Auch wenn ihre Liebschaft über zwanzig Jahre zurücklag, er kannte sein Mädel gut. Die Träne, die eben ihren Augenwinkel verlassen hatte, war zweifellos echt! Und der kühle arrogante Zug, der für gewöhnlich dieses hübsche Gesicht beherrschte, war verschwunden...
Sollte es ehrliche Scham sein, ehrliche Reue, die sie eingeholt hatte? Bei Gott, sie war wunderschön mit ihrem dunklen langen Haar und ihren rehbraunen Augen, die ihn noch selten so offen, so ehrlich gefragt hatten...
Er war versucht, ihr diese Träne vom Gesicht zu küssen. Sie spürte das und hoffte so, dass er es täte...
Sonja war hin und weg von der Location, die Sepp für einen gemeinsam erlebten Sonnenuntergang für sie gewählt hatte. Teufel, war der Typ perfekt! Warum hatte sie ihn nicht kennenlernen dürfen, bevor er sich Feinde gemacht hatte? So sehr sie die gemeinsam erlebten Stunden genoss und so sehr sie sich wünschte, eine Lösung zu finden... sie war kurz davor multiple Persönlichkeitsstörungen zu entwickeln! Mal war sie Mantodea, mal das liebende Weib, das ihren Geliebten vor jeder Gefahr schützen wollte. So, wie sie nachmittags auf dem Schober an ihm gelehnt hatte, saß sie auch jetzt zwischen seinen Beinen und lehnte an seiner Brust. Das fühlte sich einfach fantastisch an. Sie konnte sich nicht erinnern, sich je in Gesellschaft einer anderen Person auch nur annähernd so wohl gefühlt zu haben.
"Was war das denn grade?"
"Ach vergiss es Sonja! Ich muss mich selbst über mich ärgern, dass ich das Scheiß Handy selbst im Jogger einstecken hab! Idiot!"
"Geh doch ran, Sepp! Vielleicht ist es wichtig!"
"Wichtig ist, dass du im Gleichklang mit mir, den Sonnenuntergang erlebst! Die Farben die die Sonne auf den See wirft, kurz bevor sie untergeht, sind einzigartig."
"Es hat aufgehört zu vibrieren, Sepp, aber ich spür grad was anderes hinter mir, was Hartes!" flaxte sie.
"Wenn eine so sexy Frau an einem Mann lehnt, kann das Ding nicht lange weich bleiben! Tut mir leid, Sonja! Ich bin auch nur ein Mann, weißt du?"
"Und was für einer! Ich werd dich heute schon noch weich kriegen! Und wenn es die ganze Nacht dauert! Das ist ein Versprechen, mein Prinz!"
Renate war drauf und dran, die Augen zu schließen. Hatte sie es geschafft? Hatte er ihr vergeben? Würde er seinem Verlangen nachgeben? Sie wusste: Er spürte dieses Verlangen nicht weniger als sie...
"Ich fürchte fast, ich hab dir schon vergeben, mein Mädel... aber ich weiß nicht, ob das wirklich gut ist..."
"Ich spüre es Karl! Ich spüre, dass du mich gerne küssen würdest... Und ich weiß genauso gut wie du, dass sich das nicht schickt! Ich schäme mich sogar dafür, aber alles in mir schreit: Tu´s doch!"
Karl wischte mit dem Daumen eine Träne aus ihrem Gesicht und sah ihr tief in die Augen...