„Schon gut, schon gut“, sagte Marita leise und klopfte ihm sanft auf den Rücken.
„`Tschuldigung“, schniefte Marti, „war einfach ein bisschen viel in den letzten Tagen.“
Dann löste er sich aus ihrer Umarmung und nahm dankbar das Taschentuch entgegen, das sie ihm reichte. Er war etwas verlegen, aber andererseits vertraute er der Schwiegermutter und wusste, dass sie ihn wirklich gern hatte.
Er schnaubte sich aus und fragte dann:
„Ist Jako hier?“
„Nun, im Augenblick ist er mit seinem Vater unterwegs. Der Deckenventilator im Schlafzimmer hat den Dauerbetrieb bei dieser Hitze nicht überstanden, und sie besorgen einen neuen. Sie müssten jeden Augenblick zurück sein.“
Marti schmunzelte. Klaus, Jakos Vater, mochte nach außen hin immer so wirken, als hätte er nur deswegen kein Dienstpersonal für alles und jedes, weil man heutzutage einfach keine geeigneten Leute mehr findet, die seinen gehobenen Ansprüchen genügten.
In Wahrheit jedoch erfuhr man, wenn man ihn näher kennen lernen durfte, dass er ein herzensguter Kerl war, der wahnsinnig gerne herumpusselte und handwerklich überaus geschickt war.
Das hatte Jako, der Mann mit den zwei linken Daumen, sicher nicht von seinem Vater geerbt.
Marita schob ihren Schwiegersohn ein wenig von sich weg.
„Nichts für ungut, Junge, aber du bist ziemlich durchgeschwitzt. Kein Wunder bei der Hitze, und dann stundenlang auf der Bahn. Ich glaube, eine Dusche wäre angebracht oder? Jako schläft in seinem alten Zimmer, aber ich beziehe mal vorsichtshalber das Bett im Gästezimmer. Ich hoffe allerdings, dass ihr das nicht brauchen werdet.“
Marti zuckte mit den Schultern und sagte dann:
„Ne Dusche wäre toll.“
Als kurze Zeit später Klaus und Jakob von Joiko das Haus betraten und einen schweren Karton mit einem neuen großen Deckenventilator hereinschleppten, stand Marita von Joiko mit verschränkten Armen und strengem Blick im Flur und schaute den beiden zu.
„Oh je“, sagte Klaus und versetzte seinem Sohn einen Rippenstoß.
„Guck dir mal Mutter an. Irgendwas ist hier im Busche.“
„Im Busche nicht“, sagte Marita, „aber in der Dusche. Und zwar dein Mann, Jakob.“
Jako riss erstaunt die Augen auf. Verdammt, er hätte damit rechnen müssen, dass Marti ihm folgen würde.
Er seufzte innerlich. Konnte der ihn nicht einfach mal in Ruhe lassen? Ihn einfach in Ruhe schmollen lassen?
Verflixt noch mal.
In dem Augenblick öffnete sich die Tür zum Badezimmer und Marti trat in den Flur. Er hatte sich ein frisches Shirt übergezogen und trug Shorts. Ansonsten war er barfuß und sein Haar war noch feucht und vom Handtuch verstrubbelt.
Jakos Kehle wurde trocken und all sein Ärger verflog. Marti sah einfach zum anbeißen aus.
„Jako!“, entfuhr es Marti, der nun ebenfalls nicht wusste, was er sagen sollte.
Klaus hätte sich am liebsten verdrückt, aber ein Blick seiner Frau hinderte ihn daran.
„Jungs“, sagte Marita, „ihr beide müsst reden. Dringend.“
Beide jungen Männer schauten zu Boden.
„Ich denke, das es hier wohl um recht private Dinge geht, und dass ihr das eigentlich lieber unter euch klären würdet, habe ich recht?“
Jako sagte nichts. Er wollte im Moment am liebsten gar nicht reden.
Marti dagegen nickte.
„Nun“, sagte Marita, „allerdings kenne ich euch gut genug, um zu wissen, dass das nicht funktioniert. Ich kann mir gut vorstellen, was geschehen wird: entweder schreit ihr euch an, solange, bis mein geschätzter Herr Sohn wieder das Weite sucht ...“
Jako schaute verlegen.
„...oder ihr beiden landet direkt im Bett. Nun ist ja gegen Versöhnungssex nichts einzuwenden, aber doch bitte erst, nachdem man die Probleme geklärt hat, und das kriegt ihr zwei doch alleine nicht hin, oder?“
Nun waren sie beide knallrot, schwiegen aber. Was sollte man machen, Mutter hatte einfach Recht.
Klaus betete innerlich, dass das hier ein Ende haben möge, aber Marita ließ nicht locker.
„Also werde ich als eine Art Moderatorin bei euch bleiben. Klaus, mein Schatz, kümmerst du dich bitte um den Ventilator?“
Klaus dankte dem Himmel, nickte und verschwand.
„Und nun – ab mit euch ins Wohnzimmer.“
Die beiden jungen von Joikos trotteten hinter ihr her wie die Lämmer auf dem Weg zur Schlachtbank.
Marita hatte im Wohnzimmer kühles Sprudelwasser und Gläser bereitgestellt. Sie schenkte aus und begann:
„Ich halte mich einfach im Hintergrund. Und ich habe drei Bedingungen.“
Die Jungs sahen sie an.
„Erstens: Wenn ihr Möbel demoliert, sorgt ihr selber für Ersatz. Zweitens: Ich werde keinesfalls hinterher das Blut aufwischen.“
Marti grinste. Sie hatte ja schon manchmal einen seltsamen Humor.
„Und drittens: Anschließend werde ich den Tisch decken und bei unserem Lieblingsitaliener ein Abendessen bestellen und dann wird gemeinsam und in Frieden gespeist. Klar?“
Und auch sie schaffte es, das ganze mit einer gediegenen Noblesse auszusprechen, als würde sie solche Arbeiten normalerweise dem Hausmädchen überlassen, nur hätte das heute seinen freien Tag.
Ach ja, man konnte sagen, was man wollte, Marti mochte diese Frau.
Und der Blick, den Jako ihr schenkte, war liebevoll, aber auch ein bisschen schuldbewusst, wie von einem kleinen Jungen, den man mit der Hand in der Keksdose erwischt hatte.
Sie setzten sich um den großen Wohnzimmertisch.
Marti trank einen Schluck Wasser.
Er würde es Jako erzählen. Vielleicht würde er dann erfahren, warum Jako so ein Problem mit der Sub-Dom Thematik hatte. Vielleicht könnten sie eine Lösung für sich finden, vielleicht wäre aber auch alles vorbei ...
Egal. Solche Dinge konnten auf Dauer kein Geheimnis bleiben. Nicht in einer gesunden Ehe.
Also holte er tief Luft, sah Jako in die Augen und sagte:
„Jako, ich weiß nicht, was das jetzt für Konsequenzen haben wird, aber ich glaube, ich sollte dir etwas gestehen.“
Jako schnaufte und sah in mit weit aufgerissenen Augen an.
Dann hustete er und sagte mit heiserer Stimme:
„Genau das wollte ich auch gerade sagen ...“