Es dauert ein paar Wochen, bis ich endlich einen Termin mit dem Schuldirektor - meinem Chef - bekomme, doch endlich sitze ich bei ihm im Büro. "Ich habe im Januar angefangen, mich als nonbinär zu outen", eröffne ich mein Anliegen. "Inzwischen drängt sich mir die Frage auf, inwiefern ich das hier in die Schule tragen kann. Grundsätzlich habe ich den Wunsch, das auch meinen Schülern zu sagen. Mit Clara habe ich bereits darüber gesprochen, aber ich würde mir gerne auch noch deine Meinung dazu einholen." Eigentlich steht mein Entschluss schon fest. Dennoch halte ich es für notwendig, dass mein Chef über die Geschehnisse an seiner Schule bescheid weiß.
Er nickt ein paar mal bedächtig, bevor er antwortet. "Was würde dir dieses Outing geben?", fragt er ruhig. "Mit welcher Intention willst du das machen?"
Ein bisschen bin ich überrascht davon, dass er die kleine Offenbarung einfach so hinnimmt. Andererseits macht das auch alles ein wenig einfacherer. "Einmal würde es bedeuten, dass ich mich nicht verstellen muss", erkläre ich. "Momentan werde ich als Frau wahrgenommen und so behandelt. Weil ich nicht geoutet bin, kann ich den Jungs nicht sagen, dass ich mich damit unwohl fühle oder dass das nicht stimmt. Sie kennen die Gründe dafür nicht, und mich zu erklären, würde in der jeweiligen Situation vollständig unpassend sein. Würde ich mich momentan nicht als Frau verhalten, ohne dass ihre Wahrnehmung daran angepasst ist, würde ich sie sehr verwirren. Das wäre ihnen gegenüber nicht fair." Ich lege eine kleine Pause ein, bevor ich weiter spreche. "Abgesehen davon denke ich, dass es aus rein pädagogischer Sicht förderlich sein könnte, eine betroffene Person vor sich zu haben. Einfach, um die Sensibilität zu stärken. Natürlich ist das absolut nicht das größte Problem, das die Jungs haben, und wahrscheinlich bin ich auch zu sehr in dem Thema drin, um es objektiv betrachten zu können, aber es ist trotz allem wichtig. Irgendwie."
Er sieht mich nachdenklich an. "Ich bin nicht in deiner Haut, ich kann also nicht beurteilen, wie es für dich ist. Aber ich kann mir vorstellen, dass sich ein Druck in dir aufgebaut hat, der raus will. Wenn du es öffentlich machst, dann musst du damit rechnen, dass die Jungs Witze darüber machen. Größtenteils werden sie diese Witze aus Unbeholfenheit machen, aber du bietest damit natürlich eine gute Fläche. Du musst selbst beurteilen, ob du das auffangen kannst und ob dir das zu nah gehen würde. Immerhin ist das etwas sehr persönliches, was du da preisgeben willst. Lass die Jungs nicht zu nah an dich heran. Aber grundsätzlich will ich dich nicht davon aufhalten."
Ich atme tief durch. Das Gespräch ist wesentlich besser gelaufen, als ich gedacht hatte. Nach dem Ende des Unterrichts erzähle ich Clara von dem Beschluss, und dass ich die Überlegung habe, auch Sara um Unterstützung zu bitten. Gemeinsam entscheiden wir, dass ich mir selbst überlegen soll, wie ich das Thema angehe, und dass Clara dabei sein soll, wobei das für mich keine Frage ist.
[Daher eine kurze Frage an den geschätzten Leser: Was sollte ich in der Klasse berücksichtigen? Gibt es irgendwelche Vorschläge, wie ich das Thema einleiten und verständlich machen kann? Wie sollte ich das ganze strukturieren und wie sollte ich reagieren, falls sie es sehr gut oder sehr schlecht auffassen? Jede eurer Ideen und Vorschläge sind willkommen!]