Ich hatte das Kind befreit und in die Arme des großen Wesens zurück geleitet. Ich sagte ihm, dass ich unser Verhalten aufrichtig bedauerte und dass ich hoffte, dass sie im Gegenzug meine Kinder auch freilassen würden. Ich spürte, dass das Wesen nicht wusste, von was ich sprach.
"Zero? Du hast mich belogen. Die anderen waren nie in Gefahr. Du wolltest nur diesen Stein."
Zeros Miene war wie aus Eisen. Keine Regung zeigte sich darin. Ich dagegen begann, wütend zu werden. So ein Verhalten war eines Parkers nicht würdig. Parkers taten niemanden etwas an, was sie nicht selber erleben wollten.
"Zero, eine Erklärung!"
"Du verstehst das nicht."
"Du glaubst, dass ich dein Band mit deinem Mann nicht verstehe? Mit deinem Kind? Gerade ich?"
"Du hast keinen von ihnen verloren", sagte er voller Trotz.
"Aber beinahe. Alice hat mich sehr deutlich fühlen lassen, wie sich das anfühlt. Seehr deutlich. Ich weiß, dass sie an der Lektion genauso sehr gelitten hat wie ich. Vielleicht noch mehr. Würde ich alles dafür tun, es zu verhindern? NEIN! Ich würde niemals ein Kind deswegen leiden lassen. NIEMALS. ZERO. Und du weißt, dass auch dein Partner so gedacht hätte."
"Du hast ihn nicht gekannt", sagte er und sein Blick ging zu Boden.
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. Neben mir stand der riesige gesichtslose Engel. Er war fast doppelt so groß wie ich. Ruhig ging er in die Knie und half dem jüngeren Wesen auf die Beine. Es schaute erst zu Zero und dann zu mir. Ich sage schauen, aber sie wand die klar ersichtliche Vorderseite hin und her.
"Mein Kind will dir zeigen, was es zu euch gelockt und unvorsichtig hat werden lassen", sagte das große Wesen sanft. "Dein Kind mit dem großen Verlust braucht diesen direkten Kontakt nicht, um zu sehen, aber sie würde es dir gerne zeigen."
Ich nickte. Zwei Hände erfassten meinen Kopf und führten meine Stirn zu ihrem. Sofort war ich in einer anderen Welt. Ich sah überall leuchtende Bahnen, die sich durch die Pflanzen zogen. Überall strahlten die Pflanzen in intensivem Grün, Zero in fast zornigen Rot. Aber an ihm waren auch zwei kleiner Punkte und die waren weiß mit leichten Nuancen Richtung blau.
"Zwei Seelen", hörte ich eine helle junge Stimme sagen. "Gefangene Seelen zwischen den Welten. Sie müssen befreit werden, in die eine oder in die andere Richtung."
"Nein", stöhnte Zero. "Ich darf sie nicht verlieren."
Ich spürte das Unverständnis des jungen Wesens. Ich griff zu meinem Traumstein, der in dieser Welt in allen Farben schimmerte. Ich hielt es dem Wesen hin, damit auch ich mehr tun konnte, als empfangen. Es verstand und ergriff den Stein. Wieder verwandelte sich die Welt. Die Welt die nun da war, glich der Heimat der Vogelmenschen. Blauer Himmel überstrahlte eine Landschaft aus weiß und grün. Es gab hohe Bäume wie auf Green, aber sie standen weit voneinander entfernt. In ihnen hingen weiße Vogelhäuschen ähnliche Gebilde. So hatte ich Bilder von ihrer Welt gesehen, aber ich war selber nie da. Das hier wirkte unglaublich echt. Hier hatte das junge Wesen Augen und ein richtiges Gesicht.
"Ich bin fasziniert", stellte ich fest.
"Die Ahnenwelt", sagte das nun eindeutig als Mädchen zu erkennende Wesen.
"Ich war nie dort, aber ich kenne ihn von Bildern", sagte ich und zeigte auf einen Berg, der in der Entfernung weiß glitzerte. "Das dort ist die große Stadt, wo euer Herrscher lebt."
Ich sendete ihr nun alles, was uns hier zu ihnen geführt hatte, dass gesamte Wissen, was ich über diesen Ort und seine Herkunft wusste. Das junge Wesen zuckte zurück, als hätte ich es verletzt. Schlagartig stand ich wieder in der Dunkelheit und der Griff um meine Schulter wurde härter.
"Nein", sagte das junge Wesen. "Er hat nichts getan. Mir nichts getan. Es kam nur zu plötzlich, zu viel, zu hastig. Ich muss kurz nachdenken über das, was ich sah. Was ich von ihm bekam."
Das Wesen sah wieder zu Zero herüber. Dann zurück zu mir.
"Wir werde euch helfen, aber anders als er denkt. Lasst uns gehen. Vater? Sage den Alten Bescheid, zwei Pilger sind hier, um die heiligen Hallen zu beschreiten."
"Wir lassen keine Unkundigen hinein", beschied der Große. "Keiner weiß, was dann mit ihnen geschieht."
"Vater, sie sind ungeführt. Unkundig sind sie nicht. Sie erkennen und wissen aber um die Beschaffenheit dieser Welt. Sie können durch meine Sinne sehen, auch wenn sie einen anderen Ansatz, einen anderen Zugang haben. Lass mich ihr Führer sein und versuchen, zumindest ihn hier zu heilen." Sie wies auf meinen Neffen.