„Zane, komm schon, ich will unbedingt diese Schiffschaukel austesten und schauen ob ich den Überschlag schaffe“, lachte Gemma und versuchte ihn hinter sich herzuziehen, indem sie sich mit ihrem ganzen Gewicht an seine rechte Hand hängte und er grinste sie erheitert an, während sie vor Anstrengung ächzte und dann eine Schnute zog. „Biiiiitte?“
„Aha? Geht also doch“, zwinkerte Zane ihr zu und zog sie mit einem sanften Ruck in seinen linken Arm, damit sie nicht hinfiel, während er sich in Bewegung setzte.
Beim Gehen legte er ihr den linken Arm um die Schultern und sie warf ihm aus dem Augenwinkel einen erstaunten Blick zu, weil er das erste Mal von sich aus ihre Nähe suchte. Gott, er sah so verdammt anbetungswürdig aus mit diesem Cap und es überraschte sie noch immer, dass er es sich hat ohne ohne zu murren hat aufsetzen lassen. King und Queen… Vorhin war sie fast ein wenig in Verlegenheit geraten als ihr nach der Auswahl aufgefallen war wie viel unterschwellige Message dahintersteckte. Da er aber keinerlei seltsame Anmerkungen gemacht hatte, vermutete sie, dass er darauf überhaupt nicht gekommen war und es so hinnahm, ohne es zu hinterfragen.
„Schau mal, die haben hier sogar wieder eine Wildwasserbahn und eine Geisterbahn mit Live Action Show“, sagte Gemma und er konnte die Begeisterung in ihrer Stimme hören, was ihn zum Grinsen brachte. „Die Show ist immer zu jeder vollen Stunde – vielleicht bekommen wir eine mit.“
„Wir werden sehen, Gem. Nun willst du ja erst einmal dort hinein“, deutete Zane auf die Schiffschaukeln, die man manuell bedienen musste und warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Und du meinst, du bekommst den Überschlag hin?“
Gemma legte ihren Kopf schief und schien zu überlegen, zuckte dann die Schultern und grinste voller Tatendrang, bevor sie sich zu ihm herumdrehte als er den Arm von ihren Schultern nahm.
„Versuch macht klug. Denkst du denn, du schaffst es?“
„Hm, ich werde es sehen. Man braucht die richtige Technik und ein wenig Ausdauer. Letzteres habe ich auf jeden Fall, nur ob ich es richtig anstelle…?“
„Lass es uns herausfinden, Zane“, kicherte sie und lief dann zum Kassenhäuschen, um für ihn und sich zu zahlen. „Los, komm schon!“
Innerlich seufzend schlenderte er zu ihr und ließ sich in einem der kleinen Schiffchen, ebenso wie Gemma, angurten, damit sie, sollten sie einen Überschlag schaffen, nicht am höchsten Punkt herausfielen. Skeptisch musterte er das ganze Gestell und hoffte, es würde die Versuche aushalten, denn sonderlich stabil sah das alles nicht aus.
„Wir geben Ihnen Schwung und dann heißt es: anstrengen und selbst ist der Mann und die Frau. Ihre Caps nehmen wir solang gern“, erklärte einer der vier Mitarbeiter und zwei von ihnen positionierten sich rechts von Zane und Gemma, nahmen die Caps entgegen, verpassten den Schiffchen den nötigen Anschwung, ehe sie sich geübt von den schwingenden Gondeln entfernten und sie beide beobachteten.
Lachend ging Gemma abwechselnd in die Knie und stemmte sich wieder in eine gerade Körperhaltung, was ihr ordentlich Aufschwung verlieh, doch fehlte es ihr ein wenig an Schwung, damit sie den Überschlag schaffte, Zane hingegen machte kleinere Kniebeuge als sie, um zu testen ob diese Variante in erster Linie kräfteschonender und in zweiter Linie effektiver war. Nach einigem Bemühen gelang ihm der Überschlag und lachend hielt er die Balance, überschlug sich noch weitere drei Male und ließ sich dann auspendeln.
Fasziniert hatte Gemma ihn dabei beobachtet und darüber hinweg total vergessen sich weiterzubewegen und Zane einfach nur angestarrt. Gab es eigentlich irgendetwas, was dieser Mann nicht schaffte? Als sie losgegurtet wurde, nahm Gemma ihre Cap und setzte sie falsch herum auf, hüpfte aus dem Schiffchen und entfernte sich ein Stück weit, damit sie einen besseren Blick auf Zane bekam. In Gedanken versunken betrachtete sie ihn als er aus der Gondel stieg und seine Arme und Beine ein wenig ausschüttelte, da das Prozedere bis zum eigentlichen Überschlag ziemlich anstrengend war, wie sie eben selbst erlebt hatte.
Mit einem halben Grinsen nahm er seine Cap entgegen, setzte sie ebenfalls wieder verkehrt herum auf und ging auf sie zu, damit er sich ein klein wenig zu ihr herunterbeugen konnte.
„Nachher kommen wir nochmals her und dann zeige ich dir den Trick, okay?“, versprach er ihr und ihr Augen funkelten ihn erfreut an, ehe ein Grinsen sich auf ihrem Gesicht ausbreitete und sie nickte. „Das Gefühl ist der helle Wahnsinn, aber ehe man dort oben ist, geht es ganz schön auf die Muskeln.“
Zane legte seinen Arm erneut um ihre Schultern und sie unterdrückte ein zufriedenes Aufseufzen, bevor es sich ihrer Kehle entrang, lehnte sich kaum spürbar an ihn, schlenderten weiter gemeinsam über das Kopfsteinpflaster und Gemma atmete seinen unglaublichen Duft in ihre Lungen.
„Geisterbahn?“, fragte sie ihn und er schüttelte leicht sein Haupt, sah sie dann mit einem seiner halben Grinsen an und deutete in den Himmel.
„Sowas macht man erst wenn es dunkel ist, Gem.“
„Aber das sind noch Stunden. Wollen wir solang hier rumlaufen?“, war sie fast schon entsetzt und Zane lachte leise und tief auf.
„Nein, du Nase. Entweder nehmen wir jetzt noch eine Attraktion auf zwei mit, oder wir holen uns irgendwo etwas zu Essen und machen es uns bei mir im Wohnzimmer gemütlich und schlagen uns die Bäuche voll, ehe wir heute Abend nochmal herkommen. Wozu wohne ich hier direkt um die Ecke?“, erklärte er ihr seinen Plan und sie atmete erleichtert auf. „Hast du wirklich gedacht, ich renne mir mit dir hier die Hacken ab bis es dunkel wird?“
„Ich traue dir einiges zu, weißt du?“
„Pfft…“, tat er beleidigt, zog seinen Arm weg, beschleunigte seinen Schritt und warf ihr einen kurzen Blick über die Schulter zu. „Zicke!“
„Hey“, rief sie ihm verdattert hinterher und fing an zu laufen, was ihn zum Lachen brachte. „Ich würde gern noch ein Softeis holen, ehe wir hier die Biege machen.“
Lachend zog er sie mit dem rechten Arm um ihre Schultern wieder an sich, als sie ihn leicht keuchend einholte, und sie legte ihren linken Arm um seine Taille, drückte ihn sanft an sich und er spürte wieder dieses Kribbeln in seinem Körper, während sein Herz flatterte.
Mister Williams bitte zur Info; Mister Williams bitte. Ihr Herz wurde soeben wieder von Miss Lawrence berührt. Wir empfehlen ein Kaltgetränk, um wieder in Takt zu bringen!
* * *
Satt lehnte Gemma sich auf dem Sofa nach hinten und seufzte. Der Italiener an der Ecke war wirklich sein Geld wert. Oft hatte sie dort noch nicht gegessen, nahm sich jedoch vor, es öfter zu tun. Ihr Blick fiel auf Zane, der gerade vor einem Schrank hockte und irgendwas zu suchen schien und ließ sich Zeit damit seinen Hintern zu mustern, der sich in der Bermuda Shorts wirklich wundervoll abzeichnete und grinste vor sich hin.
„Ich wusste ich habe sie irgendwo“, hörte sie ihn triumphierend sagen und hob den Blick, ehe er sie dabei erwischte wie sie ihm auf den Hintern stierte. „Chips für das Autoscooter. Die können wir alle verbraten, wenn wir wollen. Ist der gleiche Schausteller wie letztes Jahr.“
Grinsend ließ er sich neben sie aufs Sofa fallen und legte die Fahrchips auf dem Glastisch vor dem Sofa ab, griff sich die Bierflasche und nahm einen Schluck daraus, ehe er sie wieder abstellte und sie ansah.
„Möchtest du noch etwas anderes zu trinken als das Bier?“, deutete er mit dem Kinn auf ihre Flasche, die sie in der linken Hand hielt. „Ich habe noch andere Getränke da.“
„Bier passt schon. Du hast wenigstens das Gute“, grinste Gemma und schwenkte die Flasche dabei leicht hin und her, was ihn zum Lachen brachte.
„Gibt es auch schlechtes Bier?“
„Ohja. Es gibt einige Sorten die sind ehrlich zum Abgewöhnen.“
„Ich wusste überhaupt nicht, dass du gern Bier trinkst“, merkte er überrascht an und sie zuckte eine Schulter. „Du hast viele verborgene Interessen.“
„Ein paar, ja. Aber ich trinke eher seltener Bier und nehme lieber einen Cocktail, wenn ich die Chance darauf habe.“
„Oder den guten alten Barrel.“
„Korrekt“, lächelte sie und nahm noch einen Schluck, um die Flasche dann abzustellen. „Wo muss ich hin, wenn ich ins Bad möchte?“
„Hier raus, dann rechts rum und die Treppe nach oben, links die erste Tür. Nicht zu verfehlen“, erwiderte und grinste schief.
„Danke. Ich bin direkt wieder hier.“
„Ich laufe nicht weg.“
Kichernd verließ sie das Wohnzimmer, hielt sich rechts und nahm die Treppe nach oben, sah sich um und bekam große Augen, denn sie stand inmitten eines riesigen Schlafzimmers, dessen rechte Hälfte aus einer Dachschräge bestand und eine riesige Fensterfront bot, durch die man bereits von ihrer Warte aus einen phänomenalen Ausblick auf die Dächer der Stadt hatte. Mit angehaltenem Atem ging sie auf die Front zu und wagte einen Blick nach draußen.
„Wahnsinn…“, flüsterte sie überwältigt und stellte sich für einen Augenblick vor, wie es wohl nachts aussah, wenn die Sterne mit dem Mond um die Wette leuchteten und man eines der unzähligen Fenster öffnete, um die laue Sommerluft hineinzulassen.
Gemma drehte sich langsam seitlich und sah auf das Bett, welches selbstgebaut aussah und eine reine Liegewiese darstellte, welche direkt vor der bodentiefen Fensterfront endete. Die Matratze war mit absoluter Sicherheit eine Sonderanfertigung, da es sich um kein Standardmaß handelte. Mit Plissees konnte man von unten oder oben für Dunkelheit und den nötigen Blickschutz sorgen, was sie zum Schmunzeln brachte. Leise stieß sie die Luft aus, die sie wieder unbewusst angehalten hatte, ehe sie sich die weißen Regalbretter ansah, auf denen ein kleiner Teil von Zanes bunten und wohl auch teuersten Vans standen, musterte den riesigen Spiegel an der Wand zwischen zwei der Regalreihen und stellte fest dass dieser Mann wirklich Geschmack hatte.
An der Wand über dem Bett hing ebenso ein Regalbrett, dort standen jedoch einige Bücher und BluRay Boxen verschiedener Serien, die ein absoluter Hingucker waren. Staunend ließ sie den Blick über den großen Kleiderschrank mit Schwebetüren gleiten und fasste dann die einzige Tür ins Auge, die es hier noch gab und hinter der sich das Bad verbergen musste. Entschlossen ging sie darauf zu und öffnete langsam die Tür, betrat den Raum der nicht gerade klein war und versuchte nicht mit offenem Mund stehen zu bleiben.
Das Badezimmer war bis unter die Decke gefliest und hatte eine angenehme beige Farbe, die Gemma an Sand erinnerte, der in der Sonne schimmerte. Da das Haus über ein Walmdach verfügte, hatte dieses Bad eine Besonderheit, die sie schon von außen neugierig gemacht hatte, denn man konnte ein Fenster erkennen, welches sich über den halben Raum zog, wie sie nun erkennen konnte, da sie in diesem Stand. Allerdings war es in der Mitte, zum Nachbarn hin, geteilt, was man jedoch nur erkannte, wenn man vor dem Haus stand, oder eben, wie sie nun, in dem Badezimmer. Unter diesem Dachfenster stand die einladende Badewanne und es war nicht schwer sich auszumalen, wie man im Winter ein Vollbad nahm und oberhalb den Schnee beim Fallen beobachten konnte.
Tief seufzte sie auf und musterte die ebenerdige Dusche, in der an der Decke, dort wo das Fenster nicht hinreichte, eine Regenbrause angebracht war. Auf der in der Wand integrierten und gefliesten Ablage stand ein Duschgel und daneben lag ein Nassrasierer. Mehr brauchte Zane anscheinend nicht, wie sie grinsend feststellte, während sie an ihre Armee von unterschiedlichen Shampoos und Spülungen dachte. Eine typische Frau halt.
Ihr fiel wieder ein, dass sie aus einem bestimmten Grund hier hochgekommen war und setzte es in die Tat um, damit sie sich die Hände waschen und wieder ins Wohnzimmer gehen konnte, bevor Zane eine Vermisstenanzeige aufgab, oder sie suchen kam. Bevor sie das Bad jedoch verließ, fiel ihr Blick auf den Parfumflakon auf dem Glasregal unter dem Spiegel und sie zögerte mit ausgestreckter Hand einen Augenblick, ehe sie es ergriff, den Deckel abnahm und vorsichtig daran schnupperte. Zitronengras und Muskat. Ganz eindeutig der Duft, der an Zane haftete, bloß ohne seinen ganz eigenen Geruch, den sie so verführerisch fand. Sie verschloss den Flakon wieder und stellte in an seinen ursprünglichen Platz, ehe sie das wundervolle Badezimmer verließ und wieder nach unten lief.
Zane sah auf, als sie das Wohnzimmer wieder betrat und unterdrückte ein erheitertes Grinsen, da ihr die Faszination quer ins Gesicht geschrieben stand. Bisher hatten nur Ethan und Tiara sein komplettes Reich gesehen; Gemma war die erste Person, die er nach oben gelassen und nicht das Gästebad in der unteren Etage hatte nutzen lassen. Noch immer fragte er sich, warum er ihr gesagt hatte, sie solle nach oben gehen und kam zum selben Ergebnis wie zuvor: sie sollte sein Allerheiligstes sehen dürfen. Unten befanden sich neben dem Wohnzimmer nur noch die Küche, ein Gästebad mit Toilette und Waschbecken samt Spiegel und ein kleiner Vorratsraum, in dem sich viele Regalbretter befanden, auf denen er Konserven, Kaffee und anderen Kram aufbewahrte. Auf dem Boden stapelten sich Getränkekästen und einzelne Flaschen.
„Na, hast du die Aussicht genossen?“, fragte er interessiert und überkreuzte seine lang ausgestreckten Beine an den Fußknöcheln, während er mit den Fingern an der Decke spielte, welche über der Sofalehne lag.
„Einfach atemberaubend“, erwiderte sie leise und setzte sich wieder neben ihn auf das Sitzpolster.
„Oh ja, einfach atemberaubend, da gebe ich dir Recht“, murmelte er und betrachtete sie unter leicht gesenkten Wimpern heimlich; meinte hierbei jedoch nicht die Aussicht von oben aus dem Fenster, sondern die, die er gerade vor sich sah.
Ihr Gesicht war vor Freude leicht gerötet und ihre Augen hatten einen Glanz, den er noch nie bei ihr gesehen hatte. Wenn er es nicht besser wissen würde, würde er darauf tippen, dass sie sich gerade in seine Doppelhaushälfte verliebte oder sogar schon verliebt hatte. Mit einem halbherzigen Grinsen schüttelte er innerlich seinen Kopf und trank von seinem zweiten Bier, welches er in der freien Hand hielt. Der linke Arm lag wie gehabt auf der Rückenlehne des Sitzmöbels auf dem er saß.
„Hast du Lust einen Film zu schauen?“, erkundigte Zane sich und stellte seine Flasche auf den Tisch. „Wenn ja, dann such dir einen aus oder wir machen einfach Netflix an. Wie du magst.“
„Kennst du schon Hotel Transsilvanien?“
„Bisher nicht. Die vorherigen Filme waren aber lustig“, erwiderte er und schaltete den Fernseher ein. „Streamt Netflix den Film?“
„Nein, aber die Schwester mit dem großen A. Ich logge mich einfach mit meinem Account ein, du hast dort kein Abo, oder?“, grinste Gemma und zog die Beine angewinkelt vor sich auf das Sofa. „Oder hast du dir Prime zugelegt?“
„Nope. Ich bestelle dort so wenig – lohnt sich überhaupt nicht für mich.“
Er öffnete auf seinem SmartTV die entsprechende App und reichte Gemma die Fernbedienung, damit sie ihre Logindaten eingeben konnte und suchte den entsprechenden Film raus, während Zane die Außenjalousien herunterließ und sich dann wieder neben sie auf das Sofa setzte. Gemma legte die Fernbedienung auf den Tisch und lehnte sich bequem nach hinten um den Film zu schauen. Es herrschte eine angenehme Stille und nur der Fernseher war zu hören, während ihre Augenlider immer schwerer wurden, da sie so wenig Schlaf einfach nicht gewöhnt war und unterdrückte ein Gähnen, damit sie keine Spielverderberin war. Ohne es zu bemerken, sank sie immer mehr gegen Zanes Körper und blinzelte langsam und konzentriert darauf, nicht einzuschlafen. Er grinste vor sich hin und beobachtete sie unauffällig dabei, wie sie gegen die bleierne Müdigkeit ankämpfte, was ein Ding der Unmöglichkeit war. Aber er würde sie einschlafen lassen, denn es waren noch gute sechs Stunden bis es auch nur annähernd dunkel wurde.
Als sie ihre Augen nicht mehr öffnete und ihr Atem regelmäßig ging, zog er sie sanft in zwischen seine Beine und machte es sich, mit links und rechts neben ihrem Körper ausgestreckten Beinen, und einem Kissen im Rücken, in die Ecke gelehnt bequem. Ihr Rücken lehnte an seiner Brust und seinem Bauch und Gemma bekam rein gar nichts mehr von ihrer Umgebung mit. Vorsichtig angelte Zane nach der weichen Decke und breitete diese über sie aus, damit sie nicht fror, denn es war recht kühl im Haus, wenn die Jalousien heruntergelassen waren und sie Sonne den Raum nicht erwärmen konnte.
Er streichelte gedankenverloren mit dem Daumen über ihren Bauch und schaute dabei seitlich auf den Fernseher, bekam aber wenig von dem Inhalt des Films mit, da seine Gedanken sich stetig um Gemma drehten, die schlafend in seinen Armen lag und vollkommen erledigt war. Wenn er sie nachher weckte, um noch einmal mit ihr über das Magnifest zu gehen, würde sie wieder voller Tatendrang sein und ihn mit ihrer Energie mitreißen, bis er sie auf Händen trug; das wusste er ganz genau. Was ihn wieder dazu brachte, an ihren unglaublichen Tanz zu denken, den sie einfach so neben ihm aufs ‚Parkett‘ gelegt hatte – und damit Platz drei aller bisherigen Teilnehmer zu erreichen. Als er ihr die Wahl des Gewinns überlassen hatte, hätte er darauf getippt, dass sie sich irgendwas aussuchen würde, woran sie Freude haben würde, doch ihre Wahl fiel ausgerechnet auf zwei Caps mit denen sie als Pärchen durchgehen könnten, wenn man es nicht besser wüsste. War ihr das überhaupt nicht bewusst? Oder war es ihr egal? Immerhin war er ihr Cousin und sie mochte ihn.
Leise aufseufzend konzentrierte er sich wieder mehr auf den Film und schmunzelte ein paar mal, weil es die ein oder andere witzige Szene gab, bei der er sonst vielleicht gelacht hätte, es aus Angst Gemma zu aufzuwecken jedoch unterdrückte.
* * *
Jack grinste innerlich und beobachtete Louisa, die ziemlich blass um die Nase war und sich, im engen Käfig, welcher als Wagon für die Geisterbahn diente, näher an ihn drängte, ohne es scheinbar bewusst zu merken und wimmerte auf, als das Portrait vor ihnen sich in einen kreischenden Zombie verwandelte. Er selbst half hier beim Auf- und Abbau mit, kannte somit die komplette Fahrt und dessen Specialeffects, weswegen ihn das Ganze mehr als kalt ließ. Louisa hingegen war anscheinend bisher noch nie in dieser Bahn gewesen und augenscheinlich ein schreckhafter Mensch. Horrorfilme gehörten höchstwahrscheinlich nicht zu ihrem Lieblingsgenre.
„Oh mein Gott“, kreischte sie erschrocken auf und drehte ihren Kopf an seine Schulter, da einer der Mitarbeiter, welcher als blutrünstiger Freddy Krüger verkleidet war, an dem Käfig rüttelte, der gerade stehengeblieben war.
Auf der Strecke gab es vier verschiedene Mitarbeiter, die aktiv die Fahrgäste erschreckten und jedes Mal geschah dieses an einer anderen Stelle, damit auch die Leute noch etwas davon hatten, die wieder und wieder eine Fahrt machten. Er war generell nicht schreckhaft und hatte eher Spaß daran, wenn Leute immer wieder versuchten ihn zu erschrecken. Die Frau an seiner Seite schien mittlerweile jedoch Todesangst zu haben und er legte kurzentschlossen seinen rechten Arm um sie, damit er sie näher an seinen Körper ziehen konnte, was dazu führte, dass sie beide Arme um seinen Oberkörper schlang und ihm, in der Enge des Käfigs, auf den Schoss kletterte. Ihren Kopf hatte sie in seiner Halsbeuge vergraben und ignorierte die, für sie, grauenhafte Geräuschkulisse und das Aufeinanderprallen von Metall auf Metall, wenn sie wieder eine Stelle erreichten, an die einer der verkleideten Mitarbeiter wartete.
„Wir sind gleich draußen“, raunte er an ihrem Ohr und sie nickte zusammenzuckend, weil ein schauderhaftes Kichern dicht bei ihnen ertönte.
Es war eine absolut bescheuerte Idee gewesen hier reinzugehen. Gia hatte mitgehen wollen, Louisa aber hängenlassen, weshalb sie sich bockig ohne ihre Freundin eingereiht hatte. Diese wusste haargenau wie viel Angst sie verspürte, in solchen Attraktionen zu sitzen, doch Louisa wollte sich nicht die Blöße geben. Ihr Glück war, dass Jack sie nun begleitete, obwohl es ihr mehr als peinlich war, dass er sie so erlebte und sie nun wie ein kleines Kind auf seinem Schoss saß und sich an ihn klammerte. Hätte sie nicht so eine unglaubliche Panik, würde sie das Spiel seiner festen Muskeln unter ihrem Körper genießen und nur ein wenig die ängstliche Frau mimen; doch ihre Angst war real und allgegenwärtig.
Der Wagen hielt an und die Käfigtür wurde geöffnet, aber sie hatte keinerlei Kontrolle über ihre Gliedmaßen, weshalb Jack geschickt mit ihr in seinen Armen ausstieg und sich weiter abseits, im Schatten verborgen, mit ihr auf eine Treppe setzte, die zu einem der Mannschaftswagen gehörte, und einfach nur an sich gedrückt hielt, damit sie wieder auf ein normales Level kam. Ihr Herz raste, was er an seiner Brust deutlich spüren konnte und innerlich fluchte er, weil sie so unvernünftig gewesen und allein hineingehen wollte. Wäre da nicht die Sache gewesen, dass sie einen Zentimeter zu klein war und somit nur mit jemanden reinkam, der die Verantwortung übernahm, da sonst versicherungstechnisch keinerlei Haftung übernommen wurde, sollte etwas während der Fahrt geschehen. Die einzelnen Käfige besaßen eine Sicherheitsfunktion, die nur ausgelöst wurde, wenn mindestens eine Person mit darin saß, der die erforderliche Größe besaß. Da war ein Zentimeter im schlimmsten Fall der alles entscheidende.
„Wir sind draußen und du in Sicherheit“, sagte er leise und strich ihr beruhigend über den Rücken. „Uns sieht niemand, ich habe uns abseits in den Schatten gebracht.“
Vorsichtig drehte sie ihren Kopf und sah über seine Schulter hinweg die Wohnwagen der Schausteller, welche normalerweise hinter einem Sichtschutz standen, weshalb sie vermutete dass Jack sie hinter einen solchen gebracht hatte, damit sie wieder runterkommen und sich beruhigen konnte, was ein angenehm warmes Gefühl in ihr auslöste. Es war ihr unangenehm dass er sie so sah und sie stöhnte leise auf, ehe sie ihre Stirn gegen seine Schulter sinken ließ.
„Es tut mir leid, ich bin viel zu ängstlich für solche Sachen. Aber ich wollte unbedingt…“
„Ist okay. Jeder Mensch ist anders gestrickt“, lenkte er sanft ein. „Wäre doch langweilig, wenn alle gleich wären, oder?“
„Irgendwie schon, ja…“, gab sie zögernd zu und begann sich langsam zu entspannen. „Wieso sind wir hier hinten? Man darf doch mit Sicherheit nicht hierher.“
„Ich kenne den Betreiber, wie schon gesagt. Es macht also nichts, wenn wir hier sind.“
Louisa lehnte sich auf seinem Schoß ein wenig zurück und sah sich interessiert um, war sie doch bisher niemals so nahe ‚Backstage‘ an den Schaustellern dran. Schon als Kind hatte sie sich gefragt, wie dieser Berufszweig lebte, doch nie hatte sie sich getraut jemanden von ihnen anzusprechen. Und nun war sie näher dran als jemals zuvor. Jack war versucht zu schmunzeln als er ihre leuchtenden Augen sah und konnte sich denken, dass das hier für sie mächtig aufregend sein musste. Für in selbst war es nichts neues mehr, denn er half den Schaustellern, seit dem er achtzehn war und sie hier in der Stadt waren.
„Danke…“, sagte sie und stockte dann, biss sich leicht auf die Unterlippe. „Jack, richtig?“
„Korrekt.“
„Danke, dass du.. da warst.“
Aufmerksam sah er sie an und Louisa stockte für eine Sekunde der Atem, als sie sich seiner stahlblauen Augen gewahr wurde, die sie ihr bislang noch nicht aufgefallen waren. In der Früh war sie zu wütend und verletzt von Zanes abfuhr gewesen und auch beschämt. Dann tauchte dieser Jack auf und warf sie sich über die Schulter, um sie nach draußen zu schleppen und auch dort hatte sie ihn angefaucht und nicht wirklich auf seine Augen geachtet. Und vorhin… da trug er eine verspiegelte Sonnenbrille, die es ihr unmöglich gemacht hatte seine Augen zu sehen. Doch nun sah sie aus der Nähe wie blau sie waren. Außerdem hatte er einen dunklen Ring um die Iris, welche ihnen einen mysteriösen Touch verliehen und sie schluckte trocken.
„Geht es wieder?“, erkundigte er sich und war sich bewusst, dass sie ihn regelrecht anstarrte, als hätte sie das neueste Weltwunder entdeckt. „Du scheinst dich ein bisschen beruhigt zu haben.“
„Oh“, machte sie und blinzelte einmal kurz. „Ja, ja… habe ich. Ich… ähm, ich stehe mal auf.“
Plötzlich verlegen stand sie auf und strich sich ihre kurze Jeanslatzhose, welche sie mit einem weißen Top kombiniert hatte, damit sie eine Ablenkung von dem Mann bekam, welcher vor ihr auf einer kleinen Treppe saß und keinerlei Anstalten machte, ebenfalls aufstehen zu wollen, sondern sie von unten herauf mit einem für sie undeutbaren Blick ansah.
„Darf ich dir zum Dank ein Eis ausgeben?“, rang sie sich mit einem Lächeln durch und sah wie sich seine Augen minimal vor Überraschung weiteten. „Sofern du sowas isst.“
„Eis? Immer“, erwiderte er mit einem leichten Grinsen und stand nun ebenfalls auf.
Ihr Blick fiel auf seine Schulter und sie stöhne innerlich auf, als sie sah das ein wenig von ihrem roten Lippenstift am weißen Leinenhemd hing. Sein Blick folgte ihrem und er grinste nun deutlich amüsiert, als er sah was die Ursache für ihren vollkommen entsetzten Blick war.
„Ich… es tut mir leid, Jack… das…“, stammelte sie mit einem Anflug von Verzweiflung und kramte in der vorderen Tasche der Latzhose nach der kleinen Packung Feuchttücher, sie sie immer mit sich führte und trat wieder zu ihm. „Ich mache das sauber, warte.“
Mit einem Feuchttuch bewaffnet besah sie sich den Fleck und hob die Hand, um ihn zu entfernen. Jacks Blick fiel auf ihre volle Unterlippe, auf die sie sich gerade verlegen herumkaute und stöhnte innerlich auf. Diese Mädel machte ihn schwach und Schwäche konnte er nicht ausstehen. Ihre zickige und temperamentvolle Art warf ihn aus der Bahn, so ungern er das auch zugab und er musste sich beherrschen, sie nicht einfach an sich zu ziehen und diese dunkelrot geschminkten Lippen zu küssen.
„Fast wie neu“, sagte sie und ihre Stirn glättete sich wieder, als sie von ihm wegtrat und die Hand erleichtert sinken ließ. „Ein bisschen kann man noch erkennen, aber das wird bei der nächsten Wäsche rausgehen.“
„Dann steht dem Eis ja jetzt nichts mehr im Wege, hm?“, meinte er und sie sah ihm wieder in die Augen. „Lass uns gehen, Vortice.“