Montag Morgen.
Auch Flo und Frodo waren ebenfalls früh auf den Beinen.
Flo hatte als allererstes nach dem Aufstehen sein Laptop angeworfen, um zu schauen, was sich über Nacht so getan hatte.
Und es hatte sich viel getan.
Nicht nur, dass ihr Video sich immer weiter verbreitete.
Nein, inzwischen waren auch jede Menge Verlinkungen in ihren Kommentaren, die zu Videos von Creatorn rund um die Welt führten, die einen Content beinhalteten, denen ein ähnliches Thema wie das ihre zu Grunde lag.
Leute von überall her schilderten ihre Sicht der Dinge.
Zeigten mit Handy-Kameras gefilmte Demos von Subs und Doms.
Es gab Aufnahmen von einer Kanazé-Pride in den USA, die ganz offenbar von der Polizei gestoppt und zerstreut worden war. Von ähnlichen Veranstaltungen in Südamerika und Russland, wo die Polizei drauf los geprügelt hatte. Von Verhaftungen, beispielsweise in China.
Es gab Interviews mit Menschen, in Innenstädten rund um die Welt.
Ganz normale Alltagsaufnahmen, die einfach das Bild zeigte, wie es in vielen Städten herrschte, in denen sich Subs und Doms nicht verstecken mussten: Unverkennbar als Kanazés erkennbare Paare beeinflussten einfach das Straßenbild.
Wie auch immer. Ihr Video hatte einfach weltweit eine Welle losgetreten.
Max, der inzwischen hinter Flo stand, seinen Kopf auf Flos Schulter abgelegt, seufzte.
„Ich bin froh, dass das Ganze solche Auswirkungen hat“, sagte er.
„Ich auch“, sagte Flo, „aber ich habe auch Angst.“
„Na ja, bisher ist ja nichts wirklich schlimmes passiert, oder? Besuch von der Polizei, nun gut ...“
„Aber, Max, meinst du, dass es so ruhig bleibt?“
Max wiegte den Kopf.
„Ich weiß nicht, Kleener. Aber ich denke, lass uns einfach entspannt bleiben und die Sache auf uns zukommen. Wir werden schon sehen, was noch geschieht. Und uns dem dann stellen, wenn es erforderlich ist, okay?“
Flo drehte den Kopf, so dass es ihm möglich war, Max zu küssen, und dann tat er genau das.
„Ick liebe dir, Frodo“, sagte er.
„Ick dir ooch, Kleener“, sagte Max und lächelte.
Sie wollten früh im Büro sein, und machten sich auf den Weg. Da sie beide zu hibbelig gewesen waren, um zu Hause zu frühstücken, stoppten sie unterwegs bei einem kleinen Bäckerladen, der köstliche frische belegte Bagels anbot. Max wollte es auf keinen Fall zulassen, dass Flo schon wieder ohne Frühstück in den Tag startete.
Während Max über den Milchschaum seines Cappuccino pustete, fragte Flo:
„Was meinst du, ob Felix sich um ... nun, darum gekümmert hat?“
„Das hoffe ich mal“, sagte Max. „Wir werden es nachher erfahren, wenn er im Büro ist.“
„Ja. Ich glaube es war vernünftig, nicht anzurufen. Wer weiß ... ob jemand mithören würde.“
Max grinste.
„Das klingt gerade ganz schön paranoid, weißt du?“
Flo aber grinste nicht.
„Ich weiß. Aber nach alle dem, was unser Video so ausgelöst hat ... ich wundere mich, dass wir nicht schon deutlich mehr Druck ausgesetzt sind.“
Max nickte.
Nun, sie frühstückten in Ruhe zu Ende.
Die Bagels und der Kaffee taten gut, und so machten sie sich gestärkt auf den Weg.
Als sie auf die Straße traten, blieb Flo einen Augenblick stehen.
„Max?“
„Ja?“
„Hast du ...“ Flo räusperte sich.
Max schaute ihn an. Flo schien etwas verlegen, jedenfalls war seine Nasenspitze ein wenig rot.
„Hast du ... die Leine ...?“
Max grinste.
„Möchtest du?“
Flo nickte heftig.
„Ja, bitte. Ich möchte sie tragen, ich bin stolz darauf, weißt du?“
Zufrieden nahm Max die Leine zur Hand, die er eingerollt um seinen Gürtel geschlungen hatte, und hakte sie in Flos Halsband ein.
Er zog seinen Sub zu sich heran und küsste ihn.
„Ich bin auch stolz“, sagte er leise. „Stolz darauf, dass ich einen so großartigen Sub habe. Dass jemand, der so stark, klug und mutig ist wie du, mein Sub ist.“
Flo seufzte glücklich und schmiegte sich eng an seinen Dom.
Da erklang eine Stimme hinter ihnen.
„Hey, ihr seid ja süß zusammen“, sagte ein Mann mit einer Tüte Brötchen in der Hand, „aber ihr müsst hier nicht gleich die Tür blockieren!“
Der Typ grinste, und Max und Flo sprangen zur Seite.
„Sorry“, sagte Max und grinste zurück.
Dann wickelte er das Ende von Flos Leine zweimal um die Hand, so dass er ihn nah bei sich hielt, und sagte:
„Na komm, Kleener, machen wir uns mal auf den Weg.“
Sie trotteten nebeneinander her. Es war nicht mehr weit bis zum Büro.
Im Gebäude angekommen, nahmen sie den Aufzug.
Kaum aus der Aufzugkabine getreten, blieb Flo wie angewurzelt stehen, und auch Max riss erschrocken die Augen auf.
Die Tür zum Büro war offenbar mit Gewalt aufgebrochen worden.
Flo stürme vorwärts, und Max reagierte schnell, er ließ die Leine los, um Flo nicht ins stolpern zu bringen und rannte hinterher.
Flo riss die Tür auf und stöhnte auf.
Um sie herum herrschte Chaos. Schränke, Schreibtische, Rollcontainer ... alles aufgerissen. Papier, Büromaterial, CD-Roms, Games, alle möglichen Requisiten für Video-Drehs ... alles lag achtlos umher geworfen auf dem Boden. Selbst in der Büroküche war Geschirr auf dem Boden, die Kaffeetüten waren aufgeschlitzt und ausgeschüttet worden ...
Verdammt.
„Haben hier Vandalen gehaust ...?!“ fragte Flo entsetzt.
„Es geht also los“, sagte Max. Er schluckte. „Verdammt, es geht los.“
Dann nahm er sein Handy zur Hand und rief die Freunde an. Alle. Nacheinander.
Es war doch scheißegal, wer jetzt mithörte.
Er war stinkwütend. Dieses Land hier war doch immerhin noch eine Demokratie, oder? Herr Gott nochmal!!!
Flo dagegen presste sich zitternd an ihn. Er war so froh und dankbar, seinen Max bei sich zu haben. Was sollte er nur ohne ihn tun?
Er hatte Angst. Und doch. Er bereute nicht eine Minute lang, das Video gemacht und online gestellt zu haben.