Ein Jahr später: Nach Peters Selbstmord war zwar in Zusammenhang mit Josefs Tod recherchiert worden, nach nochmaliger Einsicht der beiden Handyvideos und der Zeugenaussagen, ist die Staatsanwaltschaft jedoch zu dem Schluss gekommen, dass es ohne jedes Fremdverschulden zum Tod Josef Brantners gekommen sei. Ein besonders tragischer Alpinunfall, weil der Verunglückte bedauerlicher Weise beim Versuch, einen Selbstmord zu verhindern, in den Tod gestürzt war.
Peter Muhr, der seinen Freitod in einem Abschiedsbrief erklären wollte, wurde posthum an seinem Geständnis von seinem Sohn in gutem Glauben daran gehindert. Nach Jahren des Missverstehens hatte Harald erkannt, dass es nicht sein Vater gewesen war, der seinen Kindern seine Aufmerksamkeit vorenthalten hatte, es war die nackte Gier seiner Mutter gewesen!
Karl Faber hatte nicht das Problem eines schlechten Gewissens, hatte er doch Sepp noch persönlich gewarnt und dabei auch Einzelheiten genannt, wie die Tatsache, dass es sich bei dem Killer um eine Frau handeln soll, die unter dem Namen "Mantodea" agiert. Er selbst hat nie realisiert, dass eben sie die angebliche Selbstmörderin gewesen war und glaubt tatsächlich an die Unfallversion. Er lebt heute mit Renate und ihren Kindern zusammen und leitet mittlerweile deren Firma. Eine Heirat sowie eine Fusion ihrer beiden Firmen ist geplant.
Landtagsabgeordneter Josef Brantner sen. hat nach dem Schicksalsschlag den Landtag verlassen und ist nunmehr in Rente. Sein Ruf als korrekter Politiker gilt als wiederhergestellt.
Der Großindustrielle Eduard Jansen hat die Strafgelder aus den Anzeigen quasi aus der Portokasse bezahlt und treibt weiter sein Unwesen im Wohnungs- und Hotelbau. Er kann das bisher erwirtschaftete Geld in diesem Leben kaum mehr verbrauchen und kauft weiter in ländlichen Gegenden Österreichs Grundstücke, wo er deren Gemeinden mit Großbaustellen beglückt. Geld kommt zu Geld...
Christina Kemper alias Sonja Tremer alias MANTODEA atmet heute noch. Unfähig, sich zu artikulieren oder sich in irgendeiner Form bemerkbar zu machen, jedoch verdammt dazu, jede Unahnnehmlichkeit, jeden Schmerz dennoch zu spüren, läuft vor ihrem geistigen Auge ein Film einer Endlosschleife gleich ab.
Immer wieder, Tagaus - Tagein, Monat für Monat, Jahr für Jahr... blickt sie in die schreckgeweiteten Augen ihres so geliebten Opfers, Josef Brantner, bevor er in den Abgrund stürzt, um gleich darauf von ihrer Betreuerin, Anna aus dem Heim, über die Folgen ihrer Uneinsichtigkeit belehrt zu werden.
"Ich bin nicht deine Feindin, Mädchen! Aber ich trage Verantwortung für dich und schon allein deswegen kann ich dein destruktives Verhalten nicht ständig tolerieren, verstehst du das denn nicht?
Du hast die Bibel als Märchenbuch bezeichnet... Nun im weitesten Sinne mag sie das sein, wenn man sie wörtlich nimmt. Man muss schon das eine oder andere Mal zwischen den Zeilen lesen, um zu verstehen, was gemeint ist. Weißt du, Christina, ich selbst glaube auch nicht, dass es eine Hölle oder einen Himmel als geografischen Platz gibt. Ich glaube, dass wir sowohl das Glück des Himmels wie auch die Pein der Hölle noch während unseres irdischen Daseins durchleben... Ein jeder ist seines Glückes Schmied heißt es. Und wenn man erfolgreich ein süßes aber sündiges Leben lebt, so mag man sich wohl eine Zeit lang im Himmel wähnen. Aber glaub mir, Liebes man kann die Hölle auch auf Erden erleben und ich fürchte, du bist prädestiniert dazu, denn du bist unglaublich klug, aber du hast kein Gefühl, kein Empfinden für Gut und Böse. Irgendwann wirst du die Rechnung dafür präsentiert bekommen, dass du auf alle Regeln pfeifst! Wenn du das Gefühl hast, endlich glücklich zu werden, wird der Herrgott dich strafen! Und ich würde dich so gerne davor bewahren, indem ich dich schon zuvor eine Lebensart lehre, die dich vor solcher Strafe bewahren könnte. Doch ich fürchte das wird mir nicht gelingen. Dennoch, Christina, möchte ich, dass du mir glaubst, dass ich dich gern habe und du sollst wissen, dass ich dich täglich in mein Gebet einschließe..."
Die gute Anna hatte immer befürchtet, dass Christina eines Tages bezahlen muss. Niemand weiß, was einst auf ihn zukommt. Mantodea wurde nie entlarvt, nie eingesperrt. Dabei ist es heute keine Strafanstalt, in der sie weilt. Nein es ist viel schlimmer gekommen. Wären ihre Taten je ans Licht gekommen, wäre sie wohl lebenslang in eine Zelle gekommen. Aber es gibt auch eine andere Gerichtsbarkeit, die wohl nicht irdischen Ursprungs ist. Gefangen im eigenen Körper, unfähig auch nur einen Muskel zu rühren, durchlebt sie immer wieder die tragischen Sekunden vor Josefs Tod, gefolgt von den mahnenden Worten ihrer einstigen Betreuerin Anna...
"Weißt du, Christina, ich glaube, dass wir sowohl das Glück des Himmels wie auch die Pein der Hölle noch während unseres irdischen Daseins durchleben..."
Nun, Christina, Dein irdisches Dasein kann noch sehr, sehr lange dauern... "lebens-lang"...