühlregal vor dem Liter Milch. Selbst ohne einen Plan vorher und großem Überlegen wie, wo, wann… Ehrlich muss er gemeint sein.“
Verwundert studierte sie sein Profil und stellte fest, dass er es wirklich so meinte wie er es sagte. Sein Blick war entschlossen auf die Straße gerichtet und er sah nicht aus, als würde er jeden Moment anfangen zu grinsen oder gar zu lachen, um ihr mitzuteilen, dass er ihr auf den Leim gegangen war. In ihm steckte doch ein ernsterer Romantiker als sie angenommen hatte. Eigentlich dachte sie, er wäre eher derjenige, der Romantik für unwichtig erachtete und sich an solchen Dingen nicht aufhielt. Doch wieder einmal lag sie falsch und staunte.
„Tiefgründig.“
„Sehr. Ich mache mir wirklich viele Gedanken um die Frau der ich mein Herz… schenken werde. Und wenn ich diese Frau gefunden habe, möchte ich das sie glücklich ist, auch, wenn ich natürlich nicht immer alles richtig machen werde, sie respektvoll behandeln und mich bei ihr auch ehrlich entschuldigen, wenn ich sie auf die Palme gebracht habe.“
„Dann hoffe ich, du findest diese Eine, oder wirst von ihr gefunden.“
Und plötzlich beneidete sie diese unbekannte Frau die eines Tages diesen wundervollen Mann an Land zog und sein Herz für sich gewann, während sie vermutlich wieder eines der männlichen Exemplare abbekam, die sie für eine Frau hielten, die man irgendwann gegen eine andere austauschen konnte – so wie Dexter. Bitter presste sie die Lippen aufeinander und zuckte leicht zusammen, da die Verletzung an der Unterlippe dadurch schmerzte, was auch Zane nicht verborgen blieb. Aus dem Augenwinkel erkannte sie, dass er ihr einen schnellen Blick zuwarf.
„Alles okay?“, wollte er besorgt wissen.
„Ja, alles bestens. Ich habe nur vergessen, dass meine Lippe ein wenig lädiert ist und ich habe die blöde Angewohnheit alle Nase lang die Lippen zusammenzupressen. Kommt aktuell nicht ganz so gut, würde ich behaupten.“
Gemma öffnete das Tor, damit Zane mit dem Wagen auf das Grundstück fahren konnte und schnallte sich ab, als er den Motor abstellte.
„Ich bringe dich noch rein, dann fahre ich nach Hause“, informierte er sie und stieg aus.
„Du brauchst mich doch nicht reinbringen, Zane. Meinst du es würde sich jemand da drin verstecken und auf mich warten, um mich zu erdrosseln oder so?“, scherzte sie als sie die Beifahrertür geschlossen hatte und neben stehen blieb.
„Nicht unbedingt, aber ich habe so einen Spleen. Der Bungalow ist riesig und es ist mir einfach lieber, wenn ich einen kurzen Kontrollgang mache. Wenn es dir nicht wichtig ist, ist es okay.“
Mit diesen Worten zückte er sein Handy und schaltete die Taschenlampenfunkion an, damit er einen kurzen Rundgang durch den Garten um das Haus machen konnte, während sie zur Haustür ging und den Schlüssel in das Schloss steckte und sie auf ihn wartete. Während er sich ihr näherte, konnte Gemma erkennen, wie müde er mittlerweile aussah und betätigte den Knopf an der Funkfernbedienung, damit das Tor vom Grundstück sich wieder schloss.
„Was tust du, Gem?“, fragte er irritiert und trat hinter ihr in den Eingangsbereich.
„Ich lasse dich jetzt nicht mehr fahren, dir fallen fast die Augen zu“, erwiderte sie ernst und hob warnend den Zeigefinger in die Höhe, um ihn zum Schweigen zu bringen, ehe er zu reden anfing. „Keine Widerrede. Ich mache dir das Gästezimmer fertig und wenn du dich ausgeschlafen hast, fährst du nach Hause.“
„Okay, du hast ja Recht. Ich bin wirklich erledigt und jetzt zu fahren wäre mehr als verantwortungslos von mir“, sagte er dann seufzend und sah sie ergeben an.
„Sehr gut. Ich hatte mit mehr Widerstand gerechnet, wenn ich ehrlich bin.“
„Manchmal kann ich recht vernünftig sein“, zuckte er die Schultern und legte in der Küche seine Schlüssel auf die Arbeitsplatte um verhalten zu gähnen. „Ich bin kurz im Bad, oder willst du zuerst…?“
„Nein, mach nur, ich beziehe das Bett eben neu und dann werde ich nur eine kurze Katzenwäsche betreiben und ebenfalls ins Bett fallen.“
Sie machte sich Sorgen um ihn und er versuchte sich keine Hoffnungen zu machen, da sie nicht aus romantischem Interesse gefragt hatte, sondern weil er zur Familie gehörte und sich das einfach so gehörte. Zumindest würde er es so machen, wenn er sie wäre. Nachdem er das Wichtigste erledigt hatte, begab er sich ins Gästezimmer, welches direkt neben dem Hauptschlafzimmer lag und betrat den Raum, damit er ihr gegebenenfalls helfen konnte – sah jedoch dass sie bereits fertig und dabei war die Bettdecke zurückzuschlagen, damit er sich nur noch hinlegen und zudecken musste, was ihn zum Lächeln brachte.
„Danke, Gem.“
Matt lächelte sie ihn an und ging an ihm vorbei, streifte dabei seinen Arm und er sah ihr innerlich seufzend hinter. Mit Gemma in diesem Bungalow zu sein, allein, machte die ganze Sache nicht einfacher aber wenigstens war er in ihrer Nähe. In Gedanken versunken entledigte er sich seiner Kleidung, bis er nur noch seine Boxershorts trug und legte seine Kleidung zusammengefaltet auf den Stuhl, welcher in der Zimmerecke stand, ehe er ins Bett kroch und sich halbherzig zudeckte, während ihm die Augen schon zufielen. Normalerweise schlief er nicht auf dem Bauch, aber die Müdigkeit forderte ihren Tribut.
Erschöpft, aber irgendwie noch ziemlich aufgekratzt, nahm sie sich eines der Gläser aus dem Schrank in der Küche und goss Milch hinein, bevor sie die Flasche wieder in den Schrank stellte und einen Schluck trank. Wann genau war ihr Leben so aus den Fugen geraten? Die Trennung ihrer Eltern, die Kälte ihrer eigenen Mutter… Sie war nicht die Tochter ihres Dads… wie das klang, verdammt. Natürlich war sie das noch, aber eben nicht genetisch bedingt. Am besten rief sie ihn später am Tag an und fragte ihn, wie es ihm damit ging. Owen, ihr Vater, hatte sich zwar bisher nicht bei ihr gemeldet, sie ging jedoch davon aus, dass er sie nicht vor den Kopf stoßen wollte, falls sie noch keine Kenntnis über diesen neuen Wissenstand hatte. So schätzte sie ihn wenigstens ein. Aufseufzend spülte sie das Glas kurz aus, ließ es in der Spüle stehen und wollte ins Bett gehen als sie plötzlich den Drang verspürte, Zane eine gute Nacht zu wünschen und den Weg zum Gästezimmer des Bungalows einschlug.
Die Tür stand offen und sie trat ein, um direkt stehenzubleiben und auf den schlafenden Mann zu schauen, der sich die Bettdecke bis zur Hüfte hochgezogen hatte und vollkommen fertig auf dem Bauch liegend eingeschlafen war. Ein kleines Grinsen umspielte ihre Lippen und sie lehnte sich gegen den Türrahmen, weil der Anblick von Zane im schwachen Licht der Nachttischlampe sie auf eine seltsame Art entspannte.
Lautlos trat sie neben in ans Bett und machte das Licht aus, um dann die Decke höher zu ziehen und wunderte sich über das leichte Kribbeln an ihren Fingern, als sie die warme Haut seines Rückens dabei berührte, ehe sie die Decke losließ und leise das Zimmer verließ, wobei sie Tür jedoch offenstehen ließ.
* * *
„Gem hat gerade geschrieben, dass Zane sie nach Hause gebracht hat und auch dort übernachtet“, informierte Tiara Ethan, der gerade die letzten Gläser abspülte, unterdessen hatte sie die Tische abgewischt und die Kissen aufgeschüttelt. „Er scheint echt geschafft zu sein, wenn ihm die Augen quasi im Stehen zugefallen sind.“
„Er war bereits um fünf Uhr joggen, hat sich dann um die Vorbereitung auf dem Kinderfest gekümmert und den lieben Kleinen noch ein bisschen Unterricht gegeben, da sie ihn so lieb gefragt haben“, erwiderte er und sah zu ihr hinüber. „Die Nacht davor war auch nicht sonderlich lang, da er noch an seinem Auftritt gefeilt hatte.“
„Gönnt er sich jemals eine Pause?“, fragte sie und setzte sich auf einen der Barhocker. „Wenn er im Sommer nicht gerade von einem Aufritt zum Nächsten turnt, gibt er Kurse für Kids und arbeitet zwischendurch an der Bar?“
„Exakt. Nur im Herbst und Winter geht er es ruhiger an und lässt das Tanzen ein Hobby sein.“
„Hoffentlich rächt sich das nicht irgendwann“, seufzte Tiara und Ethan trocknete sich seine Hände ab. „Das hält doch niemand auf Dauer aus.“
„Das habe ich ihm vor einiger Zeit auch schon gesagt, Honey. Aber er ist alt genug und sollte wissen was er sich zutrauen kann und was nicht.“
„Ethan? Tia?“, steckte Jannis den Kopf zur Tür rein und beide sahen ihn überrascht an. „Ich mache die Düse. Wir sehen uns heute Abend.“
„Ich bin davon ausgegangen du seist schon weg“, erwiderte Ethan und ging zu ihm. „Sieh zu, dass du ins Bett kommst, man.“
„Ist ja schon gut“, lachte Jannis und winkte Tiara grinsend zu, ehe er sich zur Hintertür davonmachte.
Verhalten gähnte Tiara und nahm ihren Ethan bei der Hand.
„Lass uns schlafen gehen, ich falle sonst gleich auf der Stelle im Stehen in den Tiefschlaf.“
Diabolisch grinsend packte er sie bei der Taille und hob sie sich über die Schulter, was sie zum Lachen brachte, während sie seine Hände auf ihrem Hintern spüren konnte.
„Das wollen wir doch vermeiden. Ich werde dich in unsere Höhle bringen, Weib.“
„Weib? Na warte, das gibt Rache, wenn du schon nicht mehr an das hier denkst“, gab sie zurück und kniff ihm neckisch in den Hintern, was ihn zum Knurren brachte.
„Warten wir es ab“, murmelte heiser und trug sie die Treppe zum Loft hoch.
* * *
Gemma hatte einfach nicht zur Ruhe kommen und schlafen können, weshalb sie wieder aufgestanden und zum Gästezimmer gewandert war, in welches sie sich gesetzt hatte, um Zane beim Schlafen zu beobachten. Es kam ihr nicht falsch, aber auch nicht richtig vor – doch gehen wollte sie nicht. Sein Anblick ließ sie zur Ruhe kommen und sich entspannen, auch wenn sie nicht wusste warum das so war. Dabei tat er nichts, außer zu schlafen und sich dabei nicht zu rühren. Der Ohrensessel in dem sie sich sitzend zusammengerollte hatte war irgendwann so bequem gewesen, dass sie fast eingeschlafen war und sie schälte sich aus ihrer Position, machte Anstalten das Gästezimmer wieder zu verlassen, doch sie hielt inne und spüre wie die Unruhe wieder von ihr Besitz ergriff. Was war nur los mit ihr? Ihr Blick wanderte erneut zum schlafenden Zane und sie biss sich vorsichtig auf die Unterlippe. Würde es ihm etwas ausmachen, wenn sie sich einfach zu ihm ins Bett legen würde? Doch war dort absolut kein Platz, da er diagonal lag und es nicht danach aussah, als würde er diese Position irgendwann aufgeben und eine andere einnehmen.
Leg dich einfach zu ihm, es wird ihm schon nichts ausmachen, denn ihr habt schon öfter das Bett miteinander geteilt. Denk nicht immer so viel über alles nach, sondern folge deinem Herzen.
Dem Herzen folgen? Und außerdem waren sie damals noch Teenager und hatten sich über solche Banalitäten keinerlei Gedanken gemacht. Aber wieso nicht jetzt einfach mal was tun, was man sonst nie tun würde? Angespannt trat sie an das Bett heran und hob vorsichtig die Decke, um sich halb auf seinen Rücken zu schieben, verlagerte ihr Gewicht jedoch auf ihre rechte Seite, damit sie ihn nicht aus Versehen erdrückte. Sein nackter Oberkörper berührte sie nur durch den dünnen Stoff ihres Tops und doch fühlte sie sich wie elektrisiert. Was war das für ein plötzliches Gefühl, wenn sie ihn berührte oder er sie? Änderte sich gerade alles zwischen ihnen, nur weil sie wusste, dass sie mutmaßlich nicht mit ihm blutsverwandt war? Spielte ihr ihre Psyche einen Streich? Schüchtern legte sie ihre Wange auf sein Schulterblatt und rutschte langsam und behutsam ein wenig hin und her, damit sie eine angenehme Liegeposition fand, um einschlafen zu können und sog den Duft nach Zitronengras, Muskat und einfach nur Zane in ihre Lungen. An die Unruhe der vergangenen Stunden, die sie immer wieder vereinzelnd wahrgenommen hat, dachte sie in diesem Moment nicht mehr und schloss ihre Augen, wusste, sie war bei ihm sicher und beschützt.
Zane brummte leise in sein Kissen und versuchte sich umzudrehen, da ihm viel zu warm war, konnte sich aber aus unerklärlichen Gründen nicht bewegen, weshalb er seine Augen langsam öffnete und feststellte, dass er sich nicht in seinem Schlafzimmer befand, ehe die Erinnerung Stück für Stück in sein verschlafenes Hirn zurückfand und er realisierte, dass er sich in Wendhausen bei seinem Bruder im Bungalow befand. Müde schloss er wieder seine Augen und hörte ein leises Seufzen, welches ihn dazu brachte sie wieder zu öffnen und auf weitere Geräusche zu achten als ihm gewahr wurde, dass er nicht allein in diesem Bett zu liegen schien. Doch wer war mit ihm hier? Er hatte lediglich Gemma nach Hause gefahren und sie hatte darauf bestanden er solle hier schlafen, da er müde aussah und sie ihn in diesem Zustand nicht hinters Steuer seines Wagens lassen wollte. Also wer…? Gem. Es war Gem, die sich an seinen nackten Rücken schmiegte und deren Atem sanft über seine Haut strich. Ihr gleichmäßiger Atem verriet ihm dass sie schlief und er fragte sich, warum sie bei ihm im Bett lag und nicht in ihrem eigenen. Ging es ihr nicht gut? Brauchte sie Nähe? Sorge durchflutete ihn und er drehte sich so vorsichtig wie möglich, damit er sie nicht weckte und zog ihren zierlichen kleinen Körper in seine Arme, damit sie bequemer lag. So wie sie vorher gelegen haben musste, hätte nicht viel gefehlt und sie wäre von der Matratze gefallen.
Mit einem Blick auf die Digitalanzeige des Weckers auf dem Nachttisch stellte er fest, dass er etwa drei Stunden geschlafen haben musste und fragte sich augenblicklich wie lang sie bereits so an ihn gekuschelt hier schlief, während er im Halbdunkeln ihr entspanntes Gesicht betrachtete, wobei er innerlich aufknurrte als er die Blessur an ihrer Unterlippe erblickte. Augenblicklich versuchte er sich wieder zu beruhigen damit er Gem nicht in ihrem Schlaf störte, welchen sie zwingend benötigte und hauchte ihr einen federleichten Kuss auf die Wange, bevor er seine Augen ebenfalls schloss und wieder in den Schlaf zurücksank, da die Müdigkeit schier überwältigend war.