Christina alias Sonja kannte keine Regeln. Oder besser: Sie machte sich ihre Regeln selbst. Sie war eine sehr disziplinierte Frau, sonst hätte sie ihren Status nie erreicht. Hatte sie eine Regel für sich ausgesprochen, so befolgte sie diese auch ausnahmslos. Gut, sie hatte schon einmal ans Aufhören gedacht, war aber dann zum Schluss gekommen, dass sie sich erst nach ihrem Dreißiger zur Ruhe setzen würde, welcher ja nicht mehr allzu fern war.
Sie würde unter ihrer Originalidentität ein angenehmes sorgenfreies Leben führen können und sich vermutlich auch einen Partner suchen. Sie fand, sie hätte sich dann ein angenehmes, ruhiges Leben verdient. Sollte sie sich vorher in jemanden verlieben, womit sie aber nie gerechnet hatte, würde sie, falls ein Auftrag vakant wäre, diesen als ihren Letzten, präzise zu Ende führen und sich dann ins Privatleben zurückziehen, um diese Beziehung in Liebe führen zu können.
Was aber, wenn der mögliche Partner ausgerechnet ihr Mordopfer sein sollte...?
Josef hatte, als Sonja gestürzt war nicht im entferntesten an eine Affäre oder gar mehr gedacht. Erst bei ihm zu Hause wurde ihm klar, was für eine attraktive Person da seine Hand umklammerte, sich an ihn lehnte und ganz offensichtlich seine Nähe suchte. Sonja hatte ihn absolut professionell heiß gemacht. Das hatte zur Folge, das er wirklich scharf auf sie war, aber dieses liebevolle Gefühl, mit dem er sie betrachtet hatte, als sie mit geschlossenen Augen auf seiner Couch gelegen hatte, war einem mehr sexuellen Verlangen gewichen. Dieses hatte er schon lange nicht mehr derart intensiv gespürt, aber vor einer Beziehung mit Sonja, falls sich eine solche ergeben sollte hatte er nun fast ein Wenig Angst... Schon einmal hatte er eine Beziehung aufgegeben, weil seine Freundin ihn betrogen hatte und da ihn Sonja so forsch angegangen hatte, fürchtete er, dass sie nicht unbedingt eine "treue Seele" war und ihn deshalb das gleiche Schicksal noch einmal treffen könnte. Deshalb rief er sich zur Ordnung, sich nicht blind zu verlieben. Das würde ihn allerdings nicht daran hindern zu genießen, was sie ihm bieten würde. Allerdings würde er ihr reinen Wein einschenken. Er würde ihr sicher nicht vorspielen, an einer ernsthaften Liebesbeziehung mit ihr interessiert zu sein. Dazu war er einfach zu anständig. Wenn sie ihn dennoch vernaschen wollte, würde er sich gern ergeben...
Mantodea hatte sich wieder im Griff. Sie würde ihn schon bald zu sich einladen und ihm einen besonderen Abend bereiten. Zwar hatte sie der Anflug echter Gefühle bestürzt, doch ihre Konsequenz und ihre... ja ihre Kaltblütigkeit, die ein Killer nun mal braucht, würden sie nicht vom Weg abkommen lassen: Ein angenommener Auftrag wird unter ALLEN Umständen ausgeführt. Sie hatte ihre Strategie für diesen Auftrag entwickelt und würde nicht davon abweichen. Dazu gehörte eben eine enge Beziehung zum Opfer. Sie würde auf keinen Fall jetzt anders als geplant agieren. Und wenn es zu Intimitäten kommen sollte. Warum sollte sie es nicht genießen. Sie würde ihren Auftrag professionell zu einem erfolgreichen Ende bringen. Sie stellte im Geiste das Abendessen zusammen, das sie ihm kredenzen würde. Da war nur eine Kleinigkeit, die ihr Sorge bereitete... Sie freute sich insgeheim darauf, in wieder zu sehen!