Ich wollte nicht jammern. Das ich es jetzt doch tat, lag an dieser verdammten Wurzel, an der ich meinen Knöchel verstaucht hatte. Wir waren auf Virgin. Nachdem die Mannschaft für unseren großen Sprung in das Auge des Feindes feststand, bestand der Rat der Föderation noch darauf, dass wir alle fit waren.
Gnuna und die Kleinen war ausgeschlossen. Sie waren jedoch die einzigen. Alle anderen mussten ran. Neben mir lag eine Frau mit dem Namen Red im Gras und meinte nur, dass wir alle verrückt seien. Die junge rothaarige Reporterin, die mich für die Marsnachrichten interviewt und die ich abgeworben hatte, war die letzte, die in die Crew gekommen war. Auf eine Art ersetzte sie Ines. Aber auch dann wieder nicht. Als sie an Bord kam, gab es zwischen den wilden und den kollektiven Miniyanern einen heftige Diskussion: Wer durfte die neue besiedeln. Ich fragte unsere kleinen Symbionten dann, ob sie Red gefragt hätten, ob sie das überhaupt wolle. Danach hatten diese ihre besten simulierten Katzenaugen in der Mitte eines fliegenden Emojis demonstriert. Niemand kann diesen Augen widerstehen, auch wenn sie nicht echt sind.
"Ich nehme beide", beschloss Red, die in Wirklichkeit Patricia Redstone hieß, aber Juliet führte sie als Red in die Familie ein. Das sie eine Vorliebe für rote Kleider und dazu echte rote Haare hatte, tat ihr übriges. Auch ihr wieder verjüngter Bruder und ehemaliger Kameramann hatte diese roten Haare und war der Schwarm aller geflügelter Frauen auf White. Er kam nicht mit auf die Mission. Er musste noch drei Behandlungen über sich ergehen lassen, um seine körperliche Uhr, die durch seine Tätigkeit als Bergmann auf den alten Kälteschlafschiffen und dem Flug zum Neptun stark vorgedreht war, zurück zu drehen. Red war über seine Abwessenheit nur ein kleines bisschen traurig.
Im übrigen war sie bei weitem nicht die einzige Rothaarige an Bord. Mia und Bexie kamen nun schon zum zweiten Mal an uns vorbei. Sie sahen beide topfit aus und lachten verspielt über uns. Bexie hatte den Trainingsplan ausgearbeitet. Dass sie ihn auch schaffen würde, war daher selbstredend. Als sie gut weg war, kam meine Frau. Sie hatte ein Medikit dabei.
"Wer ist an erster Stelle?", fragte ich sie beiläufig, als sie mir und Red Kühlgel auf die wunden Knochen schmierte.
"Tre", grinste sie. "Sie hat ja Heimvorteil. Macht sich bemerkbar."
"Ich habe sie noch nicht vorbeikommen sehen."
"Du denkst ja auch nur an den Boden. Sie schwingt sich durch die Bäume. Juliet hat versucht, sie nachzuahmen. Hätte sich beinahe alles gebrochen, wenn ihre Miniyana nicht eingeschritten wären."
"Deine Familie ist ein verrückter Haufen", bemerkte Red in ihrem roten Trainingsanzug.
"Dann pass auf, dass sich nicht einer meiner Kinder in dich verkuckt", bemerkte Alice. "Wir Parkers sind sehr schnell bindend."
"Den Eindruck hatte ich schon im Interview. So einen treuen Mann wie deinen würde ich mir wüschen."
"Du würdest es dir überlegen, wenn du von den körperlichen Schmerzen bei einer Trennung oder einem Verrat wüsstest."
"Das ist so schlimm?", wollte Red neugierig wissen.
"Schlimmer", stellte ich fest und Alice nickte. "Und das mit dem Nest ist fast genauso schlimm."
"Eure Bindung zu euren Kindern. Die schon selber Familie haben. Ich werde das wohl nie verstehen."
"Das sagt die, die sich für ihren Bruder dreißig Jahre in Stase versetzt hat."
"Er ist der letzte meiner Familie."
"Jetzt multipliziere deine Sorge, die du für deinen Bruder empfindest mal tausend und dann hast du die Nestbindung."
Red legte sich wieder auf den Rücken und sah in den Himmel mit den zwei Monden.
"Was würde passieren, wenn einer von euch diese Prüfung heute nicht besteht?"
"Dann bleiben wir alle in Neuköln", sagte Juliet, als sie aus dem Dickicht trat. "Mama? Ich brauche etwas von deiner Salbe, ich habe mal wieder daneben gegriffen."
"Du solltest mir nicht folgen, Juliet", bemerkte Tre, die nun auch aus dem Urwald hüpfte.
"Welche Runde?", fragte ich.
"Fünf, denke ich."
"Und ich bin noch immer bei der ersten", stöhnte Red. "Ihr werdet mich zurücklassen."
"Wir lassen niemanden zurück", stellte Juliet fest. "Zur Not bekommst du einen Aufpasser, wie Gnuna und die Kleinen."
"Aber immerhin bist du besser als Tekau. Die hängt am ersten Hindernis fest", stellte Alice fest.
"Der Sumpf?", fragte Tre zweifelnd. "Sie kann doch schwimmen."
"Dachte sie auch, aber sie hat sich restlos in den Pflanzen verheddert."
Ich richtete mich mühsam auf und humpelte Richtung Sumpf.
"Wo willst du hin?", wollte Red wissen.
"Zu Tekau. Wir lassen niemanden zurück."