"Eigentlich hab I mein Buam immer unterschätzt!" murmelte der "alte" Brantner. Die beiden Gemeinderäte waren gegangen und er saß bei einem Glas Bier noch immer vor dem Haus. Er hätte nicht geglaubt, dass dieses, im Zorn begonnene Gespräch heute Morgen, nun im Nachhinein doch so aufschlussreich sein könnte. Sepp hatte völlig Recht gehabt. Mag sein, dass seine Wortwahl etwas grob ausgefallen war, aber schließlich kommt es immer so aus dem Wald zurück, wie man hineinplärrt!
"Is a Zeichen, dass er Charakter hat, der Bua! Der is ehrlich gnuag, dass er geg'n jeden sei Recht vertritt. Und wenns der eigene Vater is..."
Die eine oder andere Aussage, die sein Sohn heute morgen getroffen hatte war nicht zu dementieren. Und dass es für ihn so aussehen musste, als hätte der Senior hier unlauter seine Hände im Spiel gehabt, verstand dieser nun auch. Er war einfach zu gut gewesen... Sein Leben lang! Er hatte sich wirklich nie bereichert. Er hatte sich jedes Mal gefreut, wenn sich ein Gemeindebürger freudestrahlend bei ihm bedankt hat. Danach war er süchtig geworden und hatte sich plötzlich für jeden engagiert. Es war so schön gewesen, mit ein Wenig Fürsprache den Leuten sonst unerreichbare Lösungen bringen zu können. Allein die Sache mit der Dornbäuerin, diese große Dankbarkeit einer verzweifelten Witwe, hatte ihn auf diesen Weg gebracht. Aber wie sollte er das seinem Sohn erklären? Er hätte sich schon gewünscht, dass der Sepp ihn verstehen könnte. Er hatte wirklich nie aus Habgier oder ähnlich verwerflichen Gründen gehandelt. Und er wusste nun, dass er seinem Sohn nie mit dem ihm gebührenden Respekt begegnet war. Und das wollte er nun nicht mehr so stehenlassen! Er musste noch einmal mit seinem Sohn darüber reden und er würde dieses schiefe Bild nun endlich gerade rücken...
Sonja hatte das Gefühl, ihr Herz bliebe stehen! Tausend Dinge schossen ihr durch den Kopf. Sie hatte sich gerade in eine prekäre Situation gebracht. Sollte sie ihm etwas von Spionage oder Geheimdienst erzählen? Dass sie nun endlich aussteigen wolle, dazu aber Europa verlassen mußte? Dass sie Agentin sei und darüber informiert worden sei, dass für ihn ein Mordauftrag existiere? Dass sein Leben in extremer Gefahr sei und nur die Flucht nach Übersee ihn retten könnte?
"Sonja... bist du diese Frau?" hallten seine Worte in ihrem Kopf nach und sie konnte seinem Blick nicht ausweichen...
Alles in ihr schrie förmlich danach ihm die Wahrheit zu sagen, zumindest den Großteil der Wahrheit! Aber eine halbe Wahrheit ist oft viel schlimmer als eine ganze Lüge... "Ja!" hätte sie so gerne gesagt, "Und wenn du nicht mit mir gehst musst du sterben! Aber das darfst du nicht, weil ich dich liebe...!"
Doch sie spürte, dass er ihr nicht glauben würde! Noch nicht glauben würde! Aber sie würde diese Schiene weiterfahren, bis er sich selbst in Gefahr wähnte...
"Aber Sepp!" sagte sie schließlich, "Wie kommst du denn da drauf? Das war natürlich eine fiktive Person! Ich wollte nur gerne wissen, ob du aus Liebe auch mal über deinen Schatten springen würdest? Ach vergiss es bitte! Ich träum mich da in einen Blödsinn hinein..." Sie küsste ihn ganz unvermittelt, "Verzeih, Sepp! Ich bin nur einfach ganz verrückt nach dir..."