Es waren noch zwei Wochen, dass wir beim Rat ankommen mussten, bisher hatten wir mit unseren Shuttles und mit den Hilfe der Flotte der Katzoiden dreißig Systeme angeflogen, um von dort Vertreter und Sprecher ihrer Völker einzusammeln und auch zu überreden, dass die Botschaft keine Falle war, kein Fake und dass wirklich eine Veränderung stattfinden sollte. Die meisten Stadthalter hatten einfach versucht, den Status quo aufrecht zu erhalten. Das hatte mal funktioniert, bis wir ankamen, mal befand sich so ein Planet im Bürgerkrieg, weil sich keine Seite durchsetzen konnte. Menschliche Siedlungen waren von diesem Problem besonders betroffen, aber auch Relanische Kolonien hatten dieses Problem.
Was wir aber auch heraus bekommen hatten, war, dass wohl schon vor des Fall des Gedankenkontrollgeräts für die Gouverneure der einzelnen Gebiete es eine Machtverschiebung beim Syndikat gegeben haben musste. Sagitarius schien sich bei denen nicht mehr zu melden. Und so war aus einer Republikweiten Verbrecherorganisation hunderte geworden, die alle auf eigene Rechnung arbeiteten. Eine von diesen Kleinunternehmen schwebte über Schugabis Welt. Sie wollten uns Wasser verkaufen. Wir nahmen zum Schein an.
Als wir auf dem Weg zur Shuttlerampe waren, stand da Schugabi und auf die Art, wie die ihre sechs Finger pro Hand in einander verdrehte, wusste ich, dass sie mir was sagen wollte und das wohl für sie peinlich war. So hatte sie nämlich auch ausgesehen, als sie mir beichten wollte, dass sie den Zeitplan nicht einhalten könne. Ihren neuen wohl gemerkt, der mit den 45 Stunden unterbot sie um sieben Stunden.
"Schugabi, willst du mit?", fragte ich und sie schüttelte den Kopf.
"Was hast du dann?"
"Wenn ihr da drüben seid, dann erwartet von meinen Leuten nicht so viel."
"Warum sagst du das?"
"Weil", sie knetete weiter ihre Finger. "Weil" sie begann richtig dunkel grün zu werden. "Weil sie alle dumm sind", platzte es schlussendlich aus ihr raus.
"Warum denkst du, dass deine Leute dumm sind?"
"Weil sie die Welt nicht so sehen, wie du und ich oder die anderen auf dem Schiff."
"Schugabi. Nur weil man die Welt anders wahrnimmt, heißt das doch nicht, dass man klüger oder dümmer als anderen ist."
"Sie lassen sich von jedem alles aufschwatzen. Meine Eltern haben mich an die Wächter gegeben, weil die ihnen versprachen, dass ich durch sie schneller zu Ugaba komme und die große Reise beginnen kann. Die anderen haben mir dann gesagt, dass das kompletter Blödsinn sei und dass es sowas nicht geben kann."
"Das bedeutet aber nicht, dass deine Eltern dumm sind. Auch die anderen auf deinem Planeten sind deshalb nicht dumm."
"Aber auch Schumira sagt, dass das alles Blödsinn ist."
"Wann wurde sie entführt? War sie da auch sehr jung?"
Schugabi überlegt und dann nickte sie.
"Willst du mit und herausbekommen, was wahr ist?"
"Darf ich?"
"Ich denke, dass du stark genug dafür bist. Aber ich weiß nicht, was uns da drüben erwartet. Es können auch unangenehme Dinge sein."
"Wir Machtkinder waren auf einem Wächterkreuzer. Wir haben schon zu viel gesehen. Mehr als einer sah, wie die Wächter ganze Dörfer verbrannten, nur um sie zu bekommen. Das Trauma steckte anschließend in der ganzen Gruppe."
Ich fragte mich, ob ich da nicht zu viel schleifen ließ. Aber zuerst ging es ja darum, uns mit dem Typen vom Syndikat auseinander zu setzen. Ich war gespannt, was uns erwartete.
Auf der Station kam uns ein Relaner entgegen. In seinem watschelnden Gang sah ich sofort, dass er sich nicht viel bewegte und wohl seit neustem echte Probleme mit seiner Führung hatte. Er musste wohl plötzlich Dinge selber machen, die seine Diener getan hatten.
"Willkommen reisenden Fremde. Ich darf sie auf Glubschka begrüßen. Dem Planeten der sinnlichen Träumer."
"Ja, danke. Es ist auch schön, hier zu sein."
Der Relaner wollte allen die Hände reichen, stockte aber bei Schugabi.
"Wenn sie schon eine von Ihnen haben, warum bringen sie sie wieder zurück? Ist sie defekt?"
"Nein, sie ist vollkommen in Ordnung. Sie ist so toll, dass ich für meine speziellen Häuser noch mehr davon wünsche."
"Ah ich sehe schon, ihr seid ein wahrer Genießer. Wenn ich euch dann zu unserem Verkaufsraum führen darf, ich habe die schönsten Kinder auf meiner Station." Er trat nah an mich heran. "Die sind so einfältig die Alten, sie sagen, dass es bald so weit sei und je näher ihre Kinder am Himmel seien, um so wahrscheinlicher ist der Aufstieg, können sie das glauben?"
"Nein, wirklich?"
"Sie haben noch nicht mal bemerkt, dass wir ihnen das Wasser abgegraben haben. Eigentlich ist die Welt ja schon geplündert. Die paar Pfützen sind es eigentlich nicht mehr wert, dass wir noch hierbleiben."
"Aber es war lange keiner mehr hier", mutmaßte ich. "Könnte es sein, dass sie vergessen wurden?"
"Ich bin der große Kal'jala. Mich vergisst man nicht."
"Meinen Scanns zufolge sind die Tanks der Station bis zum Rand voller Wasser. Und wenn ich dann überlege, wie wertvoll das Gut ist, dann frage ich mich schon, warum sie noch hier sind. Könnte es daran liegen, dass sie kein eigenes Schiff haben?"
"Was brauche ich ein Schiff, wenn ich die Geschöpfe der Liebe habe."
"Pff", machte Schugabi hinter mir. "Ich sag doch, dumm. Wenn sie sich mit sowas abgeben. Hast du mal seine Gedanken gesehen? Der denkt, dass er mit dem kleinen Ding bei etwas zur Fortpflanzung beitragen könnte. Der hat ja sowas von keine Ahnung."
"Bitte?", der Relaner sah an mir vorbei. "Sie haben ihr Sprache beigebracht? Das verdirbt doch den Traum. Sie träumen nicht mehr, wenn sie sprechen. Jeder weiß das."
"Ich habe sie so bekommen", sagte ich. "Ich finde sie so eigentlich genau richtig."
"Dann mein Freund, hat man sie über den Tisch gezogen. Lassen sie mich ihnen die wahre Schönheit präsentieren. Sagen wir für 5000 Tausend Kredits?"
"ich halte 100 für angemessen", stellte ich fest. "Für 5000 bekomme ich derzeit einen Republikplaneten, seit die Macht der Gedankenkontrolle gebrochen ist."
Ich sah bei dem Mann Verwirrung.
"Sagen sie nicht, dass ihnen nicht aufgefallen ist, dass ihr tolles Gerät nicht mehr funktioniert." Ich ging um den Relaner herum. "Ach stimmt, bei ihnen war man ja gründlich, sie haben den Chip in sich."
Er griff sich in den Nacken und tastete herum. Da war nicht, er hatte keinen Chip. Aber es war toll, seine Unsicherheit zu sehen. Rooo hatte in der Zwischenzeit einen Besuch in seiner Kommandobrücke hinter sich und baute sich nun neben mir auf. Er reichte mir einen Kristall, den ich in ein Lesegerät steckte.
"Sie sind der letzte an Bord. Sie haben zwei Millionen Tonnen Wasser in den Tanks und zwanzig minderjährige Sklavinnen. Sie versuchen seit einem Monat Kontakt mit dem Syndikat aufzunehmen und sind eigentlich den Daten nach der Techniker für die Pools. Verraten sie mir, warum ich ihnen auch nur irgendetwas abkaufen soll?"
"Wie kommen sie an die Daten? Die Verwaltung ist versiegelt."
"Und er versucht da scheinbar genau so lange auch reinzukommen", grinste Rooo.
"Okay, nimm den Kerl und pack den in eine Rettungskapsel. Wir sind ja keine Relaner, die unverkaufte Sklaven verramschen."
"Nein, nur das nicht. Die Kapsel landet auf dem Planeten."
"Also bei den Träumern. Dann sind sie ja da, wo sie immer hinwollten, oder?"
Ich winkte und Rooo steckte den zappelnden Poolboy in eine Kapsel, die sofort gestartet wurde.
"Können wir von hier auch das Wasser ablassen?", fragte ich Rooo, doch der schüttelte den Kopf. "Dann sollten wir die Station vielleicht runterbringen. Die brauch doch sowieso keiner mehr."
Schugabi war in der Zwischenzeit zu einer Tafel gegangen, wo man die einzelnen Bereiche sah. Sie zeigte auf ein Zeichen, dass einem Pool ähnelte.
"Dort befinden sich die Dummen."
Ich gab auf, sie von etwas anderem zu überzeugen und folgte ihr zu dem Pool. Es stellte sich heraus, dass nicht ein Pool war, sondern viele kleine. In jedem Becken befand sich eine kleine Schugabi, aber auch wieder nicht. Im Gegensatz zu ihr sah ich an diesen Wesen weder Augen noch Mund noch Ohren. Das blonde Haar bedeckte alle Seiten des Kopfes und so war es kaum ersichtlich, ob man nun den Rücken der Wesen sah oder ihre Front. Ihr ganzer Körper steckte fast steif in den Wasserbecken. Stattdessen wiegten sie mit mit nach oben gestreckten Armen hin und her. Es war ein bizarres Bild.
"Ich sehe derzeit nichts, was darauf hindeutet, dass hier jemand dumm ist", stellte ich fest. "Sie wirken nur vollkommen anders. Auf etwas anderes konzentriert."
"Und auf was?", fragte Schugabi nur eine kleine Spur weniger abweisend.
Ich reichte ihr meine Hand mit dem Traumstein darin: "Lass uns einfach gemeinsam in den Traum steigen, von dem der Relaner so geschwärmt hat."
Schugabi zögerte.
"Was hast du verlieren? Eine falsche Wahrheit, die dir vielleicht die Wächter eingeimpft haben, um deine Macht und deine Fähigkeiten besser nutzen zu können?"
Das gab den Ausschlag und sie erfasste den Stein. Zu erst sahen wir nicht viel. Es war dunkel um uns herum. Aber ich spürte etwas, was mich bis in die tiefste Ebene meines Seins erregte. Es fühlte sich ein bisschen wie Nestbindung an, wobei dieses Gefühl dann doch nur ein billiger Abklatsch war.
Schugabis selbst Bild war noch immer voller Skepsis. Ich fragte mich, ob sie es nicht mehr spüren konnte. Ich sah mich nach dem Wesen um, dessen Traum wir teilten und stellte fest, dass es alle zwanzig waren, die hier in diesem Traum vereint standen.
"Hallo, fremde Reisende", sagt nun die Nächstehende.
"Hallo", grüßte ich zurück.
"Ihr habt Glück, dass ihr uns noch antrefft, obwohl ich denke, dass auch wir dadurch Glück haben. Durch euch kann vielleicht unsere Welt heilen oder einen neuen Weg einschlagen. Das Kind, dass wir weggaben, damit es von euch lernt, hat seinen Weg verloren, wie schon so viele vor ihm. Und trotzdem ist es zurück."
"Ihr sprecht von Schugabi?"
"Nennt ihr es so?"
"Den Namen gab ich mir selber", sagte das Kind trotzig.
"Ihr müsst auf das Kind aufpassen und auf die, die ihr noch finden könnt. Sie werden bald die einzigen sein, die noch auf dieser Darseinsebene von uns zeugen."
"Weil ihr aufsteigen werdet?"
Das Wesen lachte.
"Ja. So haben es die Leute verstanden, denen wir die Kinder gaben. Diejenigen, die euch und die euren sehen hören und schmecken können." Eine Tentakel kam herab und umfasste das Gesicht von Schugabi. "Du kannst es sehen, Schwester, du musst nur nach oben sehen."
Schugabi weigerte sich, aber ich sah nach oben. Dort war nicht alles schwarz. Dort gab es einen kleinen Punkt der verdächtig nach ...
"Ist das eine Blase der Macht?", fragte ich.
"Oh ein Wissender", sagte das Wesen. "Unser Gefährt wird bald da sein. Nur noch wenige Augenblicke und der Zyklus des neuen Lebens ist beendet. Nur hier in der Station sind wir ihm nahe genug, dass wir mit allen aufsteigen können. Unsere Reise wird uns aber auch wieder herführen, zum Beginn des nächsten Zyklus und dann muss der Planet wieder sein, wie er einst war. Sonst können wir dieses Leben nicht Neustarten und der Zyklus würde für immer Enden. Eine große Aufgabe für so eine kleine Sprosse."
Ich spürte in den Worten eine gewisse Trauer.
"Pass auf sie auf. Julius Parker Luis. Wir geben dir das wichtigste, was wir zurücklassen können. Ein Leben unseres Volkes. Lass sie lernen, dass sie uns alle rettet."
Mit den letzten Worten zogen sich die Körper der Wesen immer mehr in die Länge und dann schoss plötzlich die Machtblase auf uns zu, durch uns durch und ließ uns alleine in leeren Becken sitzen.
"Hallo", kam Tekaus Stimme über Funk. "Ist bei euch alles okay? Hier ist gerade ein Asteroid durch. Der kam Quer zur galaktischen Ebene. Sowas habe ich noch nie gesehen."
"Sowas wirst du auch nicht mehr sehen", sagte nun Schugabi und in ihren Augen waren Tränen. "Sie haben mich zurückgelassen. Weil ich dumm war."
"