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KAPITEL 1
Duftende Rosen
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Ich spüre, dass ich gestreichelt werde. Verschlafen taste ich nach der Hand an meinem Kopf. „Guten Morgen, Sonnenschein“, erklingt Matts Stimme. Ich reibe mir die Augen und drehe mich dann auf den Rücken, um zu ihm aufzusehen.
„Du bist noch hier, ein Glück. Ich wollte mich verabschieden, bevor du gehst“, gebe ich etwas verpeilt von mir. Er lächelt mich an und deutet dann zum Couchtisch. „Ich dachte, ich mache dir noch Frühstück.“
„Wirklich? Bist du gar nicht im Stress?“
Er schüttelt den Kopf. „Nein, aber ich muss gleich los. Ich wollte dir noch sagen, dass ich dich wirklich liebe und froh bin, dich zu haben. Wir werden uns die nächsten Wochen kaum zu Gesicht bekommen und ich muss gestehen, dass das einer der Gründe ist, wieso ich wollte, dass du deinen Job kündigst.“ Matt stützt sich mit den Armen an der Lehne der Couch ab. „Wenn du ungebunden bist, kannst du mit ins Trainingscamp kommen und ich könnte jede Minute mit meinem Glücksbringer brauchen.“
„Ach, Matt.“ Ich strecke meinen Arm nach oben und streichle seine Hand. „Wieso hast du das nicht gleich gesagt? Ich kann nicht deine Gedanken lesen und du kannst meine nicht lesen. Wir müssen reden.“
„Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil ich ein Idiot bin oder weil es bescheuert klingt, dass ich denke, dass ich besser spiele, wenn ich weiß, dass du da bist.“ Er lässt seinen Kopf sinken. „Ich will dich nicht darum bitten, aber ich glaube, dass es mir und dem Team hilft. Vielleicht bin ich auch ein bisschen dramatisch, immerhin dauert die Fahrt keine halbe Stunde.“
Auch wenn ich die Vorstellung, dass ich ein Glücksbringer sein soll, absolut lächerlich finde, werde ich weich. Matt bedeutet mir viel, ich liebe ihn. Ich will, dass er Erfolg hat und dass er glücklich ist. Noch immer nicht ganz bei mir setze ich mich auf und gebe Matt einen Kuss auf die Wange.
„Ich denke darüber nach“, antworte ich ihm. „Genau genommen habe ich bereits letzte Nacht darüber nachgedacht.“ Überrascht sieht er mich an. Matt möchte gerade etwas sagen, doch ich rede weiter: „Das heißt nicht, dass ich morgen sofort kündige und dann in mein Auto springe, um nach Westfield zu fahren. Ich denke darüber nach und wiege all die Konsequenzen ab. Wenn ich meinen Job kündige, dann brauche ich einen anderen Plan, den ich verfolgen kann. Ich will mir nicht den ganzen Tag die Sonne auf den Bauch scheinen lassen und mich langweilen. Verstehst du?“
Matt wirkt sofort besser gelaunt. Er beugt sich zu mir und möchte mich küssen, doch ich nehme Abstand. „Ich sollte vorher Zähne putzen.“ Noch bevor er mir antworten kann, klettere ich von der Couch und laufe die Treppen hinauf. „Geh nicht ohne einen Abschiedskuss!“, rufe ich, bevor ich ins Schlafzimmer und anschließend im Bad verschwinde.
Ich beeile mich beim Zähneputzen und wasche mir mein Gesicht, da etwas Schokoladeneis an meiner Wange klebt. Besonders sexy ist das ja nicht. Matt hätte ruhig sagen können, dass ich wie ein kleines Ferkel aussehe.
Während ich die Treppe wieder hinuntersteige, streiche ich durch meine Haare und binde sie anschließend zu einem Pferdeschwanz zusammen. Matt erwartet mich mit offenen Armen am Fuße der Treppe. Ich springe auf ihn zu und lasse mich erst fangen und dann drücken. Mit einem Lächeln schlinge ich meine Arme um seinen Hals, verschränke meine Finger in seinem Nacken und gebe Matt einen tiefen, leidenschaftlichen Kuss. Seine trainierten, kräftigen Arme halten mich fest. Ich muss gestehen, dass es sich gut anfühlt, auf diese Weise gehalten zu werden. Auch wenn unsere Beziehung nicht perfekt ist, bin ich dennoch froh, Matt in meinem Leben zu haben. Unsere Zungen berühren sich ein letztes Mal, dann löse ich meine Lippen von seinen.
„Pass auf deinen Kopf auf, ja?“, bitte ich ihn besorgt. Profifootball bringt zwar viel Geld ein, für die Gesundheit ist es allerdings nicht besonders förderlich, getackelt zu werden. Ich mache mir immer Sorgen, dass er sich verletzen könnte und diese Sorgen sind nicht unbegründet.
„Versprochen.“ Matt lächelt mich an, dann setzt er mich vorsichtig ab. Meine nackten Füße berühren den kalten Boden und ich komme wieder zum Stehen. „Du wirst mir fehlen.“
„Du mir auch“, antworte ich ihm, ehe ich meinen Freund noch einmal fest umarme.
„Sehen wir uns am Wochenende?“, erkundigt er sich.
„Ich weiß es noch nicht. Du weißt doch, dass ich meine Präsentation fertigmachen muss. Außerdem will ich dich nicht ablenken.“
Matt streicht über meinen Kopf, dann drückt er mich noch einmal gegen seine Brust. „Klingt eher, als würde ich dich ablenken.“
„Ja, vielleicht hast du damit Recht.“
„So, ich muss jetzt los. Ich treffe mich noch mit meinem Dad, dann geht’s nach Westfield. Ich rufe dich an, wenn ich angekommen bin.“
„Hab eine schöne Fahrt.“
Matt schnappt sich seine Sporttasche. Das restliche Gepäck ist bereits seit gestern Abend im Kofferraum. An der Tür verabschiedet er sich mit einem letzten Kuss, dann steigt er in seinen Wagen. Ich winke meinem Freund zu, als er die Einfahrt verlässt, dabei folge ich ihm durch das feuchte Gras unseres Vorgartens. Auch wenn er mir fehlen wird, wird es auch schön sein, die nächsten Wochen Ruhe und Stille zu genießen. Ich schnappe mir die Zeitung, winke unserer Nachbarin, die jeden Morgen mit ihrem Fahrrad um den See fährt, und gehe wieder nach drinnen.
Ich hole noch das Tablett mit dem Frühstück, das Matt für mich gemacht hat und mein Smartphone und gehe damit nach draußen, um auf der Terrasse zu essen. Nachdem ich das Tablett auf dem Tisch abgestellt habe, schüttle ich das Sitzkissen meines Lieblingsplatzes auf und setze mich. Durch eine sanfte Brise zieht mir der Duft von Kaffee in die Nase. Hinter mir erklingen meine selbstgemachten Windspiele. Auf dem Tablett steht nicht nur Kaffee, sondern auch ein Glas Orangensaft. Neugierig beuge ich mich zu dem Sektglas und schnuppere daran. Mein Verdacht bestätigt sich. Der vermeintliche Orangensaft entpuppt sich schnell als Mimosa. Ich schüttle den Kopf. Morgens ein Gläschen zu trinken ist in unseren Kreisen zwar nicht unüblich, dennoch bin ich eigentlich kein besonders freudiger Anhänger dieser Gewohnheit. Für heute mache ich allerdings gerne eine Ausnahme.
Ich lausche den zwitschernden Vögeln und dem Rasensprenger meiner Nachbarn, während ich mein Rührei und meine Waffeln verspeise. Nebenbei blättere ich in der Zeitung, besonders spannende News finde ich allerdings nicht, also lege ich sie wieder zur Seite.
Neugierig sehe ich mich im Garten um. Ich bin ziemlich sicher, dass bald Enrique, unser Gärtner auftauchen wird, um sich um die Blumen und den Rasen zu kümmern. Ich glaube, dass er heute auch die Hecken schneidet. Wahrscheinlich werde ich die Zeit, in der er das erledigt, am Pool verbringen. Frech grinse ich in mich hinein, während ich nach meiner Kaffeetasse greife. Ihm zuzusehen, wenn er in seinem verschwitzten Shirt die Hecken schneidet, hat durchaus seinen Reiz. Das könnte das Highlight meines Tages werden.
Nach meinem Frühstück bringe ich das Tablett in die Küche. Was mich da erwartet, frustriert mich so sehr, dass ich das Tablett am liebsten auf den Geschirrhaufen werfen und verschwinden würde. Wie konnte ich das vorhin nur übersehen? Und wie konnte ich das überhaupt überhören? Ich muss geschlafen haben wie ein Stein. Matt hat sich zwar die Zeit genommen, mich zu bekochen, doch die Freude darüber verblasst immer weiter, je länger ich das Chaos in der Küche betrachte. Seufzend stelle ich das Tablett auf der Kücheninsel ab. Ich wasche mir die Hände und räume den Geschirrspüler aus. Auch wenn das Frühstück geschmeckt hat und ich mich sehr gefreut habe, ärgere ich mich nun umso mehr. Ich schalte die Kaffeemaschine ein, stelle meine Tasse darunter und betätige dann den Knopf, um meine gespeicherte Einstellung abzurufen. Anfangs war ich von dieser überwältigenden Technologie etwas überfordert, doch jetzt schätze ich es sehr, per Knopfdruck einen perfekten Kaffee zu bekommen. Den brauche ich jetzt, um das durchzustehen.
Für eine extragroße Portion Motivation schalte ich Musik an. Meine ‚Gute Laune Playlist‘ macht ihrem Namen alle Ehre. Ich tänzle durch die Küche, singe zu den Liedern, räume das saubere Geschirr zurück an seinen Platz, schrubbe Pfannen und den Herd, räume das abgespülte Geschirr in den Geschirrspüler, putze das Waffeleisen und wische schließlich die Theken sauber. Nach getaner Arbeit drehe ich mich um, um die offene Küche zu verlassen. Ich erschrecke mich, als plötzlich ein Mann vor mir steht. Quietschend mache ich einen Schritt zurück. Mir fällt beinahe das Smartphone aus der Hand, doch ich schaffe es, es sehr unelegant zu fangen und drücke es dann an mich. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass Enrique schon hier ist.
„Lo siento, señora Evans, ich wollte Sie nicht erschrecken“, entschuldigt Enrique sich. Sein Akzent ist unglaublich niedlich. Das süße Lispeln gefällt mir. Entschuldigend hält er einen Strauß Rosen hoch. Ich erkenne sofort, dass sie aus meinem Garten stammen.
„Schon in Ordnung“, entgegne ich ihm und streiche mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hinter mein Ohr. Sie hat sich aus meinem Zopf gelöst, als ich getanzt habe.
„Ich habe Sie singen hören. Sie haben eine wundervolle Stimme. Wie die eines Engels.“
Ich bin ziemlich sicher, dass ich gerade rot werde. „Danke, Enrique. Und danke für die Blumen.“ Ich nehme den Strauß vorsichtig an mich und rieche an einer der duftenden Rosen.
„Ich habe die Dornen abgenommen, damit Sie sich nicht verletzen“, erklärt er, was mich zum Lächeln bringt.
„Das ist lieb, vielen Dank.“ Aus dem Schrank nehme ich eine Vase, die ich gleich in die Spüle stelle, um sie mit Wasser zu füllen. „Möchtest du vielleicht einen Kaffee?“, erkundige ich mich.
„Vielleicht später. Ich mache mich jetzt an die Arbeit.“
Lächelnd sehe ich Enrique nach, als er nach draußen geht. Ich senke mein Gesicht erneut zu den Blumen, um daran zu riechen. Enrique ist so ein charmanter Mann. Er stellt jede Woche einen Blumenstrauß für mich zusammen, um ihn mir zu überreichen. Sein Lächeln, seine ehrlichen, dunklen Augen und seine äußerst ansprechende Statur laden mich immer wieder zum Träumen ein. Ich muss gestehen, dass er mir in meiner Fantasie bereits mehrere Male näherkommen durfte. Er ist aber auch ein gutaussehender Mann. Ich stelle die Blumen ins Wasser und anschließend auf die Inseltheke in der Küche.
Mein weiterer Weg führt mich nach oben ins Schlafzimmer. Ich schlüpfe aus meiner Kleidung und hinein in einen dunkelblauen Bikini. Um meinen gutaussehenden Gärtner nicht zu offen anzuschmachten, verstecke ich meine Augen hinter einer Sonnenbrille, außerdem greife ich mir ein Buch. Mit nach draußen nehme ich selbstverständlich noch mein Smartphone und zwei Handtücher.
Draußen am Pool mache ich es mir auf einer der gepolsterten Liegen bequem. Ich genieße die sanften Strahlen der Morgensonne. Der Sommer hat mir gefehlt. Im letzten Jahr habe ich mir in den Sommerferien die Brüste vergrößern lassen. Da ich Sonnenbäder und auch schwimmen meiden musste, war mein Sommer vergleichsweise trostlos. Ich liebe die Sonne, ich liebe es zu schwimmen und vor allem liebe ich das Meer, das leider um die 800 Meilen von mir entfernt ist. Ich blättere in meinem aktuellen Buch, die Stelle, an der ich das letzte Mal aufgehört habe zu lesen, ist mit einem Seepferdchen-Lesezeichen markiert.
Enrique fährt mit einer Schubkarre an den Pool. Um einen Blick auf ihn zu werfen, senke ich ganz unauffällig mein Buch. Mit einer Heckenschere macht er sich daran, die kleinen Äste, die zu nah an den Pool reichen, abzuschneiden.
„Enrique?“ Er dreht sich in meine Richtung. Ich lasse das Buch auf meinen Schoß sinken und nehme die Sonnenbrille ab.
„Ja, señora?“
„Wir haben doch dieses elektrische Ding, damit machst du dir weniger Umstände“, schlage ich ihm vor und deute Richtung Garage, aus der er gerade gekommen ist.
Er nickt, dabei lässt er die Heckenschere sinken. „Ich wollte Sie nicht stören mit dem Lärm. Zu lesen ist schöner, wenn es ruhig ist. Sie müssen sich entspannen.“
Mit einem Lächeln senke ich den Blick auf mein Buch, ehe ich wieder zu ihm hinübersehe. „Das macht mir nichts aus. Deine Arbeit ist hart genug, mach es dir nicht so schwer.“
Er nickt und legt die Heckenschere in die Schubkarre, die neben ihm steht und mir glücklicherweise nicht die Sicht versperrt. „Wenn ich Sie doch stören sollte, dann sagen Sie mir.“
„Das werde ich, danke für deine Rücksicht.“
Ich sehe ihm nach, als er sich wieder zur Garage begibt. Es dauert einen Moment und keinen ganzen Absatz in meinem Buch, schon bringt er das elektrische Werkzeug nach draußen. Ungestört setzt er seine Arbeit fort. Mit kräftigen Zügen an dem Anwerfseil, startet er die Säge. Ich beiße mir auf die Unterlippe, als ich beobachte, wie sich sein Bizeps spannt. Zugegeben, ja, es ist kein angenehmes Geräusch, doch der Anblick ist alles andere als unangenehm. Um mich vor der Sonne zu schützen, setze ich meine Sonnenbrille wieder auf und lese dann weiter. Konzentriert bleibe ich jedoch nicht. Immer wieder fällt mein Blick auf den hart arbeitenden Gärtner.
Seite für Seite lese ich in meinem Buch. Die Sonne wird immer wärmer, also lege ich es weg, stehe auf und gehe nach drinnen, um mir eine Flasche Wasser zu holen. Aus dem Kühlschrank nehme ich nicht nur eine Flasche für mich, sondern auch eine Flasche für Enrique mit. Der arme Kerl arbeitet in der prallen Sonne. Er hat etwas Abkühlung verdient. In meiner Fantasie würde ich ihn gerne zum Schwimmen einladen, in der Realität würde ich so etwas jedoch nie tun.
Während ich wieder nach draußen, über die Terrasse und den Pool entlang gehe und dann das weiche, grüne Gras Richtung Zaun durchschreite, verbanne ich die Gedanken an das gemeinsame Schwimmen wieder aus meinem Kopf. Mittlerweile ist Enrique dabei, den Rasen zu mähen. Der Rasenmäher verstummt, als ich auf Enrique zugehe.
„Hier, bitte“, spreche ich mit einem Lächeln und reiche ihm die gekühlte Flasche Wasser. „Du musst etwas trinken.“
„Vielen Dank, Sie sind zu freundlich.“
Ich kichere. „Unsinn. Es ist heiß und du arbeitest hart. Brauchst du noch irgendetwas?“ Ich sehe zur Terrasse. „Ich kann dir einen Kaffee oder ein Sandwich machen. Ich hätte auch Obst da.“
„Vielen Dank, aber ich muss weiterarbeiten. Heute ist noch viel zu tun bei einem anderen Kunden.“
„Oh, schade“, antworte ich mit hängenden Schultern. Hoffentlich klinge ich nicht zu enttäuscht. Ich sehe mich um. „Wenn du die Äste weggeräumt hast und das Unkraut bei den Kräutern entfernt hast, dann kannst du für heute Schluss machen.“
„Vielen Dank, señora.“
„Du weißt, dass du mich auch Ilaria nennen kannst, richtig?“, frage ich nach.
Enriques Lächeln lässt mich innerlich schmelzen. „Das ist zu gütig, aber ich möchte wahren die Professionalität, auch wenn das schwer ist, bei einer wunderschönen Frau wie Ihnen.“
Kichernd nehme ich einen Schritt Abstand. „Ach, hör auf, sonst werde ich noch rot.“ Etwas nervös spiele ich mit einer meiner Haarsträhnen. Enrique öffnet die Wasserflasche und nimmt einige große Schlucke. Mit meinen Augen verfolge ich einen Schweißtropfen, der seinen Hals entlangläuft. „Dann will ich dich nicht weiter aufhalten“, entschuldige ich mich, in der Hoffnung, dass ich mich nicht zu peinlich verhalte.
Bevor meine Fantasie vollkommen mit mir durchgeht, gehe ich zurück an den Pool und lege meine Sonnenbrille auf meiner Liege ab. Ich strecke meinen Fuß in das Wasser, um die Temperatur zu prüfen, dann springe ich mit dem Kopf voran hinein. Die plötzliche Kälte schockt mich für einen Moment, doch als ich bis an die andere Seite tauche, fühle ich mich schon wieder viel besser und vor allem erfrischter. Wieder an der Oberfläche nehme ich einen tiefen Atemzug, dabei streiche ich mir meine blonden Haare aus dem Gesicht. Ich schwimme die Länge zu meinem Einstiegspunkt zurück und genieße das kühle Wasser.
Die Gedanken in meinem abgekühlten Kopf drehen sich nun wieder um Matt. Ich überlege, ob das Angebot, dass er mir gemacht hat, nicht doch das Beste wäre. Wenn ich daran denke, dass ich morgen wieder den ganzen Tag im Büro sitze und auf einen Bildschirm starre, senken sich meine Mundwinkel. Ich habe mich mein ganzes Leben lang in der Schule angestrengt, um beste Noten zu schreiben. Als ich mich an den Unis beworben habe, hatte ich sogar das Glück, ein Stipendium zu bekommen. Wäre es falsch, meinen Job zu kündigen und mir Zeit zu nehmen, mich richtig zu entspannen? Ich würde mich ja nicht nur auf die faule Haut legen. Ich könnte damit beginnen, mein Geschäft aufzubauen. Vielleicht gibt es dafür Online-Kurse. Unschlüssig, was ich wohl so mit meinem Leben anstellen soll, lasse ich mich rücklings im Wasser treiben. Ich schließe die Augen und lausche dem Gluckern des Wassers. Wenn ich kündigen würde, dann könnte ich den restlichen Sommer am Pool verbringen. Ich könnte Matt spontan im Trainingscamp besuchen und ich müsste mir auch keine Gedanken machen, wenn ich ihn zu seinen Spielen begleiten möchte. Ich könnte so lange aufbleiben wie ich will und dann den halben Tag im Bett verbringen, wenn mir danach ist. Es würde alles so einfach machen. Vielleicht sollte ich meinen Daddy fragen, was ich tun soll. Er hat immer einen guten Rat für mich.
Ich schwimme zum Rand und drücke mich aus dem Wasser. Da meine Liege ein Stückchen vom Pool entfernt ist, muss ich mich strecken, um an mein Handtuch zu gelangen. Ich tupfe mein Gesicht trocken und drücke dann das Wasser aus meinen Haaren.
„Bis nächste Woche, señora“, verabschiedet Enrique sich bei mir. Er hebt seine Hand und ich erwidere das Winken zaghaft.
„Bis nächste Woche.“
Auch wenn ich es schade finde, dass Enrique schon wieder fährt, sehe ich es positiv. Vielleicht schaffe ich es, heute mein Buch fertig zu lesen. Ablenkungen habe ich ja nun keine mehr.