Sie hatten diesen Polizeibericht nicht verwendet.
Ja, er war hochgradig interessant gewesen. Aber auch sehr brisant, und es war klar, dass er auf irreguläre Weise in Flos Hände gekommen war. Er war nicht für Augen außerhalb der Führungselite der Polizei bestimmt gewesen, und wer immer ihn auch Flo in die Hände gespielt hatte, musste sich darüber im Klaren gewesen sein. Derjenige musste aber andererseits auch, ähnlich wie Flo selber, stark daran interessiert gewesen sein, der Bevölkerung vor Augen zu führen, wie sehr sie an der Nase herum geführt wurde und daran, diese Dinge zu ändern.
Flo hatte keine Ahnung, wer derjenige gewesen war, (der Bericht war eines Tages vor der Tür des Büros abgelegt worden und niemand hatte herausfinden können, durch wen,) und wenn er ehrlich war, wollte er das auch gar nicht wissen, damit er den unbekannten Informanten nicht in Gefahr bringen könnte.
Letztendlich hatte er mit seinen Freunden lange und ausgiebig diskutiert, und sie hatten gemeinsam beschlossen, den Bericht vorerst nicht öffentlich zu machen. Das Video bot auch ohne ihn genug Zündstoff.
Sollte es den offiziellen Stellen gelingen, ihr Video genügend herunterzuspielen oder in der Versenkung verschwinden zu lassen, dann wäre der Bericht eine weitere Option. Das allerdings war schon gegessen, denn wie bereits gesagt war das Video rund um die Welt viral gegangen.
Das Polizeiinterne Papier würde also wohl vorerst unter Verschluss bleiben.
Im Augenblick lag der Bericht wohl verschnürt und fest verschlossen in einer abschließbaren Schublade in Felix' Schreibtisch, zu Hause in dessen Zimmer in seiner WG. Sie hatten Felix gebeten, ihn aufzubewahren, da sie ihn nicht bei sich zu Hause haben wollten, denn dort würde man am ehesten danach suchen, und auch nicht im Büro. Das wäre ebenfalls zu naheliegend.
Wohl war keinem von beiden in diesem Augenblick.
Flo jedoch sah Kriminalhauptkommissar Schneider fest an und sagte nun:
„Wovon auch immer Sie sprechen. Wir haben damit nichts zu tun.“
In gewisser Weise hatte er damit nicht einmal gelogen, denn mit dem Entwenden des Papiers hatte er ja nun wirklich nichts zu tun gehabt.
„Sie wissen also nicht, von welchem Bericht hier die Rede ist?“
Flo schluckte. Jetzt musste er doch noch lügen. Es blieb ihm nichts anders übrig.
„Nein, absolut nicht.“
Man sah Schneider an, dass er kein Wort davon glaubte.
„Wenn wir also die Absicht hätten, Ihre Wohnung danach zu durchsuchen, dann wären Sie damit einverstanden?“
Flo setzte zum Sprechen an, doch Max übernahm die Antwort:
„Da das ein absolut unverschämter Eingriff in unsere Privatsphäre wäre, wären wir selbstverständlich nicht einverstanden, solange keine offizielle Richterliche Anordnung vorliegt.“
Schneider schaute Flo an und sagte:
„Herr Mundt ...“
Doch wie schon zuvor unterband Max das Gespräch.
„Stop!“
Ganz der Dom, strahlte er Ruhe und Gelassenheit, aber eben auch unbestreitbare Dominanz aus.
„Herr Schneider, mein Sub und ich sind die ganze Nacht auf den Beinen gewesen. Gerade erst sind wir nach Hause gekommen, um einfach nur zu schlafen. Wir sind völlig erledigt. Und da es offenbar nichts gibt, was Sie uns tatsächlich anlasten können, möchte ich Sie nun bitten, zu gehen.“
Er stand auf und seine ganze Körpersprache wies zu Tür.
Schneider erhob sich ebenfalls.
„Gut“, sagte er. „Ich sehe schon, im Augenblick kommen wir so nicht weiter. Aber wir werden Sie nicht aus den Augen lassen. Einen angenehmen Tag noch.“
Dann ging er, begleitet von Max, aus der Wohnung und verließ mit seinen beiden uniformierten Polizisten das Haus.
Max kam zurück in die Küche, wo Flo noch immer saß und den Blick auf den Tisch gesenkt hatte.
„Oh Mann“, flüsterte Flo. „Max, ich bin völlig durch den Wind!“
„Ich weiß, mein Lieber, ich weiß“, sagte Max und strich seinem Sub durch die Haare.
„Wir sollten uns ein bisschen hinlegen.“
Flo schüttelte den Kopf.
„Ich glaube, ich kann jetzt sowieso nicht schlafen. Und außerdem ... wir sollten Felix warnen.“
„Meinst du?“
„Ja“, sagte Flo. Dann kuschelte er sich enger an seinen Dom. „Max, ich ... ich habe Angst.“
Sie saßen eine ganze Weile so nebeneinander.
Dann nahm Max sein Handy zur Hand.
Er überlegte einen Augenblick. Ob man wohl ihre Telefone ausspähte? Möglich wäre das ... oder? Nun, er wollte nichts riskieren. Daher schrieb er eine Rundnachricht an alle am Video beteiligten Freunde.
„Hallo Leute, gerade war die Polizei bei uns. Sie haben fälschlich geglaubt, wir hätten für das Video einen Polizeibericht geklaut. Irre, was? Wir sehen uns morgen! M+f“
Falls also tatsächlich jemand ihre Nachrichten mitlas, würde es so unverfänglicher sein. Felix wäre gewarnt und die restlichen Freunde würden ebenfalls wissen, wie der Stand der Dinge war und wie sie sich zu verhalten hatten.
Als das erledigt war, stand Max auf.
„Komm, Flo“, sagte er. „Lass uns ins Bett gehen!“
Flo sah ihn flehend an.
„Wirklich, Max, ich kriege jetzt kein Augen zu!“
Max seufzte. Ja, das war so eine Sache mit Flo. Manchmal war er, wenn irgendetwas entscheidendes in ihrem Leben passierte, volle drei Tage auf den Beinen gewesen ... gut war das sicher nicht für ihn, aber Max hatte es bisher weder mit Liebe noch mit Strenge geschafft, ihn in solchen Situationen zum Schlafen zu bewegen.
Flo wirkte wie ein aufgezogener Gummiball.
„Ich würde gerne herausfinden, ob wir beobachtet werden. Von der Polizei oder so.“
Max sah ihn erstaunt an.
„Na ja, Schneider hat doch gesagt man würde uns nicht aus den Augen lassen, Max. Ich möchte gern wissen ob er das wörtlich gemeint hat.“
Die Frage war durchaus berechtigt.
„Gut“, sagte Max. „Dann gehen wir einfach vor die Tür, ganz unverfänglich spazieren oder so, und schauen uns dabei ein bisschen um.“
Gesagt, getan. Max sehnte sich zwar nach ihrem schönen, weichen Bett, andererseits, nun ja, wirklich entspannt hätte auch er vermutlich nicht geschlafen, also was solls.
Sie verließen zusammen die Wohnung.
Er nahm Flo bei der Hand, während sie die Straße entlang schlenderten. In seinem Herzen brodelte das Bedürfnis, ihn zu beschützen, gerade jetzt.
Sein Blick fiel auf Flos Hals.
Wenn dort jetzt ein Halsband wäre, dachte er. Das würde toll aussehen, und jeder könnte sehen, dass er mir gehört ... Bilder von weichem Leder schossen durch seinen übermüdeten Kopf ... von einer Leine, an der er Flo führte und die noch mehr zeigte wie sehr der Sub zu ihm gehörte ...
Mein Sub, dachte Max. Egal was kommt. Ich werde für dich da sein.
Nötigenfalls, und er wurde selber von der Intensität seiner Gefühle überrumpelt, würde ich für dich mein Leben geben.