In einigen Momenten bin ich wirklich selig, was die Reaktion anderer auf meine Identität angeht. Ich bin auf der Geburtstagsfeier zweier Freunde, auf der auch einige der Leute sind, die auf Ellas Geburtstag waren. Da ich die meisten nur selten sehe, mir ihre Akzeptanz aber auch wichtig ist, nehme ich mir vor, mich zumindest bei ein paar von ihnen zu outen. Das erste Mal an diesem Abend sage ich es Olivia. Vor einigen Jahren hat sie sich selbst als lesbisch geoutet, und seither sprechen wir oft über LGBT-Themen. Das werden wir im Laufe des Abends auch noch tun, gemeinsam mit James, der sich im Alter von fünfzehn Jahren als Transgender geoutet hat. Ich war damals relativ eng mit ihm befreundet, inzwischen haben wir uns jedoch aus verschiedenen Gründen voneinander entfernt. Ein bedauerlicher Umstand, wie mir aufällt.
James hat einen wundervollen, knuffigen, verschmusten, verfressenen Hund, der von so ziemlich allen in unserer Freundesgruppe sehr geliebt wird. Er fungiert an diesem Abend als Klingel, weil die elektrische anscheinend nicht funktioniert. Während ich mich mit Olivia unterhalte, beginnt sie, den Hund zu streicheln. Sie setzt sich neben ihn auf den Boden, knuddelt ihn und man sieht ihr an, dass sie in diesem Moment einfach nur zufrieden ist. Lächelnd setze ich mich zu den beiden und strecke selbst eine Hand nach dem Fell des Hundes aus.
"Wie glücklich er aussieht", bemerke ich lachend. Die Augen des Hundes leuchten tatsächlich, sein Maul steht hechelnd weit offen und er sucht selbst immerzu Kontakt zu Olivia oder mir.
"Wie könnte er auch nicht glücklich sein", gibt sie zurück, "wenn er von zwei hübschen Frauen umgeben ist."
Das ist schon die zweite Bemerkung dieser Art, die Olivia heute Abend macht. Ich weiß, dass sie das nicht böse meint, im Gegenteil. Eigentlich will sie mir damit ein Kompliment machen. Deswegen ignoriere ich den leichten Stich in der Brust, den ich immer bei solchen Worten spüre, und erwidere: "Naja, nicht so ganz." Danach kommen die üblichen Worte: Ich bin Nonbinary, bla bla, und wieder schaffe ich es nicht, mich als Hayo vorzustellen. Naja. Zumindest erleichtert es mich sehr, dass ich dieses Mal keine Verschiebung spüre. Olivia sieht das überhaupt nicht als Problem an.
Etwas später frage ich James, wie das mit seinem Namen war. Ich möchte wissen, ob er damals auch solche Schwierigkeiten hatte, andere zu bitten, ihn bei seinem Namen zu nennen. Doch er versteht mich falsch. Was er sagt, ist dennoch nicht uninteressant: "Eigentlich habe ich immer mit meiner Mutter darüber geredet. Im Internet habe ich mich auf Babynamen-Seiten umgeguckt, und dann einige Vorschläge mit ihr abgesprochen. Nach einer Weile bin ich eben auf meinen Namen gestoßen. Mir gefiel seine Herkunft und Bedeutung, und das ist es dann auch geworden. Also, eigentlich habe ich nur sehr viel darüber geredet." Ich bedanke mich und nehme mir vor, ihn bei Gelegenheit weiter zu fragen. Es ist schön, ihn seine eigene Geschichte erzählen zu hören.
Wie es bei solchen Abenden fast schon üblich ist, kommen wir auch heute auf intensive Gespräche, die sich mit den tiefsten Sorgen und Gedanken beschäftigen. Dieses Mal unterhalte ich mich mit Sophie und Callum, bei dessen fester Freundin ich mich bereits bei Ellas Geburtstag geoutet habe. Während er also mit einer Schüssel Chips in der leeren Badewanne sitzt und ich eine möchtegern-Therapie mit ihm abhalte, fragt er nach einer kurzen Unterbrechung nach meiner Identität. Seine Freundin muss ihm wohl davon erzählt haben. Ich empfinde das nicht als aufdringlich. Callum ist freundlich, interessiert und zurückhaltend. Er gibt mir genügend Raum, mich zu erklären, und stellt nur respektvolle Fragen, die von einem hohen Verständnis geprägt sind. Ich fühle mich in diesem Moment sorgsam aufgehoben. Später erzählt er mir, dass er selbst Bisexuell ist.
Sophie nennt mich übrigens noch immer "Wiebke", korrigiert sich aber jedes mal zügig, wenn es ihr auffällt. Ich merke ihr an, dass es schwierig ist, sich umzugewöhnen, aber sie gibt sich Mühe.