Zane wusste nicht, wie lang er bereits auf seinem Bett lag und das Kissen in seinem Gesicht ihn fast ersticken zu drohte, doch es war ihm auch vollkommen gleichgültig. Das Gefühl, es bei Gemma versaut zu haben, wog viel schwerer auf seiner Seele. Er hätte seine verfluchte Klappe halten und einfach noch mehr Zeit mit ihr verbringen sollen. Aber nein, er musste ja unbedingt alle Karten auf den Tisch schmeißen und den Unbesiegbaren spielen. Dass hatte er nun davon.
Willst du hier jetzt den ganzen Tag herumliegen, Zane? Wo ist dein ungebrochener Kampfgeist? Zane Williams holt sich immer was er will – schon vergessen?
In der Regel schon, aber hier sprachen sie von Gemma Lawrence, seiner ersten großen und vermutlich auch einzig wahren Liebe. Wenn sie ihn nicht wollte, dann würde er bis an sein Lebensende Single bleiben. Egal, wie oft er versucht hatte, einer Frau mehr als nur Sympathie entgegenzubringen – es hatte nicht funktioniert. So sehr er es auch wollte. Sein Herz war unwiderruflich vergeben. Als hätte es schon immer gewusst, dass keine Blutsverwandtschaft bestand. How ironic.
„Pfft… Ich wird‘ vereinsamt sterben. Es ist, wie es ist.“
Zane lachte humorlos ins Kissen und stöhnte dann, von sich selbst vollkommen entnervt, auf, ehe er seine Arme nach links und rechts auf die Matratze fallen ließ. Schöne Scheiße. Wie sollte er ihr jetzt jemals wieder unter die Augen treten? Zane Williams, der Volltrottel, der sich in seine Cousine verliebte. Die nachweislich doch nicht seine Cousine ist. Und dann verkackte er es auf ganzer Linie, weil ihn die Geduld nach Jahren des Wartens von jetzt auf gleich verließ. CEO of being a jerk…
Mach dich nicht so runter, Kumpel. Andere Väter haben auch schöne Töchter. Und vielleicht hast du die Richtige auch noch gar nicht gefunden und verrennst dich bei Gemma in etwas, was gar nicht da ist. Schon mal drüber nachgedacht?
„Mehr als einmal, du Schlauberger. Was meinst du, warum ich beziehungsunfähig bin? Ich habe jetzt jahrelang meine Gefühle für sie tief in mir verbuddelt… Wegen Dex, diesem miesen Schweinehund, der ihr Herz hatte und es mit Füßen getreten hat. Und ich versage auf ganzer Linie, weil ich ein Volltrottel bin, der seinesgleichen sucht. Großes Kino. Wirklich.“
Oh come on… Seit wann bist du so ein Schwarzmaler?
„Seitdem ich es verbockt habe…“, murmelte Zane und knurrte. „Verliebe dich in die Frau deiner Träume, haben sie gesagt… das wird so schön, haben sie gesagt… Dass man sein Herz verliert und die scheiß Liebe nicht erwidert wird – DAS haben sie nicht gesagt!“
Er wird komisch..., gar nicht gut. Überhaupt nicht gut. Houston we have a problem. Du musst deine Strategie ändern und um sie werben, Junge. Jetzt erst recht!
„Crap… Wenn Gem mich nicht lieben kann, dann will ich auch keine andere Frau. So einfach ist das. Und jetzt tu mir den Gefallen und hör auf in meinem Kopf unnütze Ratschläge zu erteilen, die mir eh nix bringen, weil dazu wohl immer noch zwei gehören. Um sie werben? Nachher hält sie mich noch für einen liebeskranken Trottel, der sie verzweifelt zu überreden versucht – nein danke. Wenn es jetzt passiert, dann passiert es… wenn nicht… dann muss ich es akzeptieren. Ein für alle Mal“, knurrte er leise und stöhnte dann auf, ehe er sich mit der rechten Hand das Kissen aus dem Gesicht riss und es mit noch immer geschlossenen Augen einfach zur Seite und aus dem Bett warf.
Ein erschrockener, gedämpfter Laut ertönte und Zane erstarrte. Wie lang stand Gemma da jetzt schon, verdammt? Und somit ist es amtlich. Zane Williams ist der König der Peinlichkeiten. Einen Dreifachtusch bitte.
Innerlich laut aufstöhnend wischte er sich mit beiden Händen gleichzeitig über das Gesicht, zählte bis zehn und setzte sich dann mit einem erzwungenen Grinsen auf den Lippen auf, um ihr einen kurzen Blick zuzuwerfen. Aus ihrem Gesicht erfuhr er nichts. Rein gar nichts. Das Pokerface hatte sie als Kind bereits perfektioniert und setzte es als Erwachsene immer dann ein, wenn sie sich nicht in die Karten schauen lassen wollte. Betont gut gelaunt griff er sich sein Shirt, zog es sich über den Kopf und bugsierte sich aus dem Bett, damit er sich eine seiner Basecaps greifen konnte, die an der Wand aufgereiht hingen. Mit einem Blick über die Schulter setzte er sie sich falsch herum auf und grinste wieder; versuchte so normal wie möglich zu wirken.
„Ich packe ein paar Sachen ein“, informierte er sie locker. „Getränke, ein paar Snacks… dann können wir in den Prinzenpark und eine Runde auf den Skates drehen. Da ich mein Tanztraining irgendwie schleifen lassen habe, muss ich mich anderweitig ein bisschen auspowern. Ich warte dann unten auf dich.“
Ohne eine Reaktion oder eine Antwort ihrerseits abzuwarten, machte er sich auf den Weg nach unten und versuchte, es nicht wie eine Flucht aussehen zu lassen. Esel, Esel, Esel, Esel… bei jeder Stufe leierte er dieses Mantra in seinem Kopf herunter.
Really, Zane? Du flüchtest schon wieder? Und spielst den gutgelaunten Ahnungslosen, der nicht bemerkt haben will, dass sie vermutlich jedes einzelne Wort mitbekommen und verstanden hatte? Du hast ihr ein fucking Liebesgeständnis gemacht – wenn auch ziemlich unabsichtlich. Und vielleicht denkt sie nun, du drehst vollkommen frei. Aber gut. Mit Verlusten war von Anfang an zu rechnen… und wie du weißt… im Krieg und der Liebe ist alles erlaubt.
„Gott bewahre…“, stöhnte Zane auf und packte Getränke und Snacks in seinen Rucksack, ehe er ihn sich über seine rechte Schulter warf und die transparente Tasche mit den Inline Skates in die Hand nahm. „Jetzt spricht die Stimme schon die ganze Zeit mit mir. Vielleicht dreh’ ich jetzt auch einfach völlig durch.“
Gemma kam die Treppen herunter und er versuchte so entspannt wie möglich im Flur zu warten, damit sie gar nicht erst auf die Idee kam, ihn auf irgendetwas anzusprechen, was in der letzten Stunde passiert ist. Sie ging direkt neben ihm in die Hocke, da sie ihre Tasche dort geparkt hatte und strich sich eine Strähne aus der Stirn, ehe sie ihre Skates herausholte und sich wieder aufrichtete.
„Ich bin soweit“, informierte sie ihn mit einem Lächeln und ging zur Tür.
Sein Blick rutschte eine Etage tiefer und er schüttelte resigniert seinen Kopf, als er sich fragte, ob er diesen sexy Hintern auch irgendwann einmal in voller Pracht sehen durfte, oder ob irgendein anderer Mann das große Glück zuteilwurde, weil er, Zane, einfach uninteressant für eine feste Beziehung war. Seine Küsse hatte sie bisher immer erwidert, doch die Tatsache, dass er ihr – zwei Mal! - eine Liebeserklärung gemacht hatte, ließ sie augenscheinlich absichtlich unter den Tisch fallen. Er sollte es sportlich nehmen und einen Haken hinter diese Schnapsidee setzen.
Sag mal, bist du in den Wechseljahren? Hast du heimlich getrunken, als ich kurz auf der Toilette war? Was genau stimmt denn bloß nicht mir dir?
Mit Müh und Not verbiss Zane sich einen Kommentar und ignorierte die Stimme in seinem Kopf. Ja, er war verstimmt. Konnte man ihm das verübeln? Ganz sicher nicht. Über Jahre hatte er seine Gefühle Gemma gegenüber versiegelt. Der Streit, die Trennung auf Distanz, welche wieder für den nötigen Abstand gesorgt hatte. Ihr Auftauchen auf dem Magnifest bei seinem Auftritt… Wie verletzt sie wegen Tamara war und sich ihm nicht öffnen wollte… die Nähe durch Tiaras Anstoß und die Sache mit Louisa und anschließend der verdammte Kuss, welcher von Gemma ausging; nicht von ihm, verflucht noch mal! Und dann die erlösende Nachricht die als Irrläufer bei ihm gelandet war… Nicht verwandt. Und jetzt? Zerstörte er den ganzen Fortschritt, indem er ihr sein verräterisches Herz auf dem Silbertablett präsentierte. Natürlich hatte sie ihm gegenüber keine solchen Gefühle. Schließlich war erst heute das Ergebnis des DNA-Tests durch Owen gekommen.
Missmutig setzte er sich auf die Stufen vor seinem Haus und zog sich seine Schuhe aus, um in die Skates zu schlüpfen, verstaute dann die Schuhe und die Tasche seiner Skates im Rucksack und zog sich am Handlauf neben der Treppe wieder auf die Beine. Gemma war noch dabei sich die Skates zu schnüren, weswegen er einen Blick auf sein Handy warf. Eine Nachricht von Jack. Was er wohl wollte?
Jack
Danke nochmal für deine Hilfe mit Louisa, Zane. Ich habe ihr nun gesagt, dass ich immer für sie da sein werde und ihr meine Nummer in der Küche hinterlassen. Meine Hoffnung beruht nun darauf, dass ich ihr Herz irgendwie erreichen konnte. Sie ist nicht die Zicke, für die ihr sie alle haltet. Glaub mir das. Lou ist ganz okay.
Zane
Ganz okay? Gut, nun bin ich neugierig. Du warst also bei ihr zu Hause? Hast du bei ihr geschlafen und dich dann wie ein Dieb im Morgengrauen davongeschlichen? Du Vorstadtcasanova! ;)
Ein Grinsen schlich sich auf Zanes Lippen und Gemma zog überrascht ihre Augenbrauen in die Höhe, als sie es bemerkte. In der letzten Stunde war seine Laune so wechselhaft wie das Wetter in den Highlands gewesen und sie wusste nicht, warum er plötzlich so drauf war. Er hatte ihr gestanden, dass er Gefühle für sie hatte. Und er wirkte gefasst, als er ihr Zeit gab, über seine Worte nachzudenken und nach oben gegangen war.
War es ihm unangenehm, dass sie ihn gehört hatte? Immerhin schien er im Zwiegespräch mit seinem Gewissen gewesen zu sein. Sie kannte diese Problematik, denn auch ihr Gewissen versuchte sich in guten und weniger guten Tipps in allen Lebenslagen. Nicht immer ein Vorteil, wenn man Gemma fragte.
Er hat dir mehr oder weniger eine Liebeserklärung gemacht, die filmreif war. Ob auf der Couch, oder als er auf seinem Bett lag und nicht gewusst hat, dass du anwesend bist und jedes einzelne Wort hören kannst. Zane dachte, er wäre allein im Raum. Und hast du dir mal genauer angeschaut wie heiß er ist? Diese Muskeln… die gebräunte Haut. Was machst du? Du stehst da wie bestellt und nicht abgeholt, mit offenem Mund und starrst Löcher in dieses Bild von einem Mann. In den Mann, der dich anscheinend will. Und was tust du? Nichts. Was sagst du? Nichts. Absolut. Nichts. Meinst du, nur weil er jahrelang seine Gefühle vor allen verborgen hat, wird er noch einmal ein paar Jahre warten? Was, wenn ihm plötzlich eine Frau über dem Weg läuft, die sich Schlag auf Fall in ihn verliebt und ihn so umgarnt, dass…
„NEIN!“, begehrte Gemma entrüstet auf und Zane hob verwundert den Blick von seinem Handy. „Nein… noch enger sollte ich die Skates nicht schnüren… nachher habe ich Abdrücke, weil sie zu fest saßen.“
Ja nee, ist klar. Was war das denn bitte für eine fadenscheinige Erklärung deinerseits?
Gemma zischte innerlich auf und wollte sich hochziehen, rutschte jedoch mit der Hand von dem Geländer ab und landete mit einem kleinen Quietschen wieder auf ihren vier Buchstaben. Konnte heute nicht irgendwas glatt laufen? Angefangen bei Zanes Geständnis ihr gegenüber zum Beispiel. Eine Erwiderung, dass auch sie anfing sich in ihn zu verlieben? Vielleicht.
Du hast ihn schweigend angestarrt – schon vergessen, hm?
Zanes Blick ruhte noch immer auf ihr, sein Handy in der Hand offensichtlich für den Moment vollkommen vergessen. Sie schien nicht ganz bei der Sache zu sein – das fiel ihm auf. Er ließ sich ein Stück nach vorn rollen und hielt ihr stumm seine freie Hand entgegen, woraufhin sie ihn überrascht ansah. Warum war sie erstaunt darüber, dass er ihr helfen wollte?
Nun nimm doch schon seine Hand, ehe er es sich doch noch anders überlegt.
Leise seufzend ergriff sie Zanes Hand und ließ sich helfen, damit sie auf ihren Skates stehen und sich darauf auch fortbewegen konnte. Es war bereits eine ganze Weile her, seit dem letzten Mal auf diesen Teilen und Gemma war sich unsicher, ob sie das noch so hinbekam, wie damals. Wenn schon das Aufstehen damit nicht funktionierte, würde diese Ausfahrt interessant werden und mit ziemlich vielen blauen Flecken enden. Ein Gedanke, welcher ihr ganz und gar nicht behagte.
„Danke“, lächelte sie ihn an und er sah sie aus unergründlichen grünen Augen stumm an, bevor er knapp nickte und die Nachricht auf seinem Handy zu Ende tippte, um das Gerät in der Hosentasche zu verstauen und sich in Bewegung zu setzen.
Zane bewegte sich auf den Skates, als würde er den ganzen Tag nichts anderes tun und Gemma kam nicht umhin, sein faszinierendes Muskelspiel zu bewundern. Seine komplette Muskulatur arbeitete mit und sie seufzte leise. Ein Traumkörper.
Ach nee, Fräulein. Das könntest du alles für dich allein haben. Wie hat Phil Collins gesungen? Dir gehört mein Herz: Hör auf zu weinen und nimm meine Hand… Halt sie ganz fest, keine Angst… Egal was kommen mag, ich bin bei dir… Denk nur an mich, keine Angst…
Unbeholfen folgte sie Zane und dachte über die Worte nach, die ihr Gewissen ihr zuflüsterte. Aber konnte sie ihm das antun? Ihn dem Gespött der Leute aussetzen? Immerhin kannten Ethan und Zane durch die Lounge-Bar viele Menschen, die wiederum auch irgendwie Gemma kannten. Und es könnte durchaus sein, dass man hier wusste, dass sie jahrelang als Cousin und Cousine gemeinsam aufgewachsen waren. Es würde böses Blut geben, sollten sie eine Beziehung miteinander eingehen und es öffentlich machen.
Soso. Du denkst also schon über eine Beziehung nach? Wie wäre es, wenn du zunächst einmal in dich gehst und ergründest, ob du mehr als nur Freundschaft für ihn empfindest, ehe du dir den hübschen Kopf über sowas zerbrichst? Kannst du ihn nicht lieben, gibt es keine Beziehung. Gibt es keine Beziehung, wird niemand darüber reden. Klingt das irgendwie logisch für dich, Gem?
„Halt doch den Mund…“, murmelte Gemma und verfluchte innerlich die Stimme in ihrem Kopf.
Zane war bereits im Park angekommen, befuhr gerade eine der kleineren Halfpipes und sah sich dabei um. Gemma würde es offen zugeben, doch es störte sie tierisch, dass er ihr mehr oder minder gerade aus dem Weg ging. Doch wenn sie ehrlich zu sich war, konnte sie ihn auch verstehen. Hätte sie Zane ein Liebesgeständnis gemacht und er hätte in keiner Form darauf reagiert, würde sie sich genauso zurückziehen wie jetzt er. Mit Schwung fuhr er in eine der mittleren Halfpipes und sie sah ihm erstaunt dabei zu. Gab es eigentlich irgendeine Sportart, die er nicht beherrschte, oder zumindest weniger gut? Vermutlich nicht. Als Teenager hatte er angefangen, sich für sämtliche Sportarten zu interessieren und musste mindestens austesten, ob er sich dafür begeistern konnte. In den meisten Fällen blieb er nicht lang bei einem Sport; außer es ging um den Tanzsport. Diesem blieb er nun bereits seit Jahren treu und hatte auch nicht vor dem ein Ende zu setzen.
Gemma fuhr, deutlich vorsichtiger, einige Runden über den Asphalt der Anlage und versuchte sich an die unterschiedlichen Bremstechniken zu erinnern, damit sie diese üben konnte. Vermutlich machte sie sich zur absoluten Lachnummer, doch das war heute etwas, was ihr ziemlich am Arsch vorbeiging. Sie musste nachdenken, ihre Gedanken sortieren und sich bewusst werden, was sie eigentlich genau wollte. Wie stellte sie sich ihr weiteres Leben vor?
„Vorsicht“, rief ein Rotschopf verängstigt und versuchte verzweifelt, irgendwie zum Stehen zu kommen, während sie auf ihren Skates schon fast strauchelte. „Ich… oh nein!“
Geistesgegenwärtig fing Zane die junge Frau auf und half ihr, sich wieder richtig hinzustellen, während diese sich an sein Shirt geklammert hatte und aus großen cognacfarbenen Augen zu ihm aufsah. Sie hatte einige helle Sommersprossen auf Wange und Nasen, einen leicht herzförmigen Mund und einen schulterlangen, modischen Longbob. Ihre Haare schienen rot gefärbt zu sein, doch es stand ihr, fand Zane beiläufig und zwang sich, nicht zu Gemma rüberzuschauen, die sich ganz wacker hielt. Er hätte ihr gern gezeigt, wie man richtig fuhr, doch im Moment war er einfach zu verletzt. Eingangs hatte er es noch als Trotz fehlinterpretiert, jedoch stellte sich ziemlich schnell heraus, dass es weder das verletzte Ego noch der verletzte Stolz war, welche in Trotz mündeten. Nein – es handelte sich schlicht und ergreifend um ein verletztes Herz. Eines, welches nach der Frau schrie, welches es liebte. Und die es nicht erhören wollte oder konnte.
„Danke für die Rettung“, schreckte die Unbekannte ihn aus seinen Gedanken und er sah sie mit einem angedeuteten Lächeln nickend an. „Mein Name ist Xenia und wer bist du?“
„Zane“, antwortete er knapp, doch trotzdem noch freundlich.
„Schlechter Tag?“, hakte sie emphatisch nach und er hob milde überrascht seinen Kopf, den er ein wenig gesenkt hatte. „Du siehst bedrückt aus. Fiel mir nur auf.“
Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen und ihre Augen funkelten ihn vergnügt an, was ihn, gegen seinen Willen, ansteckte. Ehe er es verhindern konnte, hatten sich seine Lippen ebenfalls zu einem Lächeln verzogen.
„Ein wenig. Aber immerhin habe ich meinen Pfadfinder-Kodex eingehalten“, erwiderte er in einem gespielt ernsten Ton und Xenia lachte herzhaft auf. „Nicht dass ich jemals bei den Pfadfindern war… erzähl es bitte niemandem weiter, hm?“
Sie hob einen Zeigefinger an ihre Lippen und deutete so ihre Verschwiegenheit an, was Zane zum Schmunzeln brachte. Deutlich entspannter schob er seine Hände in die Taschen seiner Shorts und besah sich die Skates von Xenia genauer.
„Bist du Anfängerin? Oder bist du irgendwann schon einmal gefahren?“
„Oh? Ich bin blutige Anfängerin befürchte ich… Wieso fragst du?“, war sie verblüfft über diese Frage und hob eine feingeschwungene Augenbraue. „Stimmt etwas nicht?“
„Du trägst an deinen Füßen sogenannte Hartboots. Für Anhänger sind Softboots, also die mit einem weicheren, hohen Schaft, angenehmer zu tragen. Solche Skates, wie du sie nutzt, trägt man eigentlich eher für Stunts und Inlinehockey“, erklärte er und nickte in Richtung ihrer Füße. „Außerdem sind die Rollen ein klein wenig zu groß und ich tippe darauf dass sie zudem auch zu hart sind. Bei der Auswahl hast du dir keinen großen Gefallen getan, fürchte ich.“
Bedauernd sah er sie an und Xenia rang gespielt verzweifelt die Hände in den Himmel.
„Da kennt man sich einmal nicht aus… Danke für den Hinweis. Vielleicht sollte ich mir für den Anfang ein Paar passende Skates kaufen.“
„Wäre empfehlenswert, ja.“
Aus dem Augenwinkel konnte Zane erkennen, dass Gemma zwar noch immer ihre Übungsrunden drehte, jedoch immer wieder herübersah. War das ein gutes oder eher ein schlechtes Zeichen? Er hatte absolut keine Ahnung. Eine Berührung an seinem Unterarm ließ ihn Xenia wieder anschauen. Sie hatte ihn scheinbar etwas gefragt, doch er hatte schlicht und ergreifend nicht zugehört.
Die Kleine scheint voll auf dich abzufahren. Warum machst du den Sack nicht zu und lädst sie auf ein Date ein? Dann kannst du sehen, ob daraus mehr wird. Was zum Henker hast du gerade zu verlieren? Sind wir mal kurz ehrlich: nichts.
„Hast du Lust auf ein Eis?“, wiederholte Xenia ihre Frage, die sie ihm vermutlich mehrfach gestellt hatte und Zane zwang sich, seine Aufmerksamkeit auf seine Gegenüber zu richten. „Oder hast du bereits etwas anderes vor?“
Eindeutiges Interesse ihrerseits vorhanden. Doch nicht bei ihm. Seitdem Gemma wieder in Deutschland war, hatte er jegliches Flirten eingestellt und sich komplett auf sie fixiert. Keine Chance für eine andere Frau als sie. Und diese eine Frau hatte anscheinend kein Interesse an ihm in dieser Hinsicht. Scheiße.
Denk mal ein bisschen positiver, Zane.
Schöne Scheiße. Besser?
Xenia deutete zu dem Kiosk, nicht unweit von ihnen entfernt.
„Dort gibt es Softeis. Darf ich dir eins spendieren? Als Dank für das Verhindern eines Unfalls.“
Gemmas Laune sank rapide in den Keller. Zane hatte hilfsbereit eingegriffen und das Mädchen vor einem Sturz bewahrt, der vermutlich ziemlich schmerzhaft geworden wäre, unterhielt sich jedoch schon eine ganze Weile mit ihr und es sah nicht danach aus, als würde sich das in nächster Zeit wieder ändern. Nun schien sie Zane etwas zu fragen; musste ihre Frage jedoch zwei Mal wiederholen, ehe er den Kopf hob und die Fremde entschuldigend ansah. Die Rothaarige wiederholte ihre Frage erneut und zeigte mit ihrer rechten Hand auf den kleinen Kiosk.
Sein Blick folgte ihrem Fingerzeig und er schien sich unschlüssig zu sein, was er tun sollte, denn seine sinnlichen Lippen bewegten sich keinen Millimeter. Als Gemma dachte, er würde überhaupt nicht mehr reagieren, da er schon wieder in seine Gedankenwelt abgetaucht war, schüttelte er seinen Kopf und erwiderte nun doch etwas. Redhead zog einen kleinen Schmollmund und legte eine Hand auf Zanes Oberarm, knapp unterhalb des Stoffs, welcher seine Schultern und auch einen Teil seiner definierten Oberarme bedeckte. Ein unruhiges Kribbeln machte sich in ihr breit und sie hätte fast laut geflucht, als die Hand auf seinem Oberarm in Richtung seines Brustkorbs wandern wollte.
Ohne darüber nachzudenken fuhr sie, als hätte sie all die Jahre nichts anderes getan, auf die beiden zu und bremste – in grenzenloser Anmut – genau zwischen Zane und der Unbekannten. Diese Position führte dazu, dass die Hand der anderen von seinem Arm rutschte und Gemma lächelte vor Erleichterung, ehe sie sich zu Zane drehte, der sie verwirrt ansah, ihre Arme um seinen Nacken schlang und ihn vorsichtig zu sich herunterzog, damit sie seine Lippen mit einem leidenschaftlichen Kuss erobern konnte, der ihre Haut zum Prickeln brachte und ihr Herz losgaloppieren ließ. Ohne zu zögern hatte er sie in seine Arme gezogen und hielt sie sicher auf den Beinen. Leise und zufrieden seufzend lehnte sie sich etwas näher an ihn und seine Arme legten sich noch ein wenig fester um ihre Taille.
Zane wusste nicht wie ihm geschah, als Xenia plötzlich wie zufällig auf Tuchfühlung gehen wollte und setzte zu sprechen an, um ihr zu sagen, dass er kein Interesse an einer Vertiefung ihrer Bekanntschaft in dieser Art hatte, als auch schon Gemma zwischen ihnen stand und ihn regelrecht als den ihren markierte, was ihm die Luft aus den Lungen presste, während ihre Zunge vorwitzig um Einlass in seinen Mund bat, den er ihr bereitwillig gewährte. Die Atmosphäre hatte sich spürbar verändert und Zane wusste, er war für immer verloren. Alles was jetzt noch fehlte, war ein Vertrag, welcher es schwarz auf weiß besiegelte.
Ihre Münder trennten sich wenige Millimeter voneinander und er lehnte schwer atmend seine Stirn gegen ihre, hielt dabei seine Augen geschlossen und versuchte ruhiger zu atmen, damit sein Herzschlag sich wieder ansatzweise normalisieren konnte. Ihre Lippen berührten erneut die seinen. Diesmal sanfter, zärtlicher; wie ein Hauch und er hörte sich unterdrückt stöhnen. Ohne großartig zu überlegen, ließ er eine Hand in ihren Nacken wandern und hielt sie so behutsam in Position, damit diesmal er die Führung übernehmen und Gemmas Mund hitzig erobern konnte. Sie standen auf Skates, mitten im Prinzenpark und knutschten wie zwei Teenager herum, doch es war ihnen egal.
„Gem…“, raunte Zane heiser an ihren Lippen, als sie beide nach Atem rangen und sah sie aus dunklen, funkelnden Augen verlangend an, während er mit seinen Händen sanft ihr Gesicht umfing.
„Bitte sprich wieder mit mir“, wisperte sie und ihr warmer Atem streifte seine Lippen. „Ignoriere mich nicht weiter… es tut mir leid. Ich hätte…“
Ein kleiner, schon fast unschuldiger Kuss traf ihren Mund und sie seufzte überrascht auf.
„Ich habe dich nicht ignoriert, Gem. Na gut… fast nicht“, sagte er und korrigierte sich mit einem jungenhaften Grinsen, als sie anklagend eine Augenbraue hob. „Ich hatte dich immer im Blick.“
Gemma löste sich ein winziges Stück von ihm und sah dorthin, wo bis vor kurzem noch die kleine Rothaarige gestanden hatte, fand sie jedoch weder dort noch woanders vor und konnte sich ein kleines, zufriedenes Schmunzeln nicht verkneifen, was auch Zane nicht verborgen blieb.
„Wo ist sie hin?“
„Wer?“, fragte er betont ahnungslos und stieß in Gedanken eine Siegesfaust in die Luft, weil Gemma ihm gerade gezeigt hatte, dass sie auf Xenia eifersüchtig war.
„Die kleine Rothaarige, die bei dir stand.“
„Ach die“, meinte er und zog das letzte Wort ein bisschen in die Länge. „Keine Ahnung, ich war gerade mit etwas viel aufregenderem beschäftigt, um ehrlich zu sein.“
„Mit was denn?“, hakte sie in gespielter Überraschung nach und sah ihn zu ihm hoch.
„Oh, mich hat eine sehr, sehr… sehr…“, raunte Zane mit einem verführerischen halben Grinsen und beugte sich näher zu ihr herunter. „… heiße Blondine einfach so zu sich heruntergezogen und mich fast mit einem feurigen Kuss vernascht. Und das mitten im Skater Park. Man muss sich das Ganze mal langsam auf der Zunge zergehen lassen.“
„Auf der Zunge sagt du?“, schnappte sie seinen letzten Satz interessiert auf und sah auf seine Lippen. „In etwa so?“
Ihre Hände schoben sich hauchzart an seinem Kiefer entlang, bis ihre Daumen an seinen Ohren ankamen, umfassten sanft sein Gesicht und dann küsste Gemma ihn, wie Zane es noch nie erlebt hatte. Es war wie eine Offenbarung für ihn, von der er nicht mehr gehofft hatte, dass er sie erleben würde. So küsste keine Frau, die keine tieferen Gefühle für den Mann empfand, den sie gerade am Wickel hatte.
Seine Gem war mit absoluter Bestimmtheit alles andere als abgeneigt.