Wir waren gerade mit einem Gleiter auf dem Weg vom Land der Mutter zum Raumhafen, da spürte die ganze Familie eine Art ziehen. Das passierte immer, wenn sich jemand zu weit vom Nest entfernte. Alice horchte in sich hinein, als auch schon Mia über Funk nach uns rief:
"Juliet ist weg."
Na toll, dachte ich.
"Sind irgendwelche Schiffe nach Mech in den letzten Stunden abgeflogen?"
"Nein. Der einzige Start war dieser Republikfrachter."
"Welcher Republikfrachter?"
"Der hier am Tag vor Freyas Geburt gelandet ist. Da war so eine Menschenfrau aus deinem Land und so ein alter Typ, der wie eine Krokodil mit Kürzerer Schnauze aus sah, drauf. Die hatten ein anderes Mädchen dabei, dass jetzt bei Eli wohnt und ziemlich durch den Wind ist. Die starrt immer wieder total benommen in der Gegend rum."
Benommen, dachte ich bei mir und dachte an den Kontrollchip.
"Wie heisst die? Sag den Kindern, die sollen die mit ihren Datenbanken abgleichen."
"Diese Pia, die Frau, die wieder wegflog, hat Zero so einen Kristall gegeben. Da ist die mit drauf. Und noch weitere 1692 Menschen. Aber der Datensatz ist beschädigt. Sie hat gesagt, wir sollen die Retten."
"Okay, ich denke nach. Mia? Alle sollen sich fertig machen, wir werden so schnell wie möglich starten."
Ich legte auf. Ich hatte ein mieses Gefühl. Ein ganz mieses. Wenn dieses Mädchen bei Eli einen Chip trug, dann war die ein Spion. Alice sah mich an und stimmte mir zu. Die Miniyana von Freya legten wie automatisch wieder einen Kokon um sie und schirmte damit deren Energie komplett ab. So erreichten wir den Raumhafen, wo wir Freya in die Hydra-Terra brachten. Auch Mutter und Gnuna stiegen ein, gefolgt vom Volk der Mutter. Kurz nach uns trudelten aus allen Himmelsrichtungen die anderen ein.
"So ernst?", fragte Nick.
"Juliet ist verschwunden. Ein Mensch ist mit Kontrollchip bei Eli, mein Bruder hockt noch immer auf Parker Island. So ernst."
Nick schaute grimmig zu einigen Tanks am Ende des Flugfeldes. Ich folgte dem Blick.
"Die Menschin von dem Schiff hat uns so ein Zeug vom Gasriesen holen lassen. Jetzt haben wir schon wieder so einen aktiven Bohrturm von denen im System. Chimea sagt, die Frau sei gefährlich. Eine Wächterin, das Echsenwesen ein Söldner und der Frachter ein Kriegsschiff. Zero widerspricht, aber nur bei der Menschin."
"Könnte Juliet bei ihr an Bord sein?"
Nick zuckte mit den Schultern. Ich dachte, wo ist Freyas Vater wenn wir antworten brauchen.
"Zwischen Sternen er fliegt", hörte ich es im Äther wispern. "Den Supraum er sucht."-"Die Schwingungen der Masse."-"Die Löcher im Gefüge."-"Das WIR hilft ihm."-"Das andere."-"andere."
Wir brauchten dringend mehr von ihnen, wenn wir sie unsere Systeme schützen lassen wollten. Der Spion in unserem Nest zeigte, die Schonfrist war vorbei. Der Feind hatte den nächsten Schritt getan. Wir waren wieder am Zug. Und über allem wuchs die Sorge um die immer weiter sich entfernende Juliet.
Da fiel mir Red auf. Die packte in aller Seelenruhe für sich und Juliet die Koffer in die Hydra-Terra.
"Red?" Sie fühlte sich sofort ertappt. "Wo ist Juliet?"
"Sie fliegt mit denen zur Erde. Eine Undercovermission."
Zur Erde, dachte ich. Verdammt. Ich muss mit Henry reden.
Henry versuchte den nächsten Tag heimlich etwas über seine Kanäle heraus zu bekommen, aber auf der Erde hatte niemand etwas von einem Schiff gesehen, wie es auf unseren Bildern von der Raumüberwachung zu sehen war. Dafür bekamen wir andere Aussagen. Wenn ein solches Schiff dort auftauchen würde, würden sie es sofort vom Himmel schießen. Henry sah sich das Schiff auf den Fotos daraufhin genauer an.
"Das sind Geleitschutzschiffe. Denen habe ich meine größte Niederlage und die längste Zeit in einer Stasekapsel zu verdanken", erzählte er grimmig. "Sechsundzwanzig Jahre eingefroren und alleine in einer Rettungskapsel, bis ich durch Zufall von einem Schiff der Parker Mining Coop gefunden wurde."
Deswegen hatten wir also bei dem alten Konteradmiral noch etwas gut.
"Was Juliet angeht, können wir nur warten", führte er fort, was wir dann auch zwei Tage taten. Als sie dann freudestrahlend aus dem Kriegsschiff des Feindes stieg, stellte Alice sie sofort zur Rede.
"Wenn es länger gedauert hätte, hätte ich mir ein Shuttle genommen", entschied Juliet zur Verteidigung.
"Auf der Erde? Wir haben da noch immer Landeverbot", schimpfte meine Frau.
"Ich hätte die Firma angerufen."
"Die hat auch kein Landeerlaubnis, Juliet. Nur weil wir als Diplomaten in unserer Föderation Freizügigkeit bekommen, heisst das nicht, dass es bei jedem so ist. Und dann auch noch bei denen mitfliegen."
"Denen sind voll in Ordnung. Pia ist eine von uns."
"Und wer ist uns?"
"Eine freie Seele. Wir sind nicht mehr an Planeten gebunden, Leben auf Raumschiffen und besitzen die Kräfte."
"Und sind ein Abenteuer wert?", fragte Alice nicht ohne einen Seitenblick Richtung Red, die nun auch dazu kam. Die küsste Juliet heiss und innig. "Na, Süße? Wie war deine erste Recherche?"
"Lies es in meinem Geist", forderte Juliet sie auf.
Red wollte zu ihrem Traumstein greifen, aber Juliet hielt sie auf. "Das geht auch ohne."
"Du warst unanständig", stellte Red nach kurzer Konzentration fest. "Das sind wirklich die Eltern dieser Frau?"
Das lenkte unsere Aufmerksamkeit zu dem Paar im Alter von Eli und Andrew. Die standen etwas verloren auf der Landebahn, auf der sie von dem Grünen Vogel mehr oder weniger abgeworfen worden waren.
"Das ist in gewisser Weise auch unsere Versicherung, sang Juliet auf katzanisch. "Pia wird so mehr dafür tun, dieses System vor ihrer neuen Heimat zu schützen." Auf deutsch setzte sie nach. "Sie haben alles für ihre Tochter geopfert, um sie auf eine Kolonie zu schicken. Sie hatten die Hoffnung, dass sie nach dem Krieg auf der Erde neu anfangen könnten, aber es hat sie niemand geweckt. So waren sie etwas genauso lange in der Stase wie du, Papa. Sie heißen Christian und Luisa Schneider und sie fremdeln ein wenig. Das ist auch verständlich. Immerhin wurde ihre Tochter von Außerirdischen versklavt und ihre Welt von den selben ausgeplündert und in Brand gesteckt. Alle, auf die wir trafen, waren ja einst ja auch so. Er ist Mechatroniker und hat für sich und seine Frau die Stase gebaut. Seine Frau ist Psychologin. Da hat Pia ihre Stärke her. Und nebenher auch ihre Kräfte. Ihr ist das nur nicht bewusst."
"Aha", sagte ich und grinste wieder. Juliet war wieder wie früher. Neugierig, Abenteuerlustig und Redefreudig.
"Ich denke, wir schicken die Beide in die Schule."
"Zum Lernen?", fragte Juliet verwirrt.
"Als Lehrer und als Seelenbetreuer", antwortete ich.