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KAPITEL 26
Ein Blick in die Vergangenheit
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Es war bereits spät und dunkel draußen. Eigentlich wollte ich um die Zeit längst im Bett liegen, einige Notizen durchgehen oder ein Buch lesen, doch stattdessen saß ich neben Matt und wir fuhren einen Feldweg entlang. Links und rechts von uns befanden sich dichte Maisfelder. Alles in allem hatte die Atmosphäre etwas von einem Horrorfilm. Die Art von Film, bei der man auf der Couch vor dem Fernseher saß und sich fragte, wieso die Protagonisten so dumm waren, sich in so eine Situation zu begeben. Dass es gefährlich werden würde, bemerkte man doch schon nach der ersten Sekunde! Und trotzdem saß ich hier, in einem Pickup Truck, in der Dunkelheit.
„Wohin fahren wir denn?“, fragte ich aufgeregt. Matt hatte ein besonderes Date mit mir vor, wollte mich aber partout nicht in seine Pläne einweihen. Meine angeborene Neugierde fand das natürlich gar nicht gut, zusätzlich bereitete mir die gesamte Situation großes Unbehagen. Ich fühlte mich nicht besonders wohl. Draußen war es so finster, dass ich nicht weiter als bis zu den ersten Reihen der Maisfelder sehen konnte. „Matt, bitte.“
„Es ist eine Überraschung“, wiederholte er sich ein weiteres Mal.
„Du weißt schon, dass ich als Frau mich jetzt gerade sehr unwohl fühlen könnte? Wir fahren ganz alleine mitten in der Nacht die Felder entlang. Wer sagt mir, dass du mich nicht entführst und mir ganz schlimme Dinge antust?“
Matt sah zu mir, dann aber gleich wieder auf die Straße. „Ich hoffe doch sehr, dass du dich jetzt gerade nicht so fühlst.“
„Vielleicht ein ganz kleines bisschen. Oder ein großes bisschen.“
„Ich versichere dir, dass ich dir nichts antun werde und dass wir heute einen schönen Abend haben werden.“ Matt legte seine Hand an meinen Schenkel und streichelte mich. „Ich werde immer auf dich aufpassen.“
„Ich schenke dir einen kleinen Vertrauensvorschuss“, antwortete ich ihm und sah wieder aus dem Fenster.
„Das wirst du nicht bereuen, Ilaria.“ Matt streichelte über meinen Schenkel. „Siehst du da vorne? Da fahren wir links.“
„In den Wald. Gar nicht verdächtig. Als Kind habe ich Kampfsport gemacht, nur so als Warnung.“
Matt schwieg einige Sekunden, doch dann antwortete er: „Ganz im Ernst: Du hast nicht wirklich Angst vor mir, oder?“
„Ich bin schon nervös“, gestand ich. „Es ist nicht einfach, jemandem zu vertrauen, wenn man irgendwohin aufs Land fährt und das auch noch nachts. Du bist größer und stärker als ich. Lange könnte ich mich nicht wehren. Das ist schon sehr beunruhigend. Das ist quasi der Anfang einer typischen True Crime Podcast-Folge.“
„Mist. Das wollte ich echt nicht. Schreib deinem Dad oder ruf ihn an und schick ihm deinen Standort. Das wird dir sicher helfen, dich wohler zu fühlen. Gott, ich bin so ein Idiot. Sorry. Als Kerl vergisst man, dass Frauen das alles ganz anders wahrnehmen. Ich hatte das echt ganz anders im Kopf.“
Nervös tat ich genau das. Ich tippte auf meinem Smartphone, während Matt in den Wald fuhr. Ich bekam schnell eine Antwort von meinem Daddy. Er bot mir an, mich anzurufen und sich sofort auf den Weg zu machen, doch ich lehnte ab. Noch war meine Angst nicht so groß, dass ich seine Hilfe in Anspruch nehmen musste. Es reichte mir, wenn er meinen Standort im Auge behielt.
Nach einigen weiteren Minuten Fahrt, sprach Matt wieder: „Wir sind da.“
Verwirrt sah ich nach draußen. Die Scheinwerfer beleuchteten ein gerodetes Feld. Wir waren wohl durch den Wald gefahren, während ich getippt hatte. „Wir sind da? Hier ist doch gar nichts. Matt, das macht mir wirklich Angst. Fahr mich bitte wieder nach Hause.“
„Oh Mann. Ich wollte süß und romantisch sein und du denkst, dass ich ein Killer bin.“
Ich zog den Kopf ein. „Bis jetzt ist es noch nicht romantisch.“
„Das wird es aber noch. Versprochen. Gib mir nur ein paar Minuten. Wenn es dir dann nicht gefällt, dann fahre ich dich sofort nach Hause.“
Matt beugte sich in meine Richtung, offensichtlich um mich zu küssen. Obwohl ich nervös war, gab ich ihm, was er sich erhofft hatte, dann nahm er wieder Abstand. Durch sein ehrliches Lächeln ging es mir gleich wieder ein wenig besser, das seltsame Bauchgefühl ließ sich aber nicht ganz verdrängen. Obwohl Matt mir niemals einen Grund gegeben hatte, vor ihm Angst zu haben, fühlte es sich trotzdem seltsam an, mit ihm alleine mitten im Nirgendwo zu sein.
„Komm, wir steigen aus.“
„Dann machen wir einen Spaziergang mitten in der Nacht?“
„Nicht ganz. Wir sind schon genau da, wo wir sein sollten.“ Matt stieg aus dem Pickup Truck, den er sich von seinem Dad geliehen hatte, und ließ die Tür hinter sich zufallen. Durch den Rückspiegel konnte ich beobachten, wie er die Taschenlampe seines Smartphones einschaltete und die Abdeckung der Ladefläche entfernte. Irritiert beobachtete ich ihn dabei, stieg dann aber ebenfalls aus dem Pickup Truck, um meine Neugierde zu stillen.
„Tada!“, gab Matt grinsend von sich. Er öffnete die Heckklappe und gab dadurch die Ladefläche des Pickups Preis. „Ich dachte, dass wir heute die Sterne beobachten. Es soll Sternschnuppen geben und es wäre sicher toll, wenn wir uns ein paar Wünsche erfüllen.“ Gerührt sah ich Matt an. Er beugte sich über die Ladefläche und schaltete eine kleine Laterne an, danach ließ er das Licht seines Smartphones erlöschen. „Gib mir noch einen kleinen Moment.“ Matt richtete die Decken, die er auf der Ladefläche ausgebreitet hatte. Durch die Fahrt waren sie ein wenig verrutscht. „So.“
„Das ist so süß. Jetzt tut es mir richtig leid, dass ein kleiner Teil von mir dachte, dass mir heute etwas passieren könnte.“
„Naja“, antwortete Matt, ehe er mit den Schultern zuckte. „Nach dem Arschloch auf der Party wundert mich das nicht. Außerdem war das ja nicht so abwegig. An deiner Stelle hätte ich wohl auch Angst gehabt.“ Matt reichte mir die Hand. „Aber du kannst mir vertrauen. Ich hab' dich gern und ich hoffe, dass dir dieses Date doch noch gefällt. Beim nächsten Mal überlege ich mir etwas, das wir im Tageslicht machen können.“
„Die Idee war süß, mach dir keine Gedanken mehr. Es ist alles gut“, sicherte ich ihm zu und legte meine Hand in seine.
Matt zog mich sanft zu sich, dann küssten wir uns. Erleichterung brach auf mich herein und die Angst, dass mir etwas passieren könnte, war verschwunden. Als wir wieder Abstand voneinander nahmen, half Matt mir auf die Ladefläche des Pickup Trucks. Bevor ich es mir bequem machte, schrieb ich meinem Daddy eine Nachricht zur Entwarnung. Ich erklärte Matts Intentionen und versprach, mich bald wieder bei ihm zu melden, sodass er sich keine Sorgen mehr machen musste. Matt nutzte die Zeit, um es uns gemütlich zu machen. Ich legte mich auf die Ladefläche und sah in den Himmel hinauf. So weit hinaus zu fahren war eine gute Idee. Durch die Dunkelheit um uns herum war es möglich, die volle Pracht des Sternenhimmels zu betrachten. Zwischen all den Häusern und Lichtern wäre das nicht möglich gewesen. Matt legte sich neben mich und griff nach meiner Hand. Ich atmete tief durch. Nun fühlte ich mich deutlich besser als auf dem Beifahrersitz. Der Anblick der vielen Sterne faszinierte mich. Es war atemberaubend.
„Schön, nicht?“, fragte Matt mich. Ich ließ seine Hand los, rutschte an seine Seite und bettete meinen Kopf auf seinen Arm.
„Ja. Tut mir wirklich leid, dass ich an dir gezweifelt habe.“
„Schon gut, schon gut, deine Sorge war berechtigt. Aber jetzt konzentrieren wir uns auf die Sterne.“ Matt küsste meine Schläfe. „Vielleicht inspiriert dich das hier ja zu einem neuen Kunstwerk.“
Ich kicherte. „Ja, das wäre möglich. Der Anblick hat etwas Magisches. Wie glitzernder Feenstaub.“
„Brauchst du vielleicht eine Decke?“
„Ja, das würde es noch gemütlicher machen.“
„Okay“, antwortete Matt. „Dann sollst du eine bekommen.“ Ich richtete mich auf, damit Matt genug Bewegungsfreiheit hatte. Durch das Licht der kleinen Laterne konnte ich Matt genau dabei beobachten, wie er eine Sporttasche öffnete. „Ich bin gut ausgerüstet. Ich hätte noch Snacks und etwas zu trinken. Jellybeans, Chips mit Meersalz, alles, was du so gernhast.“
„Du bist ja ein richtiger Hauptgewinn“, gab ich amüsiert von mir. Matt grinste breit und deckte mich mit einer warmen Wolldecke zu. „Danke. Du machst mich gerade zu einem sehr glücklichen Mädchen.“
„Das war meine Absicht“, entgegnete Matt mir. Er legte sich wieder zu mir und streckte seinen Arm von sich, sodass ich meinen Kopf wieder an seinem muskulösen Oberarm betten konnte. Es war schön, ihm so nahe zu sein.
„Wie bist du auf die Idee gekommen?“
„Ach, jemand hat mir von den Sternschnuppen erzählt und da dachte ich sofort an dich.“ Matt atmete tief durch. „Ich hatte das Gefühl, dass dir das gefallen würde. Dummerweise hatte ich nicht bedacht, dass es unheimlich sein könnte, mit einem Kerl ins Nirgendwo zu fahren. Typisches Männerprivileg. Ich hätte echt mal mein Hirn einschalten können. Tut mir wirklich leid.“
„Ach, schon gut. Es ist ja nichts passiert.“
Der Sternenhimmel über uns war unglaublich schön. Der sanfte Wind ließ die Blätter des Waldes hinter uns rascheln. Die Wärme, die von Matt ausging, lud mich dazu ein, mich noch näher an ihn zu kuscheln. Auch wenn jedes Date mit Matt ausgesprochen schön war, war dieses etwas ganz Besonderes für mich. Matts romantische Seite imponierte mir sehr. Einen sensiblen Footballspieler kannte ich bis zu diesem Tag nur aus Büchern, Filmen oder Serien. Viele von Matts Teamkameraden waren dumme Idioten, die Sport und Partys mochten und sich kaum für etwas Anderes begeistern konnten als zu saufen und einen Ball zu werfen. Doch Matt war anders. Es war schwer, mein Grinsen zu unterdrücken. Ich konnte mein Glück nicht fassen. Ich hatte meinen eigenen Traummann, der direkt aus einem meiner Lieblingsromane stammen könnte.
„Was grinst du denn so?“, erkundigte Matt sich interessiert.
„Ach, ich bin einfach nur glücklich.“ Meine Füße bewegten sich aufgeregt. Wahrscheinlich fragte Matt sich schon, wieso ich so zuckte.
„Merkt man kaum, du kannst ja so gut still liegen und dich auf den Sternenhimmel konzentrieren“, zog Matt mich belustigt auf. Er lachte. „Aber keine Sorge, das ist süß und charmant und ich kann nicht genug davon bekommen.“
„Dann findest du mich nicht seltsam?“, fragte ich vorsichtshalber nach.
„Nein, ganz und gar nicht. Du bist bezaubernd. Eine Traumfrau.“
„Meinst du?“ Meine Stimme war schüchtern.
„Ja“, bestätigte Matt sich.
Von dem Moment verzaubert, beugte ich mich in Matts Richtung und wir küssten uns. Matt drückte mich an sich und streichelte meinen Rücken. Das nervöse Kribbeln in meinem Bauch wuchs schnell zu vielen bunten Schmetterlingen, die in meinem Bauch ihr Unwesen trieben. Unsere Lippen berührten sich immer und immer wieder. Plötzlich fand ich mich auf Matts Hüfte wieder. Kichernd strich ich mir die Haare hinter die Ohren. Matt grinste breit.
„Oh, das entwickelt sich ja in eine schöne Richtung“, meinte Matt frech, worauf ich lachte.
„Nein, nicht hier. Und generell noch nicht. Ich will noch warten. Ich hatte vorher noch nie. Und es soll besonders werden.“
„Ist okay.“ Er strich über meinen Oberschenkel. „Du bist so verdammt schön, dass sollte illegal sein.“
„Besser nicht, sonst komme ich ins Gefängnis“, antwortete ich amüsiert, dabei schüttelte ich den Kopf. „Das wäre nicht schön für mich. Ich glaube nicht, dass ich das lange überleben würde. Ich bin zu weich für den Knast.“
„Keine Angst, dafür habe ich einen Plan. Ich grabe einen Tunnel, um dich wieder zu befreien. Wenn es sein muss mit meinen bloßen Händen.“
Matt brachte mich zum Lachen. Darin war er verdammt gut. „Und dann? Dann flüchten wir nach Mexiko?“
„Ja und wir leben glücklich und zufrieden bis ans Ende unserer Tage.“
Gerührt sah ich Matt an. „Das ist so eine schöne Idee.“ Ich beugte mich zu ihm und gab ihm einen Kuss, den er liebevoll erwiderte.
„Hey, Ilaria. Ich muss dir etwas sagen.“
„Was denn?“ Ich legte meinen Kopf schief und musterte Matt interessiert. Sein Lächeln war zu süß.
„Du bist meine absolute Traumfrau. Ich liebe dich.“
Überrascht blinzelte ich. „Du, du liebst mich?“ Ich legte meine Hände an meinen Mund, um mein freudiges Quietschen zu unterdrücken. Matt grinste breit. Glücklich ließ ich mich auf ihn fallen und drückte mich an ihn.
„Ich liebe dich auch!“, antwortete ich stürmisch. Matt legte seine Hand an meinen Hinterkopf und streichelte mich. Es war ein schönes Gefühl, das endlich loszuwerden.
„Wer hätte gedacht, dass sich so ein Sternschnuppenwunsch so schnell erfüllt“, gab Matt zufrieden von sich.
„Ach, dann war das dein bitterböser Plan? Du wolltest mich durch Wunschmagie an dich binden?“
Matt lachte los. „Wenn du es so sehen willst, dann ja.“ Er gab mir einen Klaps auf den Hintern. „Sag mal, willst du dich weiterhin an mich kuscheln oder vielleicht selbst ein paar Sternschnuppen sehen?“
„Sternschnuppen“, antwortete ich freudig und legte mich wieder neben ihn. Das breite Lächeln in meinem Gesicht fühlte sich an, als wäre es in meine Wangen gemeißelt worden. Jetzt war es erst recht schwer, still liegen zu bleiben.
Matt hatte tatsächlich gesagt, dass er mich liebt. Ich war noch nie in meinem Leben so glücklich. Freudig schmiegte ich mich wieder gegen seine Schulter. Eine hell leuchtende Sternschnuppe zog über den Himmel. Ich schloss die Augen und dachte ganz fest an meinen Wunsch.
‚Ich wünsche mir, dass Matt und ich bis ans Ende unseres Lebens glücklich miteinander sind.‘