Als Marti am Montag Morgen auf dem Weg ins Büro war, war er müde, unausgeschlafen und schlecht gelaunt. Jako war nach ihrem Streit am Freitag Abend nicht wieder zu Hause aufgetaucht. Er hatte Marti eine SMS geschickt, immerhin, dass er bei einem Studienkollegen übernachten würde.
Marti war einfach stinksauer. Das war wieder einmal typisch sein Mann. Kaum gab es mal Probleme zwischen ihnen, Dinge, die man klären musste, fiel ihm nichts besseres ein, als einfach abzuhauen. Das hatte er in der Vergangenheit schon ein paar mal gemacht und Marti hatte langsam die Nase voll davon.
Mal abgesehen davon, dass er nicht verstand, was Jako mit der Sub-Dom Thematik für ein Problem hatte, konnte man das sicher bereden und mit gegenseitigem Verständnis konnte man auch mit unterschiedlichen Meinungen leben. Eine Ehe, die das nicht hergab, war das Papier nicht wert, auf dem die Eheurkunde gedruckt war.
Aber soweit kamen sie ja nicht mal, da der Herr Joiko sich mal wieder jeglichem Gespräch entzog. So würde das nicht weitergehen. Herrgott noch mal.
Als er im Büro eintraf, waren Flo und Max schon da. Niklas ebenfalls, der hatte schon für belegte Brötchen gesorgt. Er war einfach ein Schatz. Nebenbei hatte er Unmengen an Kaffee gekocht. Nicht nur ein Schatz also, sondern ein Lebensretter.
Marti gähnte herzhaft und schnappte sich gleich mal einen großen Pott des köstlichen Heißgetränkes.
Flo wirkte entspannt und zufrieden. Er wirkte im Gegensatz zu Marti ausgeschlafen und ausgeruht. Seine Augenringe, die geradezu sein Markenzeichen waren, waren nicht über Nacht verschwunden, das nicht. Aber sie waren deutlich kleiner geworden, seine Gesichtsfarbe wirkte frisch und gesund und er summte leise vor sich hin.
Max, der ihn dabei beobachtete, lächelte leise vor sich hin.
Marti trat zu ihm mit dem Kaffee in der Hand.
„Na, ihr zwei habt dann wohl wie erwartet ein gutes Wochenende gehabt?“
Max grinste.
„Oh ja“, sagte er. „Das haben wir durchaus.“
Marti schnaubte amüsiert. Doch dann wurde sein Gesichtsausdruck wieder finster.
Max schaute ihn von der Seite an.
„Bei euch ... lief es nicht so gut?“
„Nicht wirklich. Wir hatten Streit, und dann ist Jako abgehauen. Mal wieder.“
Er nahm einen Schluck Kaffee. Das tat gut, wenn gleich seine Laune dadurch nicht wesentlich besser wurde.
„Und euer Streit ...“, sagte Max vorsichtig, „war wegen uns? Wegen dem Video?“
Marti nickte nur.
Er schwieg einen Moment, dann sagte er:
„Er hat mir vorgeworfen, dass ich selber ein Sub wäre. Nein, so hat er es nicht ausgedrückt. Er sagte knie-rutschender ... ach ich weiß es nicht mehr, es war jedenfalls ziemlich beleidigend. Unter aller Kanone.“
Wieder sagte er ein paar Minuten kein Wort. Max wartete. Flo war beschäftigt und wirbelte umher, er hatte nichts von dem Gespräch mitbekommen.
Schließlich räusperte sich Max.
„Und ... bist du?“
„Was?“ Marti verstand nicht gleich.
„Na, ein Sub!“
Marti wurde rot.
„Nein, bin ich nicht.“
Max sah ihn an.
„Also alles immer noch total Vanilla bei euch?“
Marti sagte nichts, er schien nach Worten zu suchen.
„Na ja ...“, stotterte er.
„Hör zu Marti“, sagte Max. „du musst mir nichts sagen, falls sich daran etwas geändert haben sollte. Aber mit Jako solltest du auf jeden Fall reden. Was auch immer da bei ihm abgeht. Ihr müsst reden. Und wenn er schon nicht in der Lage ist, sich klar auszudrücken, dann musst du das tun, okay?“
Marti nickte.
„Du hast ja recht.“
Martis Handy piepste.
Er schaute auf das Display, dann zu Max.
„Eine SMS von Jako“, sagte er. Etwas verlegen ging er ein paar Schritte zur Seite, um sie in Ruhe zu lesen.
„Das darf doch einfach nicht wahr sein“, schimpfte er dann.
Max warf ihm einen fragenden Blick zu. Marti reichte ihm das Handy und Max las:
„Bin gestern zu meinen Eltern gefahren und werde hier ne Weile bleiben. Muss nachdenken.“
„Verdammt“, schimpfte Marti und erntete einen fragenden Blick von Flo, der gerade mit Felix im Schlepptau den Konferenzraum betrat.
Felix steuerte direkt auf ihn zu.
„Sag mal Marti, was ist denn mit Jako los? Wir wollten uns gestern eigentlich zu ner Probe treff ...“
„Lasst mich doch einfach in Ruhe!“, schnauzte Marti und stürmte aus dem Raum.
„Keine gute Idee, ihn gerade jetzt auf Jako anzusprechen“, sagte Max und rannte hinter ihm her.
Er fand Marti in der Küche, wo er sich gerade eine Zigarette angesteckt hatte.
„Hey, ich wusste gar nicht, dass du rauchst?“
„Tu ich eigentlich auch schon lange nicht mehr.“
Max überlegte einen Augenblick.
„Hör mal, Marti. Wir werden dich für die Aufnahmen der Off-Stimme frühestens Ende der Woche brauchen. Und alles andere, da müssen alle anderen eben ein bisschen mehr anpacken. Also schnapp dir einen Rucksack und fahr ihm hinterher.“
„Meinst du ...?“
„Ja, das meine ich. Wenn ihr nicht redet, kriegt ihr das nie geklärt. Und da er das nicht hin bekommt, bist du jetzt an der Reihe.“
Marti überlegte nur einen Augenblick.
„Sagst du dann den anderen Bescheid? Ich möchte jetzt nicht noch tausend Fragen beantworten müssen.“
„Schon okay. Sieh zu, dass du dich auf den Weg machst!“
„Danke“, sagte Marti und umarmte Max.
„Kein Problem, dafür hat man doch Freunde“, sagte Max. Ja, dachte er. Von Freund zu Freund.
Vielleicht hätte er noch auf einer anderen Ebene mit Marti reden sollen. Er hatte da nämlich so ein Ahnung, was das Problem zwischen den beiden eigentlich war.
Aber dazu war es wohl noch zu früh.
Erst mal mussten die zwei sich selber finden, wie man so schön sagt.
Als die Tür zum Treppenhaus hinter Marti ins Schloss fiel, schlenderte Max zurück in den Konferenzraum. Die fragenden Blicke ließ er unbeantwortet. Nun, Flo würde er wohl von seinen Gedanken erzählen. Später. Jetzt ging es erst einmal um die Arbeiten an dem Video.
Also wandte er sich der Tagesordnung zu.