Manchmal ist die Idee für eine Revolution ganz klein. Sie ist unbedeutend, fast nicht zu greifen. Sie entsteht in einer Unterhaltung zwischen Unzufriedenen, die ihren Frust rausgeschrien haben, deren Schrei jedoch verklungen ist, ohne Gehör zu finden. Dann beginnt man die Idee zu notieren und auf Papier zu drucken. Die Druckerfarbe ist noch nicht ganz trocken, da werden die ersten Manifeste aus Fenstern geworfen. Männer in Uniformen versuchen noch, die Idee zu bekämpfen. Aber wenn die Wesen beginnen zu zählen, wieviel sind wir, wie viele sind die, dann hat die Revolution gewonnen. Und mit viel Glück fällt dabei kein Schuss.
Das Glück hatten wir nicht.
Wir waren in den letzten Stunden des Projekts, da erwachten die Streitkräfte des Planeten wieder. Ich kann verstehen, dass die Herrschenden sauer waren. Wir hatten aus ihren Augen ihre Vorzeigekämpferin Rumija umgedreht. Die letzte Stunde hatte sie mit Red und Schugabi in der Kuppel verbracht und hatte sich ganz genau erklären lassen, welche Aufgaben und welche besonderen Fähigkeiten die neuen Schiffe hatten. Sie waren bestimmt auch darüber sauer, dass wir uns mit Kazito verbündet hatten. Dazu kam, wir hatten ihr Flaggschiff in eine Trümmerwolke verwandelt, bei ihrer Flotte die Sicherungen durchbrennen lassen, ihre Raumstation zerstört und mit neuen Ideen ihr Volk aufgewiegelt. Die jetzt seit dreißig Stunden auf den Planeten ausgestrahlte Show, die jetzt auch noch über deren eigene Satelliten die von uns abgewandte Seite erreichte, dürfte für einiges an Aufregung gesorgt haben.
Ich hatte noch kurz überlegt, einen offenen Kampf zu vermeiden, dann mich aber dazu entschieden, dass es keinen Sinn machte. Mit manche Wesen konnte man nicht reden. Die kleinen, alten, machtbesessenen Katzen gehörten dazu. Sie würden wohl auch kaum zuhören. Also während die Kinder weiter ihr Projekt verfolgten, allerdings nun von der Brücke der Hydra-Terra aus, flog die Pi-Hydra in den Krieg. Für uns war nun der leere Raum ein Vorteil. Niemand würde sich an uns vorbei schleichen können.
Wir ließen ihnen das Recht auf den ersten Schuss, bevor wir zurückschossen. Diesmal jedoch mit allem, was wir hatten. Es war ein ungleicher Kampf. Eine fast makellose Festung gegen Schiffe, deren eigene Waffen ihre Panzerung durchschlagen konnten. Am Ende hatten wir nach der ersten Salve und nur noch zwei weitere eigene Schüsse abgegeben, um Schiffe aufzuhalten, die zu den Kindern wollten, aber alle anderen hatten sich an unserer aktiven Panzerung die Zähne ausgebissen. Um uns glühten die Strahlen und rissen nicht bei uns, sondern bei unseren Gegnern die Rümpfe auf.
Alles, die gesamte Aktion, wurde dabei Live von unserer Brücke aus von den katzoiden Presseteam von Nut und Red kommentiert. Kriegsberichterstattung wie bei einem Fußballspiel. Jubel, wenn es einen schweren Kreuzer erwischte. Häme, wenn Kamikazeflieger wie Mücken auf unserer Oberfläche zerplatzten. Und mit jeder gescheiterten Aktion, wurden die gegnerischen Kommandeure noch verbissener. Das letzte, was sie versuchten, war eine guter alter Rammstoß mit einem ihrer großen Kreuzer. Ich war schon besorgt, als ich deren letztes Schiff mit komplett hochgefahrenen Triebwerken durch die Trümmer der anderen hindurch auf uns zueilen sah. Zero kam auf die Brücke und verdrängte Mia von den Waffen.
"Zero?"
"Gleich", sagte er in voller Konzentration, die ihn sogar etwas zum Leuchten brachte.
"Hält unser Schiff das aus?", fragte ich.
"Nicht, wenn ihr mich nicht in Ruhe lasst."
Wir warteten, aber die Spannung wurde so stark, dass wir sie fast körperlich spüren konnten. Ich glaubte sogar Energiewellen über die Konsolen laufen zu sehen. Ich griff zu meinem Traumstein und sah dadurch eine Explosion von Energie. Das ganze Schiff war davon erfüllt, in jedem Kabel, in der Struktur des Schiffes, selbst in allen Poren der Wesen war soviel davon, dass wir vor einem gewaltigen Ausbruch standen.
"Zero", rief ich und ich konnte zu meinem Neffen fast nicht hinsehen, so viel Machtenergie war in ihm, er war fast gleißend.
"Noch eine Sekunde", sagte er und dann drückte er eine Knopf.
Es fühlte sich wie ein gewaltiger Schlag an, danach war alles dunkel. Ich nahm meine Hand vom Traumstein, aber es blieb dunkel.
"Was war das?", wollte ich wissen.
"Die Ableitung eines Potentials", sagte Zero aus seiner Ecke. "Die haben zu viel auf uns geschossen, wir zu wenig auf die. Unsere Panzerung hat uns deshalb über die Maße energetisch aufgeladen. Und da ich nicht wollte, dass wir verglühen, habe ich die Energie in unsere Struktur geleitet."
"Und?"
"Und ich hab deren Schiff als Blitzableiter missbraucht."
"Oh. Und was bedeutet das?"
"Das wir gewonnen haben. Allerdings dürfte bei denen so ziemlich alles durchgebrannt sein. Die haben jetzt nur noch totes Metall."
"Also sollten wir jetzt mit dem Retten beginnen?", fragte ich vorsichtig.
"Wäre der richtige Augenblick. Wenn das einer überlebt hat."
"Dann sag den Kinder Bescheid."
"Der Funk ist Offline."
"Seid ihr nun Wesen der Macht oder nicht?"
"Äh ja, stimmt." Ich hörte, wie sich Zero am Kopf kratzte.
Ich tastete mich von der Brücke, bis der Eunoch fragte, warum ich nicht den Rat, den ich Zero gegeben hatte, selber befolgte. Mit der Hand am Traumstein sah ich mich um. Ich sah einige der Wesen auf der Brücke in der Art mit dem Schiff interagieren, aber noch war in den Konsolen alles schwarz. Ich verließ die Brücke, um im Rest des Schiffe nach dem Rechten zu sehen.
Als ich in die Küche kam, war da Licht. Auf den Kochfeldern standen Pfannen mit der Hydra-Red-Variante einer Paella. Alice kochte sie und Freya schaute zu. Von Zeit zu Zeit machte sie den Mund auf und ließ sich von Alice Löffelweise von der Soße geben.
"Alles klar hier?", fragte ich.
"So weit ja. Was ist mit dem Licht?", fragte Alice zurück.
"Zero hat es kaputt gemacht. Der muss gerade herausbekommen, mit welchem Schalter alles wieder angeht."
"Leia", kam von Freya.
"Was war das?", wollte ich wissen.
"Ich weiß nicht", zuckte Alice mit den Schultern. "Ein erstes Wort, Babysprache, ich bin mir nicht sicher. Aber sie sagt es immer mal wieder."
Das Licht begann zu flackern.
"Endlich", sagte der Doc, der nun auch mit seiner Hand am Stein in die Küche trat. "Ich hatte schon die Befürchtung, ich müsste mich um 1000 traumatisierte Dorfbewohner kümmern und ein Sklavenhaltergerät nachbauen. Das nächste Mal, wenn ihr alle Energie abschalten wollt, sagt Bescheid."
"Es wird kein nächstes Mal geben", stellte ich fest. "Ich mag Kriege nicht. Wer in die Schlacht ziehen toll findet, der hat nicht mehr alle Tassen im Schrank."
"Wenn du weiter durchs All fliegst und gegen das Böse bist, wirst du dich wohl nicht davor drücken können."
"Ja, leider", gab ich traurig von mir.
"Wie sieht es aus?", wollte Alice wissen.
"Wir leben noch. Wir haben wohl die Wette gewonnen, und die mächtigen Katzen ihr Reich verloren. Schätze ich mal. Ohne Strom sehen wir ja nix. Aber da es so ruhig ist, schießt wohl auch keiner mehr auf uns."
Und so war es dann auch. Als der Strom wieder da war, meldete die Drachen von der Hydra-Terra, dass sich die Flotte um uns herum in ein zusammengeschmolzenes Feld verwandelt hatte. Die Sensoren von Tekau fanden auf ihnen und dem halben Planeten unter uns keine Spur von elektrischer Aktivität mehr. Erste Sonden, die die Kinder gestartet und zum Planeten herunter gesendet hatten, würden dort aber Wesen auf der Straße anzeigen, die zu jubeln schienen. Das würden Infrarotaufnahmen zeigen. Auch die neue Flotte hinter uns und die Hydra-Terra wären okay. Dazu gäbe es noch etwas unerwartetes. Die Pi-Hydra hätte einen Gammaburst aus unseren Polen ausgestoßen, der zwei Löcher durch die Sphäre gebrannt hätten. Damit hätte das System nun stabile Ausgänge.
Ich war baff, aber auch zufrieden. Nun konnten wir auch bald wieder weiter.