Sie blieben noch einen Tag bei den Eltern und nahmen sich Zeit füreinander. Sie kuschelten, liebten sich, redeten. Doch über die gravierenden Veränderungen in ihrer Beziehung redeten sie nicht, oder nur sehr wenig. Jako hatte darum gebeten. Er bat Marti, dass die es langsam angehen würden, Schritt für Schritt. Denn wenn er sich auch im Moment noch nicht darüber klar war, was er wollte und wie er sich das ganze vorstellen konnte, hatte er eine Sache doch deutlich zum Ausdruck gebracht:
Er wollte es versuchen.
Er wollte Martis Sub sein und nicht versuchen, eine Fake-Vanilla-Beziehung zu leben, die doch auf die ein oder andere Weise früher oder später zum Scheitern verurteilt wäre.
Er wollte, dass Marti als sein Dom die Führung in ihrer Ehe übernähme, wollte sich ihm unterordnen.
Aber – langsam und ohne Eile.
Marti hatte es ihm natürlich zugesagt.
Wenn es nach ihm ginge, wären sie zugegebener Maßen schon viel weiter.
Jako vor ihm auf Knien, das wäre wunderschön.
Jako das Gehorchen lehren war ein lohnenswertes Ziel.
Und wenn er ehrlich war, würde er am liebsten Jako für diese ganze Aktion – das beleidigende Äußern über Subs, das Verdrängen, dass er selber einer war, das Abhauen, anstatt das Gespräch zu suchen, dieser ganze dumme Streit, der vermeidbar gewesen wäre, wenn Jako verdammt noch mal seinen wunderschönen Mund aufgemacht hatte, um über seine Kümmernisse zu reden... wie auch immer, am liebsten würde er ihn dafür übers Knie legen und ihm den wunderschönen Hintern versohlen.
Doch das würde er nicht tun. Sie würden sich Jakos Tempo anpassen, und sie würden nichts tun, mit dem Jako sich unwohl fühlte. Er wusste, wie fragil das Seelenleben seines Mannes sein konnte und diese Verletzlichkeit gehörte ja auch zu den Dingen, die er an ihm liebte. Und deswegen würde er nichts übereilen.
Immerhin war seine Stellung als Dom in ihrer Beziehung ja auch für ihn neu. Und er betrachtete es als wichtigste Aufgabe eines Dom, dass es seinem Sub gut ging.
Nun, wie auch immer. Sie fuhren erst am Mittwoch wieder nach Berlin zurück und kamen am frühen Abend in ihrer gemeinsamen Wohnung an.
Sie packten ihre Taschen aus, und Marti streckte sich und sagte:
„Ich bin verschwitzt und hungrig. Was meinst du, erst essen oder erst duschen?“
Jako kaute auf seiner Unterlippe.
„Ich weiß nicht“, sagte er. „Das ... das solltest doch du entscheiden ... oder?“
Marti lächelte still.
Dann sagte er:
„Nun, dann lass uns erst duschen und hinterher eine Pizza bestellen. Okay?“
Jako nickte.
„Ja ... Marti.“
Während Marti unter der Dusche stand und das warme Wasser über seinen Körper rieselte, dachte er nach.
Es war ganz eindeutig, dass Jako, der ihm den Vortritt unter der Dusche gelassen hatte und sich nun um die Pizzabestellung kümmerte, sich bemühte, sich in seine Rolle als Sub zu finden. Zu tun, was von ihm als Sub erwartet wurde, jedenfalls so wie er sich das vorstellte, und Marti eben ein guter Sub zu sein.
Nun, es würde nicht einfach werden.
Es würde Zeit und vor allem viel Geduld und Verständnis von seiner Seite brachen, um Jako klar zu machen, dass sie zwar nun ein Kanazé-Paar waren, aber dennoch sie auch weiterhin ein liebendes Ehepaar waren. Dass sich an ihre Beziehung nicht so viel geändert hatte.
Dass sich das ganze nicht auf Sub-Dom reduziert hatte, sondern dass sie weiterhin Eheleute waren, Partner, beste Freunde, Geliebte.
Nun, es war mit Jako noch nie einfach gewesen. Er hatte schon immer Jakos empfindliche Seele wie ein Juwel behandelt, manchmal wie zerbrechliches Porzellan. Und er würde das auch hier wieder hinbekommen.
Als sie schließlich beide frisch geduscht in ihre bequemen Hausklamotten geschlüpft waren und Jako die Pizza an der Haustür entgegen genommen hatte, machte Marti es sich auf dem Sofa gemütlich. Jako stand etwas unschlüssig neben ihm, bis Marti auf das Sofa klopfte und sagte:
„Komm, setzt dich zu mir!“
Jako strahlte, kuschelte sich neben seinen Mann und dann verspeisten sie ihr Abendessen.
Anschließen ließ Marti Jako einen Film aussuchen. Und so schauten sie irgend so ein künstlerisches Drama, typisch für Jako, dem Marti aber ehrlicherweise nicht mehr ganz folgen konnte. Er war zu müde, die lange Zugfahrt hatte ihn angestrengt. Auch Jako sah müde aus.
Also bat Marti ihn irgendwann, den Film zu unterbrechen.
„Wir sollten ins Bett gehen“, sagte er.
Jako nickte und schaltete das Gerät aus. Er brachte die Pizzakartons in die Küche, und dann trotte er gehorsam hinter Marti her ins Bad, um sich gemeinsam mit ihm die Zähne zu putzen.
Als sie schließlich Arm in Arm im Bett lagen, dachte Marti:
'Daran könnte ich mich schon gewöhnen!'
Doch ihm war klar, dass es auf Dauer nicht so einfach bleiben würde. Nicht mit Jako, aber das machte nichts, denn schließlich liebte er seinen Mann genau so, wie er war.
Am Donnerstag waren sie beide schon sehr früh im Büro.
Max und Flo waren schon da. Jako ging sofort zu den beiden hinüber und bat Max, vor allem aber Flo um Verzeihung. Marti freute sich darüber, denn er wusste, wie schwer ihm das fiel und was es ihn gekostet haben musste.
Flo sagte nichts, sondern nahm ihn einfach in den Arm.
Max dagegen grinste breit.
„Täusch ich mich, oder sei ihr beide jetzt auch 'Kinkies'?“
Jako wurde rot. Er schämte sich dafür, dass er die Freunde neulich so angemotzt hatte.
Er nickte nur.
Marti lächelte und sagte zu Max:
„Sind wir wohl. Aber wir lassen es langsam angehen.“
Max nickte.
„Macht Sinn. Aber wenn du mal nen Rat brauchst oder einfach reden willst ...“
Und dann nahm er Marti ebenfalls in den Arm.
Es war gut, dass Jako und Marti wieder da waren, denn ihre Mitarbeit war sehr geschätzt.
Die Arbeiten am Video schritten voran, und schon Mitte der darauffolgenden Woche war es fertig.
Man beschloss, es am Freitag Abend, sozusagen als Einstieg ins Wochenende, zu veröffentlichen.
Und währenddessen waren der unauffällige Mann in seinem Büro in jenem ebenfalls unauffälligen Haus irgendwo in Deutschland und auf seinen Befehl hin seine Untergebenen, also mit anderen Worten eine Menge Geheimdienstleute, immer noch auf der Suche nach demjenigen, der den geheimem Polizeibericht in seine Hände bekommen hatte.