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KAPITEL 16
Das geblümte Sommerkleid
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Vor dem Spiegel wähle ich meine Ohrringe passend zu meinem geblümten Kleid aus. Obwohl ich mich nach der gestrigen Auseinandersetzung nicht besonders fit fühle, begleite ich Matt zu einem Familienbarbecue. Eigentlich wollte ich lieber zu Hause bleiben, mich auf die Couch legen und so lange Filme ansehen, bis ich einschlafe, doch ich habe mich dagegen entschieden. Matts Schwestern freuen sich schon darauf, mich wiederzusehen. Meine Freude hält sich noch ein wenig in Grenzen, aber ich fühle mich hübsch und bin sicher, dass ich später Spaß haben werde. Bevor ich das Badezimmer verlasse, trage ich noch Lippenstift auf, den ich gleich in meine Tasche verschwinden lasse. Sanft presse ich meine Lippen aneinander und hauche meinem Spiegelbild einen Kuss zu.
„Du siehst toll aus. Heute ist ein wunderbarer Tag. Es gibt nichts, dass dich aufhalten kann“, spreche ich mir gut zu und atme dann tief durch.
Im Schlafzimmer schlüpfe ich in meine neuen Schuhe, die ich extra für dieses Kleid gekauft habe. Die Blume an den Riemchen passt perfekt zu den Blumendesign meines Kleides. Es war Liebe auf den ersten Blick, als ich diese Schuhe im Schaufenster gesehen habe. Zu guter Letzt ziehe ich den Stecker aus der Steckdose und packe mein Ladekabel und mein Smartphone in meine Tasche. Ich verlasse das Schlafzimmer.
„Baby, kommst du?“, ruft Matt die Treppe hinauf.
„Ich bin schon da.“ Ich mache einige Schritte nach unten und bemerke an Matts Blick, dass etwas nicht stimmt. „Was ist denn?“
„Du willst dieses Kleid tragen?“
„Was stimmt denn nicht damit?“
„Meine Grandma wird da sein und du weißt ja, wie sie ist.“
Meine Laune sinkt sofort wieder. Seine Grandma hat es auf mich abgesehen. Sie sucht immer eine Möglichkeit, um mich schlechtzumachen. „Ich würde das verstehen, wenn es durchsichtig und enganliegend wäre und gerade so meinen Hintern bedeckt, aber was ist an diesem Kleid falsch?“
Matt zuckt mit den Schultern. „Kurz ist es trotzdem.“
„Es reicht fast bis zu meinen Knien“, antworte ich ihm. „Das ist ein ganz normales Sommerkleid, so wie alle es tragen, wenn es heiß ist. Du machst ein Problem aus Dingen, die überhaupt kein Problem sind.“
„Ich habe nichts dagegen, aber meine Grandma. Ich will nicht, dass sie wieder etwas hat, worüber sie sich beschweren kann. Du weißt ja, wie sie ist. Sie regt sich immer auf und das Kleid wäre guter Zündstoff. Ich will nur eine Diskussion vermeiden, verstehst du?“
Ich sehe Matt an. Innerlich schreit alles nach mir, ein noch kürzeres Kleid zu tragen, um der alten Hexe einen Herzinfarkt zu verpassen. Anderseits würde ich Matt auch gerne sagen, dass er seiner geliebten Grandma die Stirn bieten und mich vor ihr verteidigen soll. Ich mache nichts falsch. Meine Kleidung sollte kein Problem darstellen. Vor allem da ich mit großer Sicherheit weiß, dass auch Matts Schwestern Kleider tragen werden.
„Könntest du ein anderes Kleid anziehen?“
Ohne darauf zu antworten, steige ich die Treppe wieder nach oben. Ich werfe meine Tasche auf das Bett und steige aus meinen Riemchensandalen. Der Herbst steht bereits vor der Tür und ich hätte die letzten schönen Sonnentage gerne noch ausgenutzt, um Sommerkleider zu tragen. Traurig trete ich in das Zimmer, das uns als begehbarer Kleiderschrank dient. Die einzigen Kleider, die länger als mein geblümtes Kleid sind, sind Abendgarderobe und nicht für ein Familienbarbecue geeignet. Ich entscheide mich für Jeans und ein Top. Wenn es nach Matt gehen würde, sollte ich heute bestimmt einen Rollkragen tragen. Am besten wäre es wahrscheinlich, mit einer Decke über dem Kopf aufzutauchen, damit mein Gesicht nicht das nächste Problem darstellt. Gott bewahre, dass mein Lidstrich ein wenig dicker ist, als der von Matts Schwestern. Ich beiße die Zähne zusammen.
Zurück im Badezimmer werfe ich einen Blick in den Spiegel. Dass meine Laune im Keller ist und ich nur noch einen bösen Blick davor bin, anzufangen zu weinen, ist mir deutlich anzusehen. Als die erste Träne über mein Gesicht läuft, fälle ich eine Entscheidung. Wenn Matts Grandma heute auch nur ein Wort zu mir sagt, dann würde ich weinend zusammenbrechen. Diesen Sieg kann ich ihr nicht gönnen.
Ich wische über meine Wange, greife nach einem Haarband und binde meine Haare zusammen. Das geblümte Kleid tausche ich gegen ein ausgeleiertes altes Shirt und eine bequeme Shorts. Mit feuchten Augen verlasse ich das Schlafzimmer ein weiteres Mal.
„Was ist das denn jetzt?“, fragt Matt mich ungläubig, als ich die Treppe herunterkomme.
„Wenn ich hierbleibe, kann es deiner Grandma scheiß egal sein, was ich anziehe.“ Auf dem Weg zur Küche gehe ich an Matt vorbei, dabei wische ich mir über mein Auge.
„Baby, komm schon.“
Matt greift nach meinem Arm, doch ich hebe sofort meine Stimme und setze eine deutliche Grenze: „Nein! Lass mich los! Du fasst mich jetzt nicht an!“
„Entschuldige“, antwortet Matt und hebt sofort seine Hände. „Ich will es nur verstehen. Du reagierst gerade ziemlich krass und ich will wissen, wieso das so ist. Erklär es mir bitte.“
„Ich habe dir gesagt, dass ich mich nicht gut fühle, aber weil du mich überredet hast, habe ich nachgegeben. Dann habe ich ein Outfit gewählt, worin ich mich wohlfühle. Etwas, das mir Selbstbewusstsein an einem beschissenen Tag gibt und du wolltest, dass ich mich umziehe.“
„Dann weinst du jetzt wegen einem Kleid?“, fragt er nach.
„Nein, ja. Keine Ahnung.“ Ich wische mir über die Augen. „Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viel Zeit ich investiere, wenn ich mich für so etwas wie ein Barbecue fertigmache? Ich wachse mir die Beine am Abend davor, damit meine Haut nicht gerötet ist. Ich suche mir ein Outfit aus, überlege, welche Schuhe und welchen Schmuck ich trage und welche Tasche meinen Look abrundet. Ich mache meine Haare und wähle das passende Makeup.“
„Dann bist du jetzt wütend auf mich, weil du viel Zeit dafür aufwendest, ein dämliches Kleid anzuziehen?“
„Nein, ich bin wütend wegen deiner Reaktion!“, antworte ich beleidigt. „Anstatt deiner Hexe von Grandma zu sagen, dass es ihr Problem ist, wenn ihr mein Kleid nicht gefällt, stellst du dich wie immer auf ihre Seite. Du gibst mir das Gefühl, weniger wert zu sein, als die Frau, die immer wieder einen Grund sucht, sich über mich aufzuregen und hinter meinem Rücken zu lästern.“
„Ilaria, komm schon. Sie ist meine Grandma. Sie ist meine Familie. Und ich stehe auf gar keiner Seite, ich will nur, dass der Tag friedlich abläuft.“
„Und was bin ich für dich? Einfach nur irgendein hübsches Mädchen, dass du vor deinen Freunden vorführen kannst, aber vor deiner Familie versteckst? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie sich das für mich anfühlt?“, frage ich nach, worauf Matt sich die Haare rauft.
„Vergiss es einfach. Du bläst meine Bitte, ein anderes verdammtes Kleid anzuziehen vollkommen auf. Du machst aus einer Mücke einen scheiß Elefanten.“ Kopfschüttelnd geht er zur Tür. „Ich warte fünf Minuten im Auto. Entweder du reißt dich verdammt nochmal zusammen und ziehst dir ein anderes Kleid an oder ich fahre ohne dich.“
Ich verschränke die Arme. „Spar dir die fünf Minuten und fahr einfach.“
Matt öffnet die Tür. „Gut, ich fahre.“
„Ja, mach doch!“
Matt verlässt das Haus. Die Tür fällt laut hinter ihm ins Schloss. Als die Schreie von uns beiden verstummt sind und es plötzlich vollkommen still wird, fange ich an zu schluchzen. Ich hatte nicht vor, einen derart großen Streit vom Zaun zu brechen. In der Küche greife ich mir ein Stück Küchenpapier und putze mir die Nase. Weinend lehne ich mich an die Küchentheke. Wieso muss aktuell alles so mies laufen?
· • ❀ • ·
All meine Versuche, meine Wut und Enttäuschung in etwas Kreatives zu verwandeln, sind leider nicht besonders erfolgreich. Ich zerknülle eine misslungene Skizze und werfe das Papier wütend durch den Raum. Tränen steigen in mir hoch. Ich möchte schreien und weinen. Ich möchte meine Wut an irgendetwas auslassen, doch alles, was ich tun kann, ist auf meinem Stuhl sitzen zu bleiben und zu schluchzen. Deprimiert wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht.
Was ist heute wieder schiefgelaufen? Hätte ich einfach tun sollen, was Matt von mir verlangt hat? Wäre es wirklich so schwer gewesen, mich umzuziehen? Hätte ich einfach darauf bestehen können, mein Kleid zu tragen? Hat Matt recht und ich habe überempfindlich reagiert? Wollte er mich vor den Worten seiner Grandma schützen? Liegt es an mir? Wäre es einfacher, den Kopf gesenkt zu halten und alles über mich ergehen zu lassen?
Ich ziehe meine Nase hoch und wische mir wieder über Wangen und Augen. Warum ist es aktuell so schwer, zufrieden zu sein? Was stimmt nicht mit mir?
Als mein Smartphone neben mir vibriert, wische ich noch einmal über meine Augen, um klar sehen zu können. Matts Name und ein Foto von uns beiden leuchtet auf dem Bildschirm auf. Ich denke nicht lange darüber nach, was er von mir möchte, sondern lehne den Anruf sofort ab. Mir bleibt kaum Zeit, einen Atemzug zu tätigen, schon ruft er mich ein weiteres Mal an. Diesen zweiten Anruf lehne ich ebenfalls ab, dann entscheide ich mich dafür, es auf lautlos zu stellen. Auch wenn ein kleiner Teil von mir möchte, dass ich mit Matt spreche, kann ich es im Moment nicht. Er soll nicht wissen, dass ich wegen einem dummen Streit weinend in meinem Atelier sitze. Wahrscheinlich würde er nur denken, dass ich vollkommen überreagiere. Vielleicht tue ich das ja auch. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und beginne bitterlich zu weinen. Heute ist kein guter Tag für mich.
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Im Badezimmer wasche ich mir das Gesicht. Der Spiegel enthüllt, dass meine Augenlider geschwollen sind. Ich sehe genauso furchtbar aus, wie ich mich fühle. Ich trockne mein Gesicht und werfe das Handtuch in den Wäschekorb. Voller Bedauern fällt mein Blick auf das geblümte Sommerkleid, das ich heute gerne beim Barbecue getragen hätte. Es liegt zusammengeknüllt neben Matts Sportklamotten, die er heute Morgen getragen hat. Ich hebe beides auf und werfe die Kleidungsstücke in den Wäschekorb. Der Nachmittag hätte ganz anders verlaufen können, wenn Matt mein Outfit nicht angesprochen hätte oder ich seiner Bitte nachgekommen wäre. Es beschäftigt mich, dass zwischen uns nicht mehr alles so federleicht und unkompliziert ist, seit ich das College verlassen habe und bei ihm eingezogen bin. Ich vermisse die Zeit, als mein Herz jedes Mal höherschlug, sobald ich ihn gesehen habe. Heute kann ich mich kaum an einen Tag erinnern, an dem alles glattgelaufen ist.
Da mir meine Kunst heute nicht weiterhelfen kann, meinen Frust zu verarbeiten, versuche ich es mit Sport. Ich tausche meine bequemen Klamotten gegen Sportkleidung und mache mich dann auf den Weg nach draußen. Bevor ich das Haus verlasse, trinke ich noch ein großes Glas Wasser. Die frische Luft wird meinem Kopf guttun.
Die Tür hinter mir fällt ins Schloss. Ich schlinge meine Arme um meinen Oberkörper, als ich die Straße überquere. Der See liegt direkt vor unserem Haus. Von meinem Atelier über der Garage habe ich eine schöne Aussicht auf ihn. Ich laufe los. Meine Füße tragen mich weiter und immer weiter. Meine Gedanken drehen sich im Kreis, sie verknoten sich ineinander und bereiten mir langsam, aber sicher Kopfschmerzen. Egal, wie ich es drehe und wende, ich bin im Moment nicht glücklich. Bei dem Gedanken an all das, was ich vorhatte, fühle ich mich überwältigt. Mir fehlt meine Kunst, doch wenn ich darüber nachdenke, wohin ich den nächsten Pinselstrich setzen möchte, bin ich überfordert. In all den Jahren hatte ich noch keine einzige Blockade, die mir dermaßen stur den Weg zu meiner Kreativität versperrt hat. Sie macht sich breit wie eine endlose weiße Leinwand, an der keine Farbe haften bleiben möchte.
Mein Herz klopft schneller, viel zu schnell. Ich spüre jeden einzelnen Schlag an meinem Hals und meiner Stirn pochen. Ich werde langsamer, bis ich irgendwann stehen bleibe. Meine Beine fühlen sich kraftlos an, als könnten sie mich keinen einzigen Schritt mehr tragen. Ich lasse mich zu Boden sinken, dabei sehe ich schwer atmend auf das stille Wasser des Sees. Meine Gedanken nehmen mich vollkommen ein. Ich fühle mich gefangen, überfordert, unterfordert und verwirrt. Wieso kann ein kleiner, dummer Streit einen dermaßen großen Stein ins Rollen bringen und mich so aus der Bahn werfen? Ich wische mir Schweiß und Tränen aus dem Gesicht. All die Dinge, die ich mir selbst im Spiegel sage, um mich zu motivieren, scheinen mich nun zu verspotten. Ich belüge mich selbst. Jeden verdammten Tag.
Starr blicke ich auf den See. Ein Windhauch lässt winzige Wellen über die Oberfläche tanzen. So laut es in meinem Kopf war, so still ist es nun plötzlich. Irgendetwas stimmt nicht mit mir. Bin ich verrückt geworden? Habe ich den Verstand verloren? War ich vielleicht immer schon so verrückt, konnte es nur besser verbergen? Ist irgendetwas in mir kaputt gegangen, ohne dass ich es bemerkt habe? Mein Herzschlag ist wieder langsamer. Mein Körper ist ruhig. Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus und rast über meinen gesamten Körper. Ich bemerke, dass die Sonne langsam am Himmel verschwindet. Wie lange bin ich schon hier draußen?
Ausgelaugt reibe ich mir das Gesicht und besonders meine brennenden Augen. Ich richte mich auf und mache mich auf den Rückweg nach Hause. Zu meinen Kopfschmerzen gesellt sich nun Übelkeit, die ich ausgerechnet jetzt am wenigsten brauchen kann. Ich will wieder zurück nach Hause. Ich will mich auf der Couch einkuscheln. Ich will schlafen. Der kühle Wind bringt mich zum Zittern. Es ist kalt.
Wie auf Autopilot lege ich den restlichen Weg zurück. Ich finde mich im Badezimmer ein. Meine Kleidung werfe ich Richtung Wäschekorb. Dass nicht alle Kleidungsstücke ihren Weg hineinfinden, bemerke ich zwar, doch ich unternehme nichts dagegen. Ich dusche nicht besonders lang, dafür aber heiß, um mich wieder aufzuwärmen. In dem Medikamentenschrank suche ich nach Erlösung von meinen Schmerzen. Mit einem Schluck Wasser spüle ich zwei Tabletten hinunter, dann verschließe ich die orange Dose und den Medikamentenschrank wieder. Als ich aus dem Badezimmer trete, ist es immer noch still im Haus. Matt ist noch nicht zu Hause. Wahrscheinlich genießt er die Zeit mit seiner Familie. Mit einem kleinen Snack aus dem Kühlschrank schaffe ich es noch bis zur Couch, aber keinen Schritt weiter. Wenn es mir morgen nicht besser geht, muss ich irgendetwas dagegen unternehmen. Ich habe mich noch nie so ausgebrannt gefühlt.
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Ich höre das Klimpern von Matts Schlüsselbund. Auch wie er die Tür aufschließt, in das Haus tritt und die Tür wieder verschließt, kann ich deutlich hören. Ich überlege, ob ich so tun soll, als würde ich schlafen, doch ich verwerfe den Gedanken schnell wieder. Es wäre lächerlich, mich vor Matt zu verstecken.
Matt tritt zu mir an die Couch. Es dauert einen Moment, doch dann spüre ich seine Hand an meinem Kopf. Er streichelt mich. Ich sehe zu ihm hoch. Er lehnt mit dem Oberkörper an der Couch und sieht zu mir hinunter.
„Tut mir leid, wie das heute gelaufen ist. Ich war ein Arschloch.“
„Ja, das warst du“, stimme ich ihm zu und sehe wieder zum Fernseher.
„Willst du vielleicht darüber reden?“ Ich höre das Rascheln einer Papiertüte hinter mir. „Ich habe Cookies von Subway für dich.“
„Ich weiß es nicht. Im Moment weiß ich gar nicht, was ich möchte. Alles ist so verdammt verwirrend.“
„Irgendwie hat sich alles verändert“, meint Matt, ehe er seufzt.
„Ja“, antworte ich leise.
„Ich würde jetzt schnell duschen. Wir könnten im Bett reden, wenn du das auch willst.“
„Klingt gut.“
Ich folge Matt nach oben. Unsere Wege trennen sich, als ich mich ins Bett lege und er ins Badezimmer geht, nachdem er die Tüte mit den Cookies auf seinem Nachttisch abgelegt hat. Ausgelaugt kuschle ich mich wieder in meine Kuscheldecke, die ich von der Couch mitgenommen habe. Auch Okti leistet mir Gesellschaft. Auf der Suche nach Trost drücke ich meinen pinken Oktopus an mich und sehe zur Badezimmertür. Ich warte, bis Matt wieder zurückkommt. Noch bin ich mir nicht sicher, wie dieses Gespräch verlaufen soll. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es überhaupt Sinn macht, über den heutigen Streit zu sprechen. Dieses dumme Thema hat so viele Gedanken losgetreten, dass ich gar nicht mit Sicherheit weiß, ob ich überhaupt einen klaren Gedanken fassen kann, sobald wir miteinander reden. Ich schließe meine schweren Augenlider. Vielleicht schlafe ich auch ein, bevor Matt aus der Dusche steigt.
Ich sehe auf, als ich spüre, dass Matt in das Bett klettert. Er deckt sich zu und dreht sich in meine Richtung. Wir sehen uns an. Matt baut Nähe zu mir auf, indem er zu mir rutscht und seine Hand unter meine Decke schiebt. Er streichelt meinen Unterarm.
„Du hast geweint.“
„Ja, das alles hat mich verletzt. Ich wollte einen schönen Tag haben und ich habe mich auf das Barbecue und auf deine Familie gefreut und stattdessen war ich alleine zu Hause. Ich habe geheult. Ich habe Kopfschmerzen und ich bin müde und wütend und so verdammt unglücklich.“ Ich reibe mir mein Auge. „Ich wäre gerne mitgekommen.“
Matt wirkt bedrückt, als ich ausgesprochen habe. „Es tut mir leid. Ich hätte nichts sagen sollen. Du warst so wunderschön in deinem Kleid und du hast so zufrieden ausgesehen und ich Idiot musste das natürlich mit meinem Kommentar kaputtmachen.“
„Du musstest? Ging es überhaupt um deine Grandma oder wolltest du mir wegen gestern wehtun?“
Matt nimmt ein wenig Abstand. „Wegen gestern? Du denkst, ich wollte dich verletzen, weil wir gestern einen kleinen Streit hatten? Das ist Schwachsinn, das wollte ich bestimmt nicht.“
„Und was bin ich für dich?“
„Was meinst du?“, fragt Matt nach. „Du bist meine Freundin.“
„Ja, aber vor deiner Grandma kannst du nicht zu mir stehen.“
„Ja, das war mein Fehler. Ich hätte das nicht sagen sollen. Ich hätte dich mitnehmen sollen und wenn meine Grandma eine abfällige Bemerkung gemacht hätte, dann hätte ich dich verteidigen müssen.“ Matt legt seine Hand an meinen Arm und streichelt mich. „Es tut mir ehrlich leid. Ich liebe dich, Ilaria. Du bist die Frau die ich liebe, die Frau mit der ich mein Leben verbringen will.“ Er seufzt. „Es nervt nur total, dass irgendwie nichts klappt, seit du hier bist. Dir fehlt noch der passende Platz. Wir hatten nicht wirklich Zeit, uns zusammenzuraufen. Erst arbeitest du so viel, dann bin ich im Camp und das dauert eben seine Zeit.“
„Und wenn es nicht wieder besser wird?“
„Das wird es“, versichert er mir. „Wir arbeiten beide daran.“
„Du sagst das so einfach.“ Ich deute Richtung Badezimmer. „Du weißt beispielsweise, dass ich dir nicht hinterherräumen will, aber du lässt alles liegen. Wieso tust du das? Willst du mich ärgern?“
„Das wirst du in Zukunft nicht mehr machen müssen. Ich besorge uns eine Haushaltshilfe. Die erledigt dann alle unangenehmen Dinge.“
„Matt, das ist nicht das, was ich meine.“
„Du wolltest dich nicht darum kümmern, jetzt wird es jemand anderes tun. Wieso ist das immer noch ein Problem? Du hast mir gesagt, was dich stört und ich habe eine Lösung gefunden.“
Ich seufze geschlagen. „Ja, ja, du hast schon Recht.“ Ich weiß nicht wieso, doch mir kommen schon wieder die Tränen. Schnell flüchte ich mich in Matts Arme, der mich gleich an sich drückt.
„Es wird alles wieder gut. Wir kriegen das alles wieder hin.“ Matt drückt mir einen Kuss ins Haar. „Ich liebe dich, Ilaria und ich werde alles dafür tun, damit du wieder glücklich und zufrieden bist.“
„Und wenn ich nicht mehr glücklich sein kann?“, frage ich schluchzend.
„Unsinn. Du hast nur im Moment ein übles Down. Das legt sich wieder. Bald wirst du wieder fröhlich summend durch das Haus hüpfen und nicht mehr aufzuhalten sein. Das verspreche ich dir.“
„Ich will das so gerne glauben, Matt“, antworte ich, ehe ich wieder in Tränen ausbreche und mein Gesicht in Matts Shirt vergrabe.
„Lass alles raus“, spricht er mir gut zu, während er mir den Kopf streichelt. „Morgen früh wird die Welt wieder anders aussehen, versprochen.“