Dank der Erfahrungen von Lily und dem Doc konnte den neuen Passagieren unseres Schiffes schnell geholfen werden. In den obersten drei Ebenen des Habitatrings legten wir für Sie Quartiere an, die Nestähnlich waren und die wir auf die Wohlfühltemperatur junger Drachoiden einstellten. Die meisten beruhigte dabei ungemein, wenn Henriette mit mir die Hausbesuche machte. Das sie sich dabei gestellt schüchtern hinter mir versteckte, sorgte auch dafür, dass die Neuen begannen, den Zweibeinern zu trauen. Es würde allerdings noch einige Zeit dauern, bis ich meine überaus neugierigen Kleinen auf sie loslassen konnte.
Die Drachoiden, bei denen die Kapselung schon vorgenommen worden war, immerhin dreihundert von den fast zweitausend jungen Drachoiden, mussten dagegen intensiv betreut werden. Dafür standen alle Diplomaten beim Doc bereit. Einzig Nick, Henry und ich konnten uns mit etwas anderem beschäftigen.
Und zum Schluss stellten wir fest, dass fast alle Eier überlebt hatten. Die wenigen, die es nicht hatten, waren so frisch gewesen, dass in ihnen nur Dotter war. Es wären riesige Spiegeleier, wenn man vergaß, dass daraus denkende, fühlende und sprechende Wesen heraus entstanden wären.
Shima sagte dazu: "esst sie. Wenn Sie nach eurer Tradition begraben würden, würden sie von Würmern und Bakterien gefressen. Die verschwenden keine Gedanken daran, was mit dem Leben einst war, oder was aus ihnen hätte werden können."
Ich brachte es trotzdem nicht übers Herz, es zu tun und sie anschließend zu essen. Shima bereitete ihre Artgenossen zu, aß sie aber auch nicht. Am Ende beerdigte wir Rührei in unserem Botanischen Garten. Ich hielt eine Rede, weil ich es für angemessen hielt.
Ich hatte das Gefühl, als hätten wir eine ganze Generation der Drachoiden gerettet. Keiner war älter als Henriette. Von der Größe der Drachen war der älteste maximal ein Jahr. Das bedeutete, sie waren direkt aus dem Nest ihrer Mütter geraubt worden, bevor sie überhaupt das Gefühl erleben durften, Wind unter den Flügeln zu spüren. Was musste diese Jagd, diese Ernte, wie die große Drachin sich ausdrückte, für ein Leid unter den Familien auslösen. Da half es nicht, dass sie diese Route nur einmal in vierhundert Wochen flog, zumindest früher mit dem alten Antrieb. Mit dem neuen Antrieb hatte sie nur sieben Tage gebraucht. Alle alle Zwei Jahre Angst um die eigenen Kinder haben zu müssen. Ich konnte mir kein größeres Leid als das vom Planeten Nebulon vorstellen. Und dann jetzt die verkürzte Zeit. Das muss noch ein größerer Schock gewesen sein.
Warum die Drachin diesen Planeten anfliegen konnte? Ihr waren Teile ihres Gehirnes entfernt worden. Sie würde nie wieder frei denken, eigenständig leben können. Sie brauchte Input einer künstlichen Intelligenz. Deswegen redete sie auch über ihre Flüge kalt und frei von jeder Emotion. Das Leid der anderen fand keine Resonanz in ihrem Geist. Sie konnte nicht mehr wie ein Wesen fühlen, nur noch wie ein Teil einer Maschine. Ich fragte Shima, was mit ihr werden sollte.
"So leid es mir tut, wir können nicht alle retten. Sie wird bald sterben, wenn sie nicht bald wieder an einen Navigationscomputer angeschlossen werden kann. Und den auf ihren Geist eingestellten hat meine Tochter eingeschmolzen."
"Das darf Freya nicht erfahren. Sie wollte, dass wir alle retten."
"Auch sie wird begreifen, dass man nicht jeden retten kann, sie weiß das besser als du. Sie hat den Verlust bereits erlebt. Geh den Weg mit ihr gemeinsam, wenn sie das Ende der Drachin spürt. Noch ist es aber nicht soweit."
Dadurch, dass wir die Container geraubt hatten, war uns jedoch auch anderes in die Hände gefallen. Eines davon waren kleine Schwarze Vierecke mit einem Goldstreifen drauf. Ich hätte sie unbeachtet in die Ecke eines Frachtraumes geladen, wenn nicht Kannzu sie gesehen hätte.
"Das sind Kredits", stellte er fest. Er sah über die Kisten. "Billionen von Kredits. Wir haben einen Tresor geklaut."
"Einen Tresor? Ich dachte, euer Geld ist digital."
"Das ist es auch. Aber es sind eigentlich Kredite auf ein real existierendes Vermögen. Egal wem das Schiff gehört, er wird den Verlust unter den Teppich kehren. Er wird aber auch alles dafür tun, die Schuldigen zu bestrafen."
"Also uns."
"Wir haben doch mit Lichtschwertern dort gekämpft. Solange wir diese Kisten niemanden zeigen, wird keiner auf uns kommen. Das wir hunderte Drachen an Bord haben, wird nur in soweit ein Problem sein, dass sie wissen wollen, woher die sind. Und in einem Jahr werden die meisten von ihnen zu alt sein, um noch in eine Kapsel zu passen. Wenn wir auch da sagen, wir haben sie für einen Spottpreis von einem Händler, wird es plausible klingen."
"Also sind wir Reich und auch wieder nicht."
"Nicht unbedingt. Wir können sie auf vielen kleinen Banken auf vielen unbedeutenden Randplaneten deponieren um dann mit den dortigen Wesen zu handeln. So bauen wir uns einen Ruf auf. Und mit dem Ruf werden wir vielleicht zu einem bedeutenden Haus vorgelassen. Wir brauchen jetzt Beziehungen. Damit können wir sie uns leisten."
Diese Aussichten gefielen mir außerordentlich. Und ich kam mit einem breiten Grinsen zurück auf die Brücke.
"Shima. Such bitte Planetensysteme, die eine Tagesreise vom Zentrum entfernt sind. Wir beginnen eine kleine Handelstour."
"Und mit was handeln wir?"
"Mit allem, was in unsere Frachträume passt. Wer mich sucht, ich muss jetzt Kuchen backen."