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KAPITEL 6
Ein unerbittlicher Kampf
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Ich parke meinen Wagen in der Einfahrt meiner Eltern. Im Rückspiegel überprüfe ich meinen Lippenstift. Auch wenn es nur ein kleines Familienbarbecue ist, möchte ich hübsch aussehen. Das Wochenende bei meinen Eltern zu verbringen, wird mir bestimmt helfen, abzuschalten, damit ich noch einmal in Ruhe über alles nachdenken kann. Ich freue mich schon darauf, Mum und Dad wiederzusehen.
Geschafft von dem heutigen Arbeitstag steige ich aus meinem Wagen. Ich kann bereits das gegrillte Fleisch riechen. Mittlerweile bin ich seit beinahe 10 Jahren Pescetarierin und vermeide es, Fleisch zu essen. Anfangs war das für meinen Dad etwas schwer zu verstehen, doch er unterstützt mich in all meinen Entscheidungen. Das hat er immer schon getan. Ich bin froh, dass ich mit ihm über alles in meinem Leben reden kann. Aus dem Kofferraum hole ich einen Korb und auch einen kleinen Koffer mit Rollen, den ich hinter mir herziehen kann. Per Knopfdruck auf meinen Schlüssel schließt sich nicht nur der Kofferraum, auch die Türen werden verschlossen. Es ist heiß. Der Sommer fühlt sich noch viel heißer an, sobald man die klimatisierte Luft hinter sich lässt.
Durch das weiß gestrichene Gartentor aus Holz betrete ich den hinteren Garten. Die Rollen meines Koffers sind deutlich auf dem gepflasterten Weg zu hören. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein. In mir breitet sich sofort Freude aus. Der stressige Arbeitstag ist wieder vergessen.
„Hey, Daddy“, begrüße ich meinen Dad, der gerade am Grill steht.
„Mein Goldfisch!“, freut er sich breit grinsend. Er hält mir sofort seine Wange hin, die ich zur Begrüßung küsse. Ich möchte den Lippenstift wegwischen, doch er nimmt Abstand. „Nein, den trage ich wie eine Auszeichnung.“
Kichernd tätschle ich seinen kräftigen Arm. Es fühlt sich an, als würde er wieder etwas mehr stemmen. „Du hast mir gefehlt. Ist Mum noch im Haus?“
„Ja, sie kümmert sich gerade um die Getränke. Setz dich, sie kommt gleich wieder.“
Ich stelle meinen Koffer neben der Terassentür ab und den Korb gleich darauf. Mein Dad ist nicht der einzige am Grill. Laileena, die Katze meiner Eltern schleicht wie immer um die Beine meines Dads, um einen kleinen Snack ergattern zu können. Sie hat Glück. Daddy gibt ihr ein Stückchen Fleisch ab. Sieht aus wie Hühnchen. Gierig schlägt sich die Katze ihren Bauch voll. Kauen ist für sie ein Fremdwort.
„Hi, Baby“, begrüße ich die rotbraune Bengalkatze und gehe in die Knie, dabei strecke ich meine Hand nach ihr aus, damit sie an mir schnuppern kann. „Ich hoffe, dass du mich nicht vergessen hast. Ich besuche dich viel zu selten.“ Ich miaue, um sie auch in ihrer Sprache zu begrüßen. Laileena erwidert mein Miau und kommt nun schneller auf mich zu. Sie reibt ihr Köpfchen an meiner Hand, dann schleicht sie um mich herum. Ich hebe sie hoch, streichle und knuddle sie. Schnurrend lässt sie sich meine Liebesbekundung gefallen. Sie schließt ihre braunen Augen, als ich meine Wange an ihr reibe. „Ich hab' dich so vermisst, du süßes kleines Schätzchen. Wäre Daddy nicht so traurig, wenn ich dich klauen würde, würde ich dich sofort entführen und für immer behalten.“ Ich küsse Laileenas Köpfchen und reibe mein Gesicht noch einmal an ihrem Fell. „So ein weiches, flauschiges Baby.“
„Sieht so aus, als hätte sie dich auch vermisst.“
„Ich bin ja auch liebenswert“, gebe ich lächelnd von mir. „Und? Was schmeißt du für mich auf den Grill?“
„Ich habe zwei Gemüsepattys mitgenommen, damit du dir Burger machen kannst. Hast du auch etwas mitgebracht?“, fragt Dad mich.
„Ja, Gemüse und Lachs. Ich habe gestern Abend noch alles mariniert, weil ich wusste, dass ich heute keine Zeit mehr finden werde.“
„Du bleibst aber noch wie abgemacht bis Sonntag, oder?“, fragt er weiter nach und stöbert dann bereits in meinem Korb, um mein Essen auf den Grill zu bringen. „Deine Mum hat dein Bett bezogen.“
„Ja, alles wie geplant, aber ich muss auch an meiner Präsentation arbeiten“, erzähle ich, während ich mich an meinen alten Platz an den Tisch setze. Laileena schmiegt sich gegen meine Wange. „Dabei könntest du mir Gesellschaft leisten, Laileena. Hm? Was sagst du dazu? Dann würde die Arbeit gleich noch viel mehr Spaß machen.“
„Und wie geht es meinem zukünftigen Schwiegersohn im Trainingscamp?“, erkundigt Dad sich nach Matt. „Habt ihr heute schon telefoniert?“
„Nein, das machen wir erst heute Abend. In meiner Mittagspause haben wir aber miteinander geschrieben. Er hat mir auch ein Foto geschickt. Ich glaube, dass er sich ganz gut macht. Seinem Kopf ist auch noch in Ordnung“, antworte ich mit einem Lächeln.
„Du wirst sehen, die Zeit geht schnell vorbei und schon könnt ihr euch wieder jeden Tag sehen.“
„Ja, er fehlt mir mehr, als ich dachte. Nächstes Wochenende besuche ich ihn.“
Laileena kämpft sich aus meinen Armen und springt von meinem Stuhl. Die freche Katze setzt sich so nah neben mich, dass ich ihr Fell an meinem Bein spüren kann. Sie leckt sich die Pfote. Als ich aufsehe, tritt Mum gerade aus dem Haus heraus. Sie sieht ein wenig zerzaust aus, also genau wie immer.
„Hi, Mum“, begrüße ich sie. Sie stellt einen großen Krug in die Mitte des Tisches, dann dreht sie ihn, sodass der Henkel mit der Linie auf dem Untersetzer übereinstimmt. Interessiert sehe ich ihr dabei zu. Ich bin gespannt darauf, welche Limonade sie heute für uns zusammengestellt hat. Die Zitrone könnte darauf hindeuten, dass die Limonade sauer schmecken könnte.
„Du siehst heute sehr hübsch aus“, begrüßt sie mich. Obwohl ich Mum ansehe, erwidert sie meinen Blick nur sehr kurz, dann setzt sie sich mir schräg gegenüber hin. „Deine Haare sind heller.“
„Schön, dass du es bemerkt hast. Ich war vor zwei Wochen beim Friseur“, antworte ich ihr und streiche durch meinen Pferdeschwanz. „Ich habe mir Highlights machen lassen. Gefällt es dir?“
Mum nickt. „Ja, aber vorher warst du auch sehr schön. Geht es dir gut?“
Ich lächle breit. „Ja, mir geht es gut. Ich arbeite aber sehr viel.“ Um Laileenas Köpfchen streicheln zu können, beuge ich mich nach unten. „Danke, dass ich bei euch übernachten kann. Alleine in dem riesigen Haus zu sein, ist doch ziemlich langweilig.“
Ich drehe mich zur Seite und sehe mir die Blumen an. Der Garten ist Mums Meisterwerk. Sie hegt und pflegt ihn, als wäre sie ein Naturgeist. Sie sagt immer, dass Pflanzen leichter zu verstehen sind als Menschen. Wahrscheinlich hat sie damit nicht Unrecht. „Deine Rosen sind schön“, mache ich ihr ein Kompliment.
Mum fängt sofort an zu erzählen: „Ich habe in diesem Jahr etwas Neues ausprobiert. Normalerweise benutze ich immer denselben Dünger, aber jetzt habe ich einige dieser Lifehacks aus dem Internet ausprobiert. Möchtest du mehr darüber wissen?“
„Ich will alles wissen, Mum“, antworte ich ihr mit einem Lächeln, auch wenn es mich nicht wirklich interessiert. Es gefällt mir allerdings, wenn Mum von ihren Pflanzen erzählt. Die meisten Gespräche beobachtet sie nur, anstatt sich zu beteiligen, doch wenn sie von ihren Pflanzen redet, blüht sie regelrecht auf. Genau wie ihre Blumen.
„Sehr schön“, freut sie sich, ehe sie aufsteht. „Komm mit, Ilaria.“ Sie greift nach meinem Arm, lässt mich dann aber wieder los. „Darf ich?“
„Ja, du darfst.“ Mum fasst wieder an meinen Arm und führt mich zu ihren Blumen.
Sie erzählt mir, bei welchen Blumen sie welchen Lifehack ausprobiert hat, woher sie diese Lifehacks hat und was sie getan hätte, wenn die Dünger nicht funktioniert hätten. Sie lässt mich an ihren duftenden Rosen schnuppern und führt mich im Anschluss zu ihrem Gewächshaus. Mum züchtet Kräuter und stellt damit ihre eigenen Seifen und Pflegeprodukte her, die sie dann im Internet an Kunden in den ganzen USA verkauft. Sie erzählt mir von ihren neuen Duftkreationen, von den Kräutern, die sich nicht so gut verkaufen und davon, wie viel sie in den letzten Wochen verkauft hat. Als sie Woche für Woche die genaue Anzahl der Bestellungen aus dem Gedächtnis zitiert, knurrt mein Magen, doch ich höre weiterhin zu. Die Kommunikation zwischen uns beiden war nie einfach. Mum fällt es schwer, Gefühlsregungen richtig zu lesen und zu interpretieren. Wahrscheinlich merkt sie auch jetzt nicht, dass ich bereits Hunger habe und eigentlich lieber etwas essen würde. Mein Magen knurrt erneut.
Mum fasst an meinen Arm. „Dein Magen knurrt schon wieder.“
„Ja, ich bin schon ziemlich hungrig“, antworte ich ihr.
„Möchtest du lieber etwas essen? Ich habe auch Salat gemacht. Das Gemüse ist auch aus meinem Garten. Frisch geerntet.“
„Ja, das ist eine gute Idee, lass uns essen gehen.“
Hinter mir höre ich ein Miauen. Laileena tapst auf uns zu. Während wir dabei sind, das Gewächshaus zu verlassen, fange ich die kuschelige Katze ab und knuddle sie sofort wieder. Sie wird noch ein weiteres Mal von mir geküsst, dann lasse ich sie ins Gras sinken.
„Möchtest du einen Gemüseburger?“, fragt mein Daddy mich. Ich tätschle seinen Arm, als ich an ihm vorbei gehe.
„Ja, bitte. Ich geh' aber noch schnell ins Badezimmer. Ist mein Gemüse auch schon fertig?“
„Liegt gleich auf deinem Teller.“
Nachdem ich mich im Badezimmer frisch gemacht habe, trete ich wieder auf die Terrasse hinaus, um endlich zum Essen zu kommen. Der Burger auf meinem Teller sieht köstlich aus. Daneben befindet sich das Gemüse, dass ich mitgebracht habe. Das Essen duftet köstlich. Wenn ich nicht schon großen Hunger hätte, würde ich spätestens jetzt Hunger bekommen.
Ich setze mich auf meinen Platz. Laileena schleicht um meine Beine. Ihr flauschiger Schwanz kitzelt meine Haut. Als ich unter den Tisch blicke, sehe ich, dass sie auf ihre Futterschüssel zuläuft, um davon zu essen.
„Erzähl ein bisschen“, bittet Dad mich. „Wie geht es dir?“
„Ach, ich weiß es nicht. Im Moment ist alles sehr verwirrend.“ Ich greife nach meinem Burger und nehme einen großen Bissen. Kauend sehe ich Dad an. Er trinkt von seinem Bier. Anchor Steam Beer mag er am liebsten. Mum schenkt mir Limonade ein. Kaum schlucke ich hinunter, bedanke ich mich bei ihr. „Matt und ich haben telefoniert. Wir verschieben die Entscheidung. Am Mittwoch habe ich meine Präsentation und je nachdem, wie sie läuft, entscheide ich mich, was ich machen werde. Wenn ich eine Chance bekomme, schnell aufzusteigen oder zumindest Eindruck bei meinen Vorgesetzten zu schinden, dann will ich sie nicht wegwerfen, nur weil ich lieber in der Sonne liegen will. Ich war in der Schule nicht so fleißig, nur um dann untätig herumzuliegen. Ich will etwas erreichen und ich weiß, dass ich das kann. Man muss eben nur ein wenig arbeiten.“
„Solange du Spaß an deiner Arbeit hast und sie gerne machst, solltest du sie auf keinen Fall aufgeben“, meint Dad. „Mittlerweile ist es nicht mehr so einfach, einen Job zu finden, den man wirklich gerne macht.“
„Ja, das stimmt wohl.“ Ich nehme einen weiteren Bissen von meinem Burger. Die Tomate rutscht zwischen dem Brötchen und dem Gemüsepatty hervor und fällt auf meinen Teller. An meiner Wange spüre ich die selbstgemachte Burgersauce. Ich fühle mich wie ein kleines Schweinchen, doch man kann einen richtig guten Burger nicht essen, ohne sich dabei schmutzig zu machen. Mum reicht mir eine Serviette. „Danke.“ Ich wische mir über das Gesicht. „Aber abgesehen davon, dass meine Gefühle und meine Zukunft verwirrend sind und ich nicht weiß, welche Option die beste wäre, fühle ich mich gut.“ Ich greife nach meiner Limonade und trinke davon. Sie schmeckt süßer, als ich gedacht hätte. „Irgendwie müssen wir alle viel zu schnell erwachsen werden. Man soll spätestens an der Highschool einen Plan haben, wie man sich sein ganzes Leben vorstellt. Man soll ganz spontan beantworten können, wo man sich in fünf oder in zehn Jahren sieht. Ich meine, wer weiß so etwas schon? Wer weiß, wen man trifft? Wer weiß, in wen man sich verliebt? Vielleicht liegt irgendwo in der Ferne die Erkenntnis, dass man homosexuell ist oder dass man das Land, in dem man gerade lebt, satt hat? Dass man junge Menschen schon so früh mit so unmöglichen Fragen belästigt, kann doch nur eine Lebenskrise auslösen.“ Dad lacht. Ich weiß genau, dass er mich nicht auslacht, also beiße ich beruhigt in meinen Burger. Mit vollem Mund spreche ich: „Der ist total lecker. Ich könnte 15 davon essen.“ Ich kaue und schlucke schnell hinunter. „Solche Zukunftspläne sollte man machen. Eine Liste mit dem, was man heute noch essen will. Das ist einfacher.“
„Weißt du, mein Goldfisch. Diese Fragen werden jungen Menschen gestellt, damit sie über die Zukunft und über das Leben nachdenken. Niemand sagt, dass man seine Meinung nicht wieder ändern darf. Hauptsache ist, dass man die ersten Grundsteine für einen Weg legt.“
Ich nicke. „Wenn du ein Keks wärst, wärst du ein Glückskeks.“
Mein Daddy grinst vor sich hin, dann trinkt er wieder von seinem Bier. „Danke.“ Er schneidet seine Rippchen, ich beobachte ihn dabei, als ich wieder in meinen Burger beiße. „Der Pool hat übrigens die perfekte Temperatur, um deinen Kopf ein bisschen abzukühlen.“ Ich lächle leicht. „Wenn du dich nachher wieder in die Arbeit stürzt, musst du auch eine Pause machen und schwimmen gehen, okay?“
„Ja, danke, Daddy.“
„Nichts zu danken.“
· • ❀ • ·
Ich klappe meinen Laptop zu, als ich ein Klopfen an meiner Zimmertür höre. „Komm ruhig rein“, gebe ich etwas lauter von mir, sodass ich sicher gehört werde. Die Tür öffnet sich einen Spalt, doch anstatt, dass jemand in mein Zimmer kommt, sehe ich nur Laileena. Sie sitzt allerdings nicht auf dem Boden, ich bin sicher, dass Daddy sie festhält.
„Ilaria, du musst unbedingt eine Pause machen“, höre ich die eindeutig verstellte Stimme meines Dads. „Komm, komm, das Wasser ist herrlich.“ Daddy wackelt mit Laileenas Pfote. Die Katze lässt sich das problemlos gefallen. Sie stört sich nicht daran, als Bauchrednerpuppe benutzt zu werden.
Ich lache und stehe von meinem Schreibtisch auf. „Daddy, ich weiß, dass du das bist. Schieb nicht die Katze vor.“
„Nein, ich bin Laileena, miau. Komm raus, Ilaria, komm raus. Das Wetter ist schön.“
Amüsiert trete ich an die Tür. Ich mache sie ganz auf und nehme Dad sofort die Katze ab. Laileena schnurrt, als ich sie kraule. „Also, Laileena, sagst du Daddy, dass ich gleich rauskomme?“
Nun ist Dad derjenige, der lacht. Er legt seine Hand an meinen Hinterkopf und streichelt mich. „Wenn du noch zu tun hast, dann lass dich nicht stören. Ich – ich meine Laileena – wollte dich nur daran erinnern, dass du eine Pause machen solltest.“
„Danke, Laileena“, antworte ich der flauschigen Katze und drücke ihr einen Kuss auf das Köpfchen. „Ich hätte ganz die Zeit vergessen, wenn du mich nicht aus meinem Zimmer gelockt hättest.“ Da Laileena strampelt, setze ich sie auf dem Boden ab. Sie schleicht um die Beine meines Dads, ehe sie die Treppen nach unten nimmt. Mein Zimmer befindet sich im Dachgeschoß. Hier oben hatte ich immer meine Ruhe.
„Ich muss mich noch umziehen, dann komme ich gleich.“
„Ich warte unten auf dich.“
Dad geht schon mal nach draußen, während ich mich in meinem Badezimmer umziehe. Ich binde meine Haare zu einem Knoten zusammen. In meiner Tasche suche ich nach meiner Sonnenbrille und stecke sie mir an den Kopf. Bevor ich mein Zimmer verlasse, schnappe ich mir noch zwei Handtücher. Ich spaziere durch das gemütliche Wohnzimmer. Auf dem Couchtisch liegen einige Zeitschriften. Meine Mum liest sehr gerne. Je näher ich der Terrasse komme, desto lauter wird es. Aus den Lautsprechern schallt Musik, sie ist allerdings nicht so laut, um irgendjemanden zu belästigen. Vorfreudig trete ich an den Pool. Was ich da sehe, bringt mich sehr zum Lachen.
„Was ist das denn?“, frage ich belustigt, als ich meinen Dad auf einem großen, aufblasbaren Einhorn sitzen sehe. Er schwimmt mitten im Pool.
„Ein Einhorn“, antwortet er. „Ich musste es haben.“
Ich schnappe mir sein Smartphone, das die Musik steuert, und wähle die Kamera-App an. „Daddy, grins mal!“
Dad grinst breit und hebt seine Hände in die Höhe. In einer Hand hält er eine Bierflasche. Ich fotografiere ihn zusammen mit seinem Einhorn. Daddy macht alberne Posen, die ich so gut wie möglich einfangen will. „Hast du ein schönes Foto?“
„Ja! Du siehst toll aus, Daddy.“ Der Kontrast ist herrlich. Obwohl Dad ein großer, muskelbepackter Mann ist, der für Fremde sogar gefährlich aussehen könnte, ist er im Inneren ein weicher, kuscheliger Teddybär. Das aufblasbare weiße Einhorn mit Regenbogenmähne passt perfekt zu ihm.
Ich lege all meine Sachen ab und springe dann in den Pool, tauche jedoch ganz schnell wieder auf. „Oh mein Gott, das ist viel kälter als unser Pool“, gebe ich erschrocken von mir. „Das habe ich nicht erwartet.“
„Bekomm jetzt keinen Herzinfarkt.“ Ich streiche mir einige einzelne Haare aus dem Gesicht. Daddy rudert mit einer Hand in meine Richtung. Er schiebt seine Sonnenbrille von seiner Nase und sieht auf mich herunter. „Alles gut?“
„Ja, man gewöhnt sich schnell daran. Lass mich auch mal auf das Einhorn.“
„Nein, das ist meines“, antwortet er und fasst gleich wieder in das Wasser, um von mir weg zu rudern. Besonders schnell ist er aber nicht.
„Aber ich bin deine Tochter, du darfst nicht nein sagen!“, argumentiere ich scherzhaft.
„Ich vererbe es dir!“
„Ich will aber jetzt auf das Einhorn!“
Daddy ist nicht besonders schnell. Ich sehe, dass er das Bier auf dem Rand abstellt, also nutze ich die Gelegenheit, um mich auf ihn zu stürzen. Ich hänge mich an seinen Arm.
„Einhorn!“, rufe ich enthusiastisch und attackiere ihn und das aufblasbare Spielzeug. Er verliert schnell die Balance. Ich ziehe ihn unter Wasser, doch er taucht schnell wieder auf. Hartnäckig bleibe ich an seinem Arm hängen. Als er nach mir greift, um mich ins Wasser zu werfen, lasse ich los. Entkommen kann ich ihm jedoch nicht. Ich lasse einen freudigen Schrei los und kann mir gerade noch die Nase zuhalten, schon tauche ich in das Wasser ein. Ich kämpfe mich wieder an die Oberfläche, schnappe nach Luft und tauche sofort wieder unter. Mein Ziel ist mein Daddy. Ich tauche um ihn herum, um mich nun an seine Schultern zu hängen. Schwungvoll springe ich auf seinen Rücken und schlinge meine Arme um seinen Hals. „Du kleine Zecke“, gibt er amüsiert von sich. Er macht einige Schritte und nimmt dann hörbar tief Luft, also tue ich es ihm gleich. Zusammen tauchen wir unter und recht schnell wieder auf.
„Du wirst mich nie wieder los“, drohe ich und drücke meinen Daddy fest.
„Erwürg mich nur nicht“, bittet er mich und wiederholt das Spielchen ein weiteres Mal. Unter Wasser lasse ich ihn los, doch Daddy greift sofort nach meinem Arm und zieht mich über seine Schulter. Kaum sind wir wieder über Wasser, wirft er mich in den Pool. Dieses Mal komme ich leider nicht dazu mir die Nase zuzuhalten. Ich tauche auf und klettere gleich am Rand aus dem Wasser.
„Wegen dir hatte ich Wasser in der Nase!“
„Oh nein, wie tragisch“, antwortet Daddy mir sarkastisch, jedoch sehr verspielt.
Er sieht zu mir nach oben und grinst mich breit an. Seine Sonnenbrille legt er an den Rand des Pools. Da erinnere ich mich daran, dass ich meine Sonnenbrille auf meinem Kopf habe. Ein Griff in mein Haar verrät mir, dass ich sie bei unserer kleinen Schlacht verloren habe. Um sie wiederzufinden, halte ich nach einem schwarzen Fleck Ausschau. Ich finde schnell, was ich suche. Ich zupfe meinen Bikini zurecht und mache eine Arschbombe ins Wasser, um Daddy mit meiner Flutwelle zu überschütten. Unter Wasser öffne ich die Augen, tauche zu meiner Sonnenbrille und greife sie mir. Mit der Sonnenbrille in der Hand, tauche ich auf.
Als ich wieder Luft atmen kann, holt Daddy aus und spritzt mir Wasser ins Gesicht. Ich setze meine Sonnenbrille auf, um mich vor dem Wasser zu schützen und entgegne seinen Angriff mit einem Gegenangriff.
„Unfair, du hast ein Gucci-Schild!“
„Die ist nicht von Gucci!“, antworte ich.
Daddy kommt immer näher. Ich werde ein weiteres Mal gepackt und in den Pool geworfen. Als ich wieder auftauche, beschwere ich mich sofort: „Das ist unfair. Ich kann dich nicht hochheben und werfen.“
„Du versuchst es ja auch gar nicht.“ Ich wische mir die Haare aus dem Gesicht und schwimme auf Daddy zu. Ich umarme ihn so fest ich kann. Natürlich schaffe ich es nicht, ihn richtig hochzuheben oder gar, ihn zu werfen, doch ich stemme mein gesamtes Gewicht gegen seine Schulter. „Oh nein, nicht ertränken“, scherzt er und lässt sich von mir unter Wasser drücken.
Triumphierend begebe ich mich zu dem Einhorn, das durch unseren Kampf ganz in die Ecke des Pools geschwemmt wurde und versuche, hinaufzuklettern.
„Ha! Mein Einhorn!“, gebe ich stolz von mir, doch dann spüre ich eine Hand an meinem Bein. Ich gebe noch einmal ein lautes Quietschen von mir, schon werde ich unter Wasser gezogen. Also das ist nun wirklich unfair!
· • ❀ • ·
Nach einer ausgiebigen Wasserschlacht sitzen Daddy und ich in der Sonne. Wir essen gerade Eis. „Ich bin froh, dass ihr heute Zeit für mich habt. Es hat mir gefehlt, mit dir herumzualbern.“
„Komm doch öfter vorbei.“
„Wenn der Tag doch nur mehr Stunden hätte.“
„Ja, ich weiß, was du meinst“, antwortet Daddy mir.
Ich lutsche an meinem Eis, dabei genieße ich die wärmenden Sonnenstrahlen. Wenn man im Wasser Spaß hat, merkt man gar nicht, wie kalt einem eigentlich wird. Gegen ein Eis habe ich jedoch nie etwas einzuwenden. „Was essen wir später?
Daddy lacht. „Typisch Kind. Kommt nach Hause, um den Kühlschrank leer zu essen.“
„Der Kampf um das Einhorn hat mich hungrig gemacht“, antworte ich ihm.
„Ich kann den Grill noch einmal anwerfen. Dein Lachs liegt noch im Kühlschrank.“
„Aber nur für mich den Grill anmachen ist auch doof.“
„Ach Quatsch“, winkt Dad ab, ehe er sich einen großen Löffel Schokoladeneis in den Mund schiebt. „Ich werfe den Grill an. Mein Steak wartet auch noch auf mich.“
„Gut, dann ist das beschlossen.“ Ich sehe Daddy an. Er kratzt gerade die letzten Reste in der Schüssel zusammen. „Du hast mir wirklich gefehlt.“
„Du mir auch. Du kannst ruhig öfter vorbeikommen. Auch wenn es nur ein kurzer Besuch ist, hm?“
Ich nicke. „Ich versuche es, versprochen.“