Seit einigen Wochen fällt es mir schwer, zu duschen. Nackt stehe ich unter dem Wasserstrahl und versuche, alles so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Dann trockne ich mich hastig ab und sehe zu, dass ich zügig wieder Kleidung trage. Am Liebsten dann möglichst weite Oberteile.
Grund dafür sind die zwei kleinen runden Hügel, die sich wie übergroße Warzen aus meinem Oberkörper erheben. Es stört mich, sie zu sehen, wie sich der Stoff meiner Anziehsachen darüber leicht wölbt, und wenn ich mit dem Oberarm aus Versehen dagegenstreiche, will ich am Liebsten kotzen.
Schon seit Monaten überlege ich, ob ich meine Brüste entfernen lassen will. Einerseits sind sie rein objektiv schön, andererseits kommt regelmäßig dieses Gefühl tiefen Unwohlseins in mir hoch, wenn ich mit ihnen -wie beim Duschen- konfrontiert werde. Ich habe Angst, einen riesen Aufwand um etwas zu machen, was ich hinterher bereuen werde. Und ich will gerne oben ohne auf Festivals rumlaufen, ohne bei jedem Schritt das Fettgewebe dort vorne zu spüren.
Eine Mastektomie muss gründlich überdacht und vorbereitet werden. Als Transmann muss man in Deutschland mindestens ein halbes Jahr Testosteron zu sich nehmen und braucht zwei therapeutische Gutachten von Psychologen mit Erfahrung in diesem Thema. Erst dann kann man einen Antrag an die Krankenkasse stellen, damit diese die Kosten übernimmt. In den meisten Fällen muss man aber selbst in Vorkasse gehen. Das ist bei einer Summe von bis zu 7000€ schon recht happig, wobei der genaue Betrag natürlich von Krankenhaus zu Krankenhaus variiert.
Und dann kommt der Heilungsprozess. Die erste Zeit nach der Operation kann man oft nur liegend auf dem Rücken verbringen, jede weitere Bewegung verursacht Schmerzen. Gleichzeitig fühlt sich der Brustbereich taub an, da die Nerven während der OP Schaden nehmen. Die Heilung davon kann ungefähr ein halbes Jahr dauern, teilweise noch länger. Der Hormonhaushalt wird sich verändern, extreme Stimmungsschwankungen verursachen und es ist nicht selten, dass man die Mastektomie in den ersten Tagen bereut. In der ersten Woche ist man durchgehend auf Hilfe anderer angewiesen.
Die Frage ist: Will ich das alles in Kauf nehmen? Wird das Bereuen bei mir nachlassen? Oder wird es bleiben, weil die Brüste ein Teil von mir sind und genau dort hingehören? Vielleicht stimmt einfach mit meiner Wahrnehmung etwas nicht? Vielleicht empfinden Frauen ihre Brüste genauso, wie ich es tue? Ich habe nicht einmal den Ansatz einer Antwort auf diese Fragen, die ich mir unweigerlich immer und immer wieder stelle. Schätze mal, ich suche mir einen Therapeuten.