Diese Geschichte, ihre Charaktere und die Handlung spielen in einem vollkommen fiktionalen Setting und haben daher nicht den Anspruch, das Thema BDSM in seinen Details und unterschiedlichen Auffassungen realistisch bearbeiten und darstellen zu wollen, noch möchte die Autorin die BDSM-Szene auf irgendeine Weise bewerten. Es handelt sich gerade im Bezug auf dieses Thema ausdrücklich um eine alternative Welt. Stattdessen stehen die Toleranz zum Thema im Allgemeinen und der Plot als reine Unterhaltung der LeserInnen im Vordergrund. Die Verbindung zwischen einem Virus und einer selbstgewählten Vorliebe oder psychologischen Vorgängen ist deshalb natürlich ebenfalls nicht ernst zu nehmen.
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„Okay“, sagte Rick, „du willst das also wirklich durchziehen?“
Flo schluckte und nickte dann entschlossen.
Er ließ den Blick über all die Freunde gleiten, die um den Tisch im Konferenzraum des Büros saßen und irgendwas zwischen erschrocken und fasziniert drein schauten.
Max, sein Max, saß neben ihm. Max hielt seine Hand und signalisierte ihm Unterstützung. Klar. Max würde immer auf seiner Seite sein und alles mit ihm gemeinsam angehen. Er war ihm nicht nur sein Lebensgefährte, den er über alles liebte. Gleichzeitig war er sein bester Freund, der zu ihm hielt, egal was auch geschah.
Der Tisch war voll besetzt. Da waren Steve und Rick, die beiden Spacefrogs, und Ricks Freundin Anna. Da war Olli, der sie bei ihrem Dr. Froid Kanal unterstützte. Da war Marti mit seinem Mann Jako, und auch Felix und André, die anderen beiden Mitglieder der Band Fewjar. Flo hatte auch sie heute hier her gebeten. Und da war Niklas, genannt Tommy Blackout.
„Ich will dieses Video machen“, sagte Flo, „und mir ist euer aller Meinung wichtig. Und ich könnte euer aller Unterstützung brauchen. Und sei es nur moralische Unterstützung, denn es ist durchaus möglich, dass das ganze nicht ohne Konsequenzen bleibt.“
„Du meinst, es könnte Ärger geben?“, fragte André.
„Möglich“, sagte Flo. „Muss man jedenfalls mit rechnen.“
„Also ich würde gerne vorab ein bisschen genauer hören, was du planst“, sagte Marti. „Aber grundsätzlich kann ich sagen, dass Jako und ich dir zur Seite stehen werden, auch wenn es uns nicht direkt betrifft. Das ändert nichts daran, dass es falsch ist, dass die ganze Angelegenheit gesellschaftlich tot geschwiegen wird. Und wenn du daran etwas ändern möchtest, die Leute wachrütteln möchtest, werden wir dich unterstützen.“
„Gut“, sagte Flo. „Dann werde ich euch jetzt die Ergebnisse der Recherchen auseinandersetzen, die Frodo und ich betrieben haben.“
Max lächelte angesichts der Tatsache, dass Flo ihn mit seinem Spitznamen ansprach. Er mochte das, es klang so kumpelhaft, locker ... es war einfach intimer und persönlicher, wenn Flo, wie er es meistens tat, „Max“ sagte. Und hier im Kreis der Freunde war das flapsige „Frodo“ irgendwie passender.
„Frodo“, wies Flo ihn an, „schmeiß mal den Beamer an!“
Frodo gehorchte, ruck zuck lief der Beamer. Die Leinwand hatte er vorher schon aufgebaut.
„Also“, sagte Flo, „lasst mich zuerst wiederholen, was allgemein bekannt ist. Vor ungefähr ... sieben Jahren hat es angefangen. Damals ist, wie ihr alle wisst, aus einem privaten Forschungslabor einige Kilometer südlich von Ouagadougou in Burkina Faso ein Virus ausgebrochen. Der dortige Forschungsleiter, ein Professor vom Typ 'verrückter Wissenschaftler', hat versucht, den Vorfall unter Verschluss zu halten, was ihm auch eine Zeit lang gelungen ist, da das Virus keine Krankheit oder gar Tod mit sich bringt. Doch dann hat ein Mitarbeiter das ganze an die Öffentlichkeit getragen.“
Sie alle nickten. Sie konnten sich gut an die damaligen Nachrichtenmeldungen erinnern.
Flo fuhr fort:
„Das Kanazé-Virus, so nach seinem Entdecker benannt, konnte sich daher im Anfang ungehindert ausbreiten, und als man schließlich davon wusste, war es nicht mehr zu stoppen. Das Virus bewirkt eine Änderung der menschlichen Psyche, und Professor Kanazé behauptet, es würde den Menschen nicht verändern, sondern über Jahrhunderttausende hinweg im Rahmen der Evolution entstandene Veränderungen rückgängig machen und den Menschen zu seinem ursprünglichen psychischen Zustand zurück führen. Nun, darüber mag man an anderer Stelle streiten, das ist Sache der Paläopsychologen. Aber ...“
Flo fuhr sich mit der Hand über die verschwitzte Stirn.
„ ... der Effekt, den das Virus mit sich bringt. Der ist es, der die Menschen beeinflusst, und um den wir uns kümmern müssen.“
Frodo hatte ihm ein Glas Wasser eingegossen. Der Sommer hatte es in sich, und hier im Büro war es trotz Ventilatoren einfach unfassbar heiß.
„Eine Änderung der Psyche also.“
Die Freunde nickten. Ja, das alles waren Dinge, die ihnen bekannt waren.
„Es betrifft nur einen Teil der Menschen, aber für die ist es von großer Bedeutung. Denn das Virus bewirkt, dass die Betroffenen in einer Sexual- bzw. Liebesbeziehung eine andere Dynamik annehmen. Sie sind nicht wie das, was die Gesellschaft 'normal' nennt. Sondern leben als Sub oder Dom. So wie ... Frodo und ich.“
Max hatte sich neben ihn gesetzt und nickte ihm zu.
„Oder ... Rick und Anna.“
Rick, der inzwischen nicht mehr am Tisch saß, sondern zu Füßen seiner Domme kniete und den Kopf in ihren Schoß gelegt hatte, gab ein zustimmendes Brummen von sich, während Anna ihm sanft das Haar kraulte. Ihre Finger glitten liebevoll über das aus weichstem Leder gefertigte Halsband, das dort erst seit wenigen Tagen ruhte.
„Ja“, sagte sie. „Wir haben uns testen lassen. Wir haben beide das Virus. Aber das ist nichts, was einer von uns beiden bedauert.“
Sie sah Flo in die Augen.
„Wir auch nicht“, sagte Flo. Max nickte bestätigend.
„Aber das ist genau der Knackpunkt. Die Gesellschaft stellt uns der sogenannten Normalität gegenüber, als wären wir eine Art Perversion. Sie haben Bezeichnungen für uns – nennen uns BDSMler oder Kinkies, die uns ganz klar vom 'normalen' abgrenzen sollen. Von offizieller Stelle heißt es, wir wären eine Randerscheinung. Zahlenmäßig gering, und außerdem nur eine vorübergehende Erscheinung. Und weil das so ist, werden wir quasi ausgeblendet. Jedes Jahr werden endlose Mengen von Filmen gedreht, Fernsehserien produziert ... nicht ein einziger Film, nicht eine Serien zeigt Sub-Dom Paare als normalen Bestandteil unserer Gesellschaft. Es ist, als würden wir nicht existeren.“
Flo nahm noch einen Schluck Wasser. Gut, dass Max immer an so etwas dachte.
„Werden Nachrichten gedreht, Reportagen, etc ... dann schicken sie vorher Assistenten los, die die Drehorte 'säubern', damit man keinen knienden Sub auf dem Bildschirm sieht, niemanden, der ein Halsband oder Handmanschetten trägt oder etwas ähnliches.“
Alle nickten. Ja, das war tatsächlich so.
„Und dann unser Alltag – unsere Bedürfnisse werden komplett ignoriert. Es gibt so gut wie kein Restaurant, keine Arztpraxis, keinen Bus, in dem man Kniebänke vorfindet. Und das könnte man endlos so weiter aufzählen.“
Felix räusperte sich.
„Das ist ja alles gut und schön, Flo, und ich kann dich durchaus verstehen. Andererseits stellt sich mir die Frage, ob das nicht einfach nur verständlich ist, wenn es doch so ist, dass Doms und Subs nur einen so geringen Teil der Bevölkerung ausmachen. Ob es nicht zu viel verlangt wäre, so viele Änderungen einzuführen, wo es doch nur einen so geringen Teil der Menschheit überhaupt betrifft!“
Marti und Jako, beide weder Sub noch Dom, gaben ein Stöhnen von sich.
Flo jedoch nahm Felix seine Bemerkung nicht übel. Im Gegenteil, sie kam genau zum richtigen Moment.
„Da hättest du sicher recht Felix. Wenn es wirklich nur so wenige beträfe.“
Er knallte mit der Hand auf einen Stapel mit Ausdrucken, der vor ihm auf dem Tisch lag.
„Aber genau das stimmt nicht, und hier habe ich den Beweis.“