Prompt 60: Bewährungsprobe
In dieser Nacht sollte er zum Mann werden. So war es Tradition in seinem Volk und dieser musste sich der Junge beugen. Trotzdem könnte er sich Besseres vorstellen, als am Fuße dieses Felsens sein Nachtlager aufzuschlagen. Zuvor hatte der Junge seinen Namen in einen der nahegelegenen Bäume geritzt, um einen Beweis zu liefern, dass er die Prüfung überhaupt angetreten war.
Mit dem Sonnenuntergang legte sich der Junge schlafen. Er wollte gar nicht sehen, wie die Nacht hereinbrach und diesen schon an sich unheimlichen Ort in Finsternis tauchte. So beeilte er sich, ins Land der Träume einzutauchen, ehe die Dunkelheit nach ihm greifen konnte.
Der Junge träumte wirr. Wie auch die, die ihm von diesem Ort erzählt hatten. Fremde starben vor seinen Augen durch Wesen, die weder Mensch noch Tier waren. Sie riefen die Namen der Toten und es klang wie ein Schauerlied, das den Jungen mitten in der Nacht aufwachen ließ.
Nun riefen die Stimmen seinen Namen. Sie kamen aus dem Wald, wo die Welt noch dunkler war.
Ohne lange zu überlegen sprang der Junge auf und rannte um sein Leben - zurück ins sichere Lager. Ihm war egal, ob er nun die Prüfung bestanden hatte oder nicht. Sollte er doch verstoßen werden. Etwas Böses hauste am weißen Felsen. Und der Junge wollte nicht den Wesen aus seinem Traum zum Opfer fallen. Ein Schutzgeist musste ihm diese Vorahnung gesandt haben. Sonst wäre er noch den fremden Stimmen gefolgt und am Ende noch in seinen eigenen Tod gelaufen.
Der Junge konnte sich glücklich schätzen, dass sein Verstand über das Vertrauen in alte Traditionen gesiegt hatte. Doch so schlau er auch gewesen war in dieser Nacht, viel gegen diesen Brauch konnte er nicht tun. Denn weiterhin starben Jungen dort oben am Felsen, weil die Geisterstimmen sie betrogen und in ihre Welt zogen.