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PROLOG
Der Zauber ist verflogen
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Nach einem langen Arbeitstag, einer angenehm heißen Dusche und meiner abendlichen Beautyroutine klettere ich ins Bett. Mein Freund wartet bereits auf mich. Matt zieht mich an sich heran und verwickelt mich in einen Kuss. Ich kann sein herbes Aftershave riechen. Seine Hand gleitet meinen Schenkel entlang. Er zieht mich gegen seine Hüfte und löst sich von meinen Lippen. Gierig küsst er meinen Hals, doch ich drücke ihn sanft von mir. Ich bin nicht in Stimmung. Heute will ich nur noch schlafen.
„Matt, bitte. Ich bin müde“, erkläre ich ihm leise, doch er hört nicht auf, mich zu küssen.
„Komm schon, Baby, du hast Entspannung verdient.“
„Zu schlafen würde ich entspannender finden“, antworte ich ihm, bei einem weiteren Versuch, ihn von mir zu drücken.
„Es wird dir guttun, du kannst morgen ohnehin ausschlafen“, versucht er mich zu überreden. Da ich zu müde bin, um mich gegen Matts Avancen zu wehren und außerdem keinen Streit vom Zaun brechen möchte, schließe ich die Augen und lasse locker. „Genau, so ist’s gut, entspann dich.“
Matts Küsse sind liebevoll. Mit einer Hand zieht er meine Shorts aus und fasst dann zwischen meine Beine. Er berührt mich nur für einen kurzen Moment, dann drückt er meine Schenkel auseinander. Ich spüre, wie er über meine Haut gleitet. Etwas ungelenk taste ich nach dem Nachttisch und mache das Licht an. Matt ist bereits dabei, sein bestes Stück zu massieren. Ich sehe ihm einen Moment zu und warte darauf, dass er meine Nachttischschublade öffnet, um ein Kondom herauszunehmen. Matt scheint jedoch andere Pläne zu haben. Er zieht an meinen Beinen, um mich in Position zu bringen, doch ich wehre mich gegen seinen Griff, indem ich seine Hand von mir schiebe.
„Vergiss das Kondom nicht“, erinnere ich ihn und öffne meine Schublade. Ich fasse hinein und reiche ihm, wonach ich gesucht habe.
„Muss das wirklich sein? Ohne ist es viel besser. Ich kann ihn rausziehen, bevor ich komme.“
„Nein, kein Kondom, kein Sex. Ich war gerade duschen und will nicht noch einmal duschen gehen.“
Mein Freund zögert nicht länger. Er greift nach dem Kondom in meiner Hand und beugt sich im Anschluss über mich. Er gibt mir einen Kuss, den ich sanft erwidere, dann widmet er sich bereits wieder meinen Hals. Ich spüre seine Lippen an meiner Haut und seinen Atem an meinem Ohr. „Du bist hart im Verhandeln. Das ist sexy.“
Ich schüttle den Kopf und mache es mir dann so bequem wie möglich. So wie ich Matt kenne, dauert es ohnehin nicht besonders lange. In ein paar Minuten schläft er und ich habe endlich meine wohlverdiente Ruhe.
Als er sich das Kondom übergezogen hat, dringt er ohne weiteres Vorspiel in mich ein. Er schaltet das Licht wieder aus und ich schließe meine Augen. Kaum bewegt Matt sich in mir, bereue ich es, ihm nicht auch Gleitgel in die Hand gedrückt zu haben. Besonders angenehm ist Sex nicht, wenn man eigentlich gar keine Lust darauf hat und viel lieber schlafen würde. Ich versuche dennoch, entspannt zu bleiben. Eine von Matts Händen ist neben meinem Kopf abgestützt. Um sicher zu gehen, dass er nicht an meinen Haaren zieht, streiche ich sie unter meinen Kopf. Stöhnend stößt Matt zu. „Fuck, Baby.“ Mit seiner freien Hand ertastet er meine Brust, spielt mit meiner Brustwarze und erhöht sein Tempo. Sein Stöhnen wird unregelmäßiger. „Fuck“, gibt er erregt von sich. Ich spüre, dass Matt bereits kommt und atme erleichtert durch. Er küsst meinen Hals und schmiegt sich gegen meine Wange. „Ich liebe dich so sehr.“
„Ich weiß“, antworte ich und streiche durch sein Haar und über seinen Kopf. „Ich dich auch, aber manchmal raubst du mir den letzten Nerv.“
Ich bekomme einen weiteren Kuss auf den Hals. „Das gehört doch irgendwie dazu, nicht?“
„Kann sein. Und jetzt geh runter von mir. Du erdrückst mich.“
„Sorry.“
Matt nimmt Abstand von mir und geht ins Badezimmer. Auf dem Weg dorthin schaltet er das Licht an seinem Nachttisch ein. Ich ziehe die Decke zur Seite, um meine Shorts zu suchen. Sie ist wohl zu Boden gefallen. Ich hebe sie auf und ziehe mich wieder an. Ich weiß nicht genau wieso, doch in diesem Moment beschließe ich, die heutige Nacht auf der Couch zu verbringen. Es ist unverfänglicher, beim Fernsehen einzuschlafen, anstatt eines der Gästezimmer zu wählen. Er würde mich fragen, wieso ich die Nacht nicht bei ihm verbracht habe und ich will morgen Früh nicht mit ihm streiten. Matt würde sich die ganze Zeit Gedanken machen, während er nach Westfield fährt und seine Gedanken sollten nicht bei mir, sondern bei seinem Training sein.
Mein Freund tritt wieder ins Schlafzimmer und legt sich zu mir. Ich höre, wie er das Licht ausknipst und spüre, dass er sich zu mir vortastet. Matt zieht mich an sich, um mit mir zu kuscheln. Ich werde geküsst. Er fasst außerdem erneut an meine Brust, ehe er mich wieder küsst. „Sorry, dass es nicht so lange gedauert hat. Ich war schon verdammt scharf auf dich. Am liebsten wäre ich zu dir in die Dusche gekommen und hätte dir geholfen, dich einzuseifen, wenn du weißt, was ich meine.“
Matt entlockt mir ein amüsiertes Kichern. Natürlich weiß ich, was er meint. „Es ist in Ordnung“, antworte ich. „Ich wollte ohnehin schlafen.“
Zwischen den sanften Küssen, die Matt an meinem Hals hinterlässt, spricht er: „Ich lasse dir meine Karte da. Du kannst dir etwas Schönes kaufen. Vielleicht ein neues Kleid und Schuhe? Oder du lässt dich im Spa verwöhnen. Lass es dir gutgehen.“
„Das ist lieb, danke, aber ich werde dafür keine Zeit haben. Ich muss eine Präsentation fertigbekommen“, antworte ich ihm, ehe ich gähne.
„Ich werde vier Wochen weg sein, da hast du deine Präsentation längst fertig. Du darfst dir ruhig eine Auszeit nehmen und dich entspannen, Baby“, spricht er mir gut zu, während er meinen Rücken streichelt.
„Ja, kann sein“, gebe ich müde von mir, ehe ich durchatme. Mit sanften Bewegungen streichle ich seine Brust. Er hat sich heute im Wachsstudio die Haare entfernen lassen. Ein wenig fehlt mir die Behaarung schon.
„Ich weiß, dass du es nicht hören willst, aber du musst nicht arbeiten, Ilaria. Ich verdiene genug Geld für uns beide. Du müsstest keinen Finger krumm machen und könntest trotzdem alles haben, was du möchtest.“ Matt küsst meine Stirn. „Es ist mir viel lieber, wenn du dich mit Dingen beschäftigst, die dir Spaß machen. Du könntest morgens ins Fitnessstudio gehen, gut Frühstücken, im Sommer am Pool liegen, dir die Nägel machen lassen oder malen. Du könntest ein schönes Leben haben, anstatt jeden Morgen zur Arbeit zu fahren und an endloslangen Präsentationen zu arbeiten. Du verbringst fast jedes Wochenende am Laptop, das muss echt nicht sein.“
„Matt, wir haben unzählige Male darüber geredet. Ich will mein eigenes Geld verdienen. Es ist süß, dass du mich aushalten willst, aber ich will selbst etwas beitragen“, erkläre ich. Es ist unmöglich, mich daran zu erinnern, wie oft wir diese Unterhaltung bereits geführt haben.
„Ich halte dich nicht aus, ich sorge für meine Freundin. Du bist keine Schmarotzerin. Eines Tages sind wir eine Familie, dann ist es egal, ob es dein oder mein Geld ist, weil es unser Geld ist.“
„Ich weiß, was du meinst, aber ich möchte meinen Job trotzdem behalten.“
„Und wenn du dir zumindest ein Jahr nimmst, um dich von dem Unistress zu erholen?“, bietet er mir an, doch ich lasse nur einen tiefen Seufzer los.
„Matt, bitte. Ich bin müde und wir haben schon so oft darüber gesprochen. Ich will nicht mehr.“ Meine Stimme klingt quengelig, fast wie die eines Kindes, das unbedingt vor dem Abendessen Kekse haben möchte. Ich brauche meinen Schlaf.
„Okay, behalt deinen Job. Aber ich will, dass du weißt, dass du jederzeit kündigen kannst, wenn dir das alles doch zu viel wird. Du arbeitest viel zu hart. Letzte Woche waren es locker 60 Stunden. Manchmal fühlt es sich so an, als würde ich dich gar nicht zu Gesicht bekommen.“
„Danke für dein Angebot, Matt, aber ich will jetzt wirklich schlafen.“ Er bekommt einen sanften Kuss von mir, dann streiche ich durch sein Haar. Meine Hand gleitet über seine Schulter und wieder zurück an seine muskulöse Brust.
Ich weiß, dass er es gut meint und dass Matt sich um mich kümmern möchte, doch ich will zumindest ein kleines Stück Unabhängigkeit behalten. Das Haus gehört ihm, er lässt mich keine Kosten übernehmen, er bezahlt, wenn wir essen gehen oder wenn er mich zum Shoppen ausführt. Er schenkt mir Blumen und Schmuck und ich weiß, dass diese Geschenke von Herzen kommen, doch manchmal wünsche ich mir, er würde mich besser verstehen. Ich möchte, dass man mir zuhört und auch versteht, was ich sage, doch egal, wie deutlich ich es ausspreche, Matt scheint mich nicht zu verstehen. Vielleicht versucht er es auch gar nicht.
In der Dunkelheit nehme ich ein Schnarchen wahr. Matt ist eingeschlafen. Sein warmer Atem zieht an meine Schulter. Ich kämpfe mich aus seinen kräftigen Armen und klettere aus dem Bett. Vorsichtig taste ich nach meinem Smartphone auf dem Nachttisch, ziehe den Stecker und leuchte mir damit meinen Weg. Bevor ich das Schlafzimmer verlasse, greife ich nach meinem Morgenmantel, den ich heute Morgen achtlos auf meinen Schminktisch geworfen habe. Als etwas zu Boden fällt, zucke ich vor Schreck zusammen. Im Licht meines Displays erkenne ich, dass es sich um einen Lippenstift handelt. Ich hebe ihn auf und lege ihn zurück auf den Schminktisch. Um zu prüfen, ob Matt auch ungestört schläft, leuchte ich noch einmal in seine Richtung. Da er nichts sagt, nehme ich an, dass er nichts gehört hat. Leise und ohne weitere Unterbrechungen schließe ich die Tür.
Um meine miese Laune wieder aufzuhellen, gehe ich nach unten in die Küche. Ich öffne den großen Gefrierschrank und suche mir ein Schokoladeneis aus. Ich greife mir außerdem die Tüte mit den Cookies, die ich nach der Arbeit von Subway mitgenommen habe und gehe mit nun vollbepackten Armen zur Couch hinüber. Müde schalte ich den Fernseher an. Ich bin jetzt schon froh, dass ich morgen einen freien Tag habe. Wer weiß, wie lange es dauert, bis ich einschlafe. Auf Netflix suche ich mir eine Serie aus und lasse mich berieseln, während ich meinen bitteren Frust mit Eiscreme und Cookies süße. Auch wenn ich mich für diese Gedanken schuldig fühle, bin ich doch froh, dass ich Matt einige Wochen nicht zu Gesicht bekomme. So kann ich auch ungestört an meiner Präsentation arbeiten.
Matt spielt für die Indianapolis Colts, er ist Runningback. Von Ende Juli bis Ende August gibt es in Westfield Jahr für Jahr ein Trainingscamp, in dem sich die Spieler auf die Regular Season vorbereiten. Fans können das Camp besuchen und sich das Training live ansehen, ich hingegen bevorzuge es, zu Hause zu bleiben. Matt soll sich voll und ganz auf sein Training konzentrieren. Ich würde ihn nur ablenken. Im letzten Jahr waren die Colts leider nicht besonders erfolgreich, doch in diesem Jahr möchte Matt unbedingt den Super Bowl gewinnen. Da mir das Spiel zu brutal ist, war ich nie ein großer Football Fan. Trotzdem werde ich Matt zu den Spielen begleiten und ihn unterstützen. Unsere Beziehung läuft seit meinem neuen Job zwar etwas holprig, doch das bedeutet nicht, dass ich nicht für meinen Freund da sein möchte. Ich liebe ihn.
Mit zwei Cookies und einem Löffel Schokoladeneis mache ich mir ein Eiscreme-Sandwich. Genüsslich verschlinge ich die kleine Kalorienbombe und sehe dabei zum Fernseher. Ich denke darüber nach, ob Matt vielleicht doch Recht hat. Es stimmt schon, ich habe nicht studiert, um in einem Büro zu sitzen, sondern, weil ich mit meiner Kunst Geld verdienen möchte. Es war immer mein Traum, mir als Künstlerin einen Namen zu machen. Den leergegessenen Eisbecher stelle ich auf dem Couchtisch ab, dann greife ich mir wieder meine Tüte mit Cookies, um von einem davon zu knabbern.
Was passiert, wenn ich meinen Job tatsächlich aufgebe? Ich hätte Zeit zum Malen. Ich hätte Zeit, neue Schmuckstücke zu designen. Ich hätte Zeit, mir eine online Präsenz aufzubauen. Bis ich soweit bin und mit meiner Kunst Geld verdienen kann, müsste ich mich auf Matt verlassen. Aber was, wenn es nicht klappt? Wenn niemand meine Bilder an seine Wände hängen möchte? Wenn niemand meinen Schmuck tragen will? Die Angst zu versagen, hält mich immer wieder davon ab, etwas Neues auszuprobieren.
Geschlagen lege ich die Cookies auf den Couchtisch und wische mir die Krümel von den Fingern. Ich fische außerdem ein Stückchen Schokolade und einen recht großen Kekskrümel aus meinem Dekolleté. Da mich niemand sehen und folglich verurteilen kann, esse ich beides. Zwischen meinen Brüsten war es ja gut aufgehoben.
Mitten in der Nacht lebensverändernde Entscheidungen zu treffen, ist nie eine gute Idee. Ich verschiebe all diese Gedanken auf morgen. Da mir durch das viele Eis recht kalt ist, kuschle ich mich in meine Decke und lenke meine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher. Ich mache es mir an einem der seesternförmigen Kissen bequem. Nachdem ich einmal tief durchgeatmet habe, schließe ich auch schon meine Augen. Morgen wird die Welt wieder anders aussehen. Ein freier Tag wird mir helfen, meine Gedanken zu ordnen.