Ich bin nicht deine Feindin, Mädchen... Aber ich trage Verantwortung für dich... Dennoch, Christina, möchte ich, dass du mir glaubst, dass ich dich gern habe und du sollst wissen, dass ich dich täglich in mein Gebet einschließe..."
Klar und deutlich hatte sie Annas Gesicht vor sich gesehen und auch die Worte verstanden, bevor sie neuerlich erwachte. Diese Worte, die sie auch damals akustisch sehr wohl verstanden hatte, standen nun plötzlich in einem völlig anderen Licht. Sie hatte Anna damals kein Wort davon geglaubt... Doch nun schienen Annas Worte eine andere, eine klarere Bedeutung erlangt zu haben...
Auch hatte sie das Gefühl, zum ersten mal die Güte, das Mitgefühl in Annas Gesicht erkannt zu haben, als sie ihr Gesicht kurz vor dem Aufwachen vor sich gesehen hatte.
Christina löste sich vorsichtig aus Josefs Armen, die sie von hinten umschlungen hatten. Behutsam entglitt sie der Umarmung, um ihn nicht zu wecken und Frühstück zu bereiten. Schon fast an der Tür wandte sie sich noch einmal um, um ihren schlafenden Prinzen anzusehen... "Du betrachtest ihn genauso begehrlich, wie er dich vor wenigen Tagen..." erkannte sie "Du bist bei weitem erbärmlicher als er es je war, MANTODEA!" Mit einem flauen Gefühl schlich sie in die Küche.
Der Fischer Michl war inzwischen fertig mit seiner Arbeit an den Netzen. Er legte das angebundene Ruder aus dem Wasser auf den Bootsrand und warf den kleinen Außenbordmotor an. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, steuerte er aber nicht seine "Schefhüttn" an, sondern tuckerte in Ufernähe zur Hotelbaustelle. Was von der Straße nicht zu sehen war, offenbarte sich hier vom Boot aus in vollem Umfang. Unzählige Kubikmeter Beton waren hier in den See verbracht worden, das natürliche Ufer auch unter Wasser auf einer Länge von über hundert Metern einfach mit Beton zugeschüttet, um dem Hotelgast auf der pompösen Seeterrasse überteuerte Kost servieren zu können. Selbst auf die rudimentärsten Vorschriften war hier buchstäblich gepfiffen worden. Wohl nach dem Motto: Wenn alles fertig ist, weiß sowieso keiner mehr, wie es hier mal ausgesehen hat...
"Und mir Deppen lassen uns mit unsinnige Vorschriften schikaniern! Mit die eingeborenen kloan Oaschlecha kann ma des ja macha!" Unbändiger Zorn überkam ihn. Unzählige unsinnige Vorschriften wurden den Berufsfischern vom Land immer wieder auferlegt. Zumeist von Schreibtischtätern, die nicht einmal die Lokalität kannten, über die sie verfügten. Nur weil sie nach dem Studium irgendwann in die Position gekommen waren, Regeln erlassen zu dürfen, hatten sich erfahrene Fischer mit dem Wissen aus Generationen ihrer Zunft an willkürliche Blödheiten zu halten, während irgend ein Millionär tausende Kubikmeter natürlichen Lebensraumes der Unterwasserwelt ungestraft vernichten durfte! Das konnte und wollte er so nicht stehen lassen!