Prompt 95: Und erstens kommt es anders ...
Es war der glücklichste Tag ihres Lebens. Zumindest redete sich das die junge Braut ein, während sie auf ihren großen Moment wartete. Seit Stunden zitterte sie. Jedoch hätte sie gedacht, dass sie mehr zweifeln würde. Jessica war sich sicher. Heute war der Tag, an dem sie die Liebe ihres Lebens heiraten würde.
Für einen Moment erinnerte sich die Braut daran, wie taub sie gegenüber der Welt gewesen war, bevor sie Tim getroffen hatte. Es war nicht einmal eine Liebesgeschichte gewesen, die in irgendeiner Weise besonders gewesen wäre. Trotzdem war Jessica nun hier und kurz davor, endlich zur Ruhe zu kommen.
Die junge Frau hatte Tim getroffen, als ihrem Motorrad in der Nähe dieser kleinen, verlassenen Tankstelle das Benzin ausging. Jessica war müde, hasste alles und wollte nichts anderes, als weiterfahren, bis sie über den Rand der Welt hinaus war. Tim war der erste Mensch seit Ewigkeiten, mit dem die Ausreißerin geredet hatte. Wenn man den Streit mit ihren Eltern, bevor sie diese für immer hinter sich ließ, als Konversation zählen lassen wollte.
Tim war auch der Erste gewesen, der Jessica nicht wie einen Freak behandelt hatte. Das tat er bis heute nicht, egal wie sehr sie sich von anderen unterschied. Das war einer der Gründe gewesen, dass sich die junge Frau in den Tankwart verliebt hatte. Irgendetwas hatte ihr gesagt, dass sie nicht weiterfahren und die Hilfe dieses Fremden annehmen sollte. Und nun, fünf Jahre später, stand Jessica hier und hatte endlich das Gefühl, neu anfangen zu können.
Während die Braut da saß und sich an das erinnerte, was sie hierher geführt hatte, öffnete sich die Tür zu dem kleinen Zimmer. Der Gesichtsausdruck, den Jessicas baldiger Schwiegervater trug, sagte mehr als tausend Worte. Es würde keine Hochzeit geben. Jessica begann zu weinen, noch bevor ihr Gegenüber erklären konnte, was Tim zugestoßen war.