Michl begleitete Josef noch zu seinem Auto.
"Ach ja!" fiel ihm plötzlich ein, "Die hier wirst du brauchen! Nach der Anzeige hätt ich sie gern wieder für die Unterlagen des Gutachtens."
Sepp reichte Michl die SD-Karte aus der Kamera und setzte eine neue ein.
"Danke Sepp! Jetzt hoatz ma dene Briada moi ein!"
Es war etwa halb acht, als Josef den Weg nach Hause einschlug. Er hatte ein paar Sekunden mit dem Gedanken gespielt, zu Sonja zurückzukehren... Nun, warum nicht. Er war jetzt richtig wach. Egal, wenn sie sich wieder hingelegt hatte, würde er eben gleich wieder abhauen.
Christina Kemper hatte sich nicht hingelegt! In ihrer Brust schlugen zwei Herzen. Das von Sonja, das ihren Josef unbedingt zur Flucht in eine gemeinsame Zukunft bewegen wollte und sehr hoffte, dass sein Termin in der Krone noch wesentlich dazu beitrug.
Und das der unbarmherzigen Gottesanbeterin, Mantodea.
Noch nie hatte Christina so mit dem Schicksal gehadert. Als Mantodea stand außer Frage, dass es nur noch das Speichermedium aus Josefs Kamera zu Bergen gab, um ihn dann seinem schon lange minutiös geplanten Ende zuzuführen...
Als Sonja musste sie dafür sorgen, dass er sich für sie, zur Flucht mit ihr in eine ungewisse Zukunft entschied, wobei es eine Weltreise ja auch getan hätte. Diese blöde Baustelle! Davon musste sie ihn unbedingt fernhalten...
Doch da meldete sich Mantodea wieder... Der Auftrag ist auszuführen wie geplant. Wo war ihre Disziplin geblieben? Die Perfektion, mit der sie noch jeden Auftrag perfekt erfüllt hatte? Sie hatte einen Ruf zu verlieren!
"Karl hatte eben mit Renate telefoniert und ihr gesagt, dass er bald kommen würde. Als er geläutet hatte, öffnete Natalie im Schlafmantel.
"Oh! Guten Morgen, Natalie! Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht wecken. Ich muß mit deiner Mutter nach Salzburg fahren."
"Hast du nicht, ich war schon wach. Komm rein und trink einen Kaffee mit mir. Mama ist noch nicht fertig."
"Gern, danke."
Sie führte ihn in die Küche und wies ihm einen Stuhl zu. Dann hantierte sie an einer Espressomaschine.
"Milch, Zucker?"
"Von beidem ein Wenig, bitte."
"Passt das, wenn ich dir ganz formlos so ein Heferl gebe, wie ich es hab?"
"Aber natürlich! Mach dir bloß keine Umstände."
Sie gab ihm ein Heferl mit duftendem Kaffee und stellte ihm einen Teller und ein Buttermesser hin.
"Ich hab Semmeln aufgebacken. Aufgebacken mag ich sie am Liebsten, nur mit etwas Butter. Du magst doch sicher auch eins oder?"
"Wenn du mich schon so verwöhnst, sag ich nicht nein. Das ist lieb von dir, Natalie, danke!"
Sie saßen sich gegenüber und strichen ihre Brötchen.
"Sie hat keine Ahnung, dass es ihr Vater ist, den sie so lieb bewirtet..." dachte er.
"Er hat keinen Schimmer, dass ich es weiß!" war ihr Gedanke.
Die Tür ging auf und Renate kam herein.
"Natalie, hast du... Oh, Karl! Du bist schon da! Bleib doch sitzen bitte! Natalie, warum hast du mir nichts gesagt?"
"Weil du noch nicht fertig warst. Und weil Karl auch mit mir frühstücken kann. Zumindest hatte ich nicht den Eindruck dass es ihn stört, oder Karl?"
"Absolut nicht. Ich befinde mich in charmanter Gesellschaft, Renate."
Sie setzte sich nun zu ihnen. Sie wusste nicht recht was Natalie vor hatte. Es war ein sonderbares Gefühl. Karl entschuldigte sich und fragte, wo denn die Toilette sei. Dann verließ er kurz die Küche.
"Und?"
"Ich glaube, er ist ein netter Kerl. Soll Ich ihm sagen, dass ich es weiß?"