Es war nach unserem Briefing klar, dass wir nun schnellst möglich zum Zentrum der Republik mussten. Die Föderation musste sich zeigen. Sie musste diesen Typen klar machen, dass wir nicht nur Beute waren, sondern dass man uns ernst zu nehmen hatte. Wir würden aber nicht nur unsere Wehrhaftigkeit demonstrieren, unsere technologische Entwicklung, wir brachten Handelsgüter mit. Von allen Planeten der Föderation hatten wir etwas dabei. Liän und die Mädchen-WG hatte von allem, was auf der Kolonie gehandelt wurde, Proben gesammelt und die Lager der Pi-Hydra gefüllt.
Aber wir hatten auch nach wie vor Forderungen. Wir wollten ein Ende der Sklaverei. Wir wollten die aufgebrachten Besatzungen zurück und wir wollten von dem Rat eine Entschädigung für das verursachte Leid. Das letzte war die Maximalforderung. Wie bei jeder Verhandlung musste man den Preis aufs Maximum anheben. Dann verlor man nicht das Gesicht, wenn man davon abwich. Leider glaubte ich, dass wir trotzdem einen schweren Stand hatten.
Das Versklaven schien eine lange Tradition in diesem Teil der Galaxie zu haben. Drachoiden, Menschen, Relaner, das waren nur die drei großen Gruppen, die wir kannten. Dann noch diese Wesen mit den vier Armen, die wir auf Rossi gesehen hatten. Egal was dieser Rat repräsentierte, ich hatte die ganze Zeit so ein Bild wie bei der Stadt Rom vor Augen. Ich hoffte nur, dass wir für Sie nicht zu Karthago würden.
Was sollte ich mir nun unter den Wächtern vorstellen? Im alten Rom waren die Soldaten des Reiches die Legionäre. Sie hatten durch ihre Kommandanten den größten Einfluss im Reich, aber eigentlich machten sie nur Beute, um den reichen Familien ein Leben in Saus und Braus zu ermöglichen. In der Stadt lebten zu einem Drittel Sklaven, die sich kaum von ihren Herren oder den armen freien Bürgern unterschieden. Das war vor allem Taktik, weil die Machthaber verhindern wollten, dass die Sklaven zu zählen begannen.
Wenn wir nur die Schiffe aus unseren Sektor zusammenzählten, hatten die Sklavenhalter über 100.000 Sklaven im Orionarm besessen. Fast eine halbe Million Wesen hatten sie in ihren Galaxiearm verfrachtet. Die zweitausend von Pias Gurdian Angel waren da wie eine kleine Randepisode. Sie zu befreien würde so schon schwer werden.
Ich schaute mit Shima die Anflugprotokolle für Syndika A an. Man musste sich für den Anflug anmelden. Und das schien in einem so weiten Orbit zu geschehen, dass man schon fast den der nächsten Planeten berührte. Ich schaute, welche Amtssprache gesprochen wurde und war überrascht. Es war dem indogermanisch auffallend ähnlich. Wir würden uns gut verständigen können. Ich hatte die Vermutung, dass es trotzdem schwer werden würde.
Wir planten zwei Stopps auf unserem Flug. Den ersten legten wir auf Dark Side ein. Dort wurde Freya Parker Luis dem Rat der Ghost vorgestellt. Der Alte, der schon beim letzten Mal mit uns gesprochen hatte, nahm lange mit unserer Kleinen Kontakt auf. Dann sprach er in der Sprache der Aerianer zu Chimea. Sein Gesicht war besorgt.
"Ist etwas mit Freya nicht in Ordnung?", wollte ich wissen.
"Ich spüre zwei Seelen. Eine ist nicht dort, wo sie hingehört."
"Zeros Mann?"
"Nein. Es ist anders. Es hat etwas mit der Verwendung von dem vielen Erbgut zu tun. Es war eine Erschaffung mit der Macht. Dabei wurde zusammengefügt, was nicht zusammengehört. Dadurch können sich weitere Kopien ergeben, die von in dem Moment empfänglichen Wesen aufgenommen werden."
"Eine zweite Tochter?"
"Im Moment der Erzeugung im Leib eine 100% Kopie. Aber ab da bestimmt der Wirt ihre Eigenschaften, der Lehrer den Charakter. Die Zwillinge werden sich wie magisch anziehen und sich dann nicht mehr trennen wollen."
"Und dazu noch die Nestbindung", formulierte ich meine weiteren Bedenken.
"Habt ihr Freya irgendwie abgeschirmt?", wollte der Alte wissen.
"Wir schirmen sie ständig ab", bestätigte ich seine Vermutung. "Ihre Machtausbrüche spüren sogar Wesen, die kaum von der Macht betroffen sind. Und Angesichts dieser Wächter, die diese Energien auch benutzen, möchte ich nicht durch meine Tochter wie ein Leuchtfeuer dastehen."
"Du könntest sie lehren, wie wir es tun."
"Und ihr die Möglichkeit zur eigenen Entwicklung rauben? Das werde ich ihr nicht antun. Früher oder später wird sie sich das Wissen holen, so schnell, wie es die anderen Kinder tun. Aber sie wird das entscheiden."
"Ich weiß, wo ihr hinwollt. Die Wächter werden versuchen, sich diese Macht zu eigen zu machen."
"Ich weiß. Wir kennen bereits unseren Gegner."
Nachdem wir wieder im Weltraum waren und weitere drei Tage nonstop hinter uns gebracht hatten, näherten wir uns dem nächsten Haltepunkt der Route. Auch dieser Planet war ein Freiläufer. Der Gas- und Dreckwolke um ihn herum zu urteilen, hatte es wohl nie für ein vollständiges System gereicht, war unsere erste Vermutung. Trotzdem waren wir vorsichtig.
"Da ist ein Rest", bemerkte Henriette. "Es fühlt sich an, als wäre da ein Schatten einer Singularität."
"Du meinst, hier hat jemand eine Singularitätsbombe gezündet?", fragte Tekau.
Henriette nickte. Wir hatten für sie so ein Interface gebaut, wie es Shima benutzte, nur auf ihre Größe angepasst. Damit war sie nun in der Lage, den ganzen Raum vor uns durch ihre Gabe zu kartographieren. Ihre Sinne waren dabei so genau, dass sie Objekte bis zur Größe eines Kühlschrankes erfassen konnte. Aber auch für sie war Nebel und auch Staubringe schwierig. Trotzdem hatten wir bald ein ziemlich genaues Bild von diesem System. Shima platzte fast vor Stolz in Bezug auf ihre Tochter.
"Sie wird einmal eine große Pilotin", sagte sie.
"Werde ich nicht", erwiderte Henriette. "Ich werde Diplomat."
Shima bekam einen traurigen Gesichtsausdruck und sah zu mir.
"Immerhin ein Diplomat mit eigenem Schiff, wie Konteradmiral Nelson", lächelte ich. Damit lächelte sie wieder etwas.
Wir begannen die neuen Karten zu analysieren. Sie zeigten eindeutig, dass in diesem System etwas gesprengt worden war. Alles kreiste um eine Mitte, die schwer genug war, aber nicht oder nicht mehr leuchtete. Etwas Unbekanntes, vor uns noch Verborgenes, schien nur in einer schwarzen Hülle zu stecken.
"Könnte das mal eine Sonne gewesen sein", fragte ich in die Runde.
"Also das da sind die Trümmer von diesen Raubvögeln", kommentierte Bexie und zeigte auf eine Art Ring, die über den kompakt schwebenden Trümmern eines Planeten schwebten. Das alles zeigte mir eine der fatalsten Wirkungen einer Singularitätsbombe: Gezeiten. Man kennt es vom Mond auf der Erde. Die Anziehung hebt das Wasser von der Erde und dadurch bildet sich zu der zum Mond zugewandten Seite ein Wasserberg. Die auf dem flüssigen Inneren der Erde schwimmenden tektonischen Platten werden zwar auch angezogen, aber sie sind zu schwer, um eine Wirkung zu zeigen. Zumindest eine, die der Mensch sieht. Und jetzt wird da ein Schwerkraftloch platziert. Es zieht nicht nur ein Mond am Planeten, sondern die Masse von zehntausend Monden. Nichts kann das aufhalten. Sogar die Sonne dieses System hatte es ausgeblasen wie eine Kerze. Übrig blieb ein System in Chaos. Und wie es den Anschein hatte, war es einst ein sehr belebter Ort. Wir schickten Sonden hinein. Schon nach zwanzig Minuten pfiff Tekau erstaunt durch ihre Zähne.
"Leben findet echt immer einen Weg", rief sie anerkennend und öffnete ein Bild. Zu sehen war ein Wald, der mich an eine Mischung aus den Wäldern auf Green und Dark Side erinnerte. Und in diesem Wald gab es Anzeichen von Intelligenz. Dort gab es Gebäude, mit Licht, spärlichem Licht, das aber auch die Reflektion entfernter Sterne sein konnte.
"Ob jemand den Angriff überlebte?"
"Der könnte auch erfroren sein", mutmaßte Shima.
"Nein, da sind Anzeichen von Regeneration und dieser Planeten Rest hat auch eine Atmosphäre. Irgendetwas im Inneren hält das alles zusammen."