Prompt 12: Manchmal denke ich, es wäre besser, wenn ...
Manchmal denke ich, es wäre besser, wenn ich einfach liegen bleiben würde.
Dass ich gefallen bin, ist schon längst nur noch eine ferne, verschwommene Erinnerung. Der Aufprall war dumpf, als mein Körper auf dem weichen Waldboden aufgeschlagen ist, doch das Geräusch selbst habe ich nicht gehört; nur das Blut, das durch meine Ohren pulsierte und meinen eigenen Herzschlag, der, so kam es mir vor, für einen kurzen Moment sogar ausgesetzt hat.
Groß getan habe ich mir nichts – das weiß ich, obwohl ich in diesem Augenblick, wie ich so da liege, meine eigenen Glieder nicht mehr spüre. Alles ist taub und leer, mein Kopf scheint komplett abgeschnitten von meinem restlichen Körper zu sein. Doch ich weiß sicher, dass auf so einem weichen Untergrund nichts passieren kann. Der Wald bietet mir ein Kissen, auf dem ich liegen und die Welt für einen Moment pausieren kann.
Und so bleibe ich da, wo ich bin und rege mich keinen Millimeter. Jeder andere wäre wohl in diesem Moment wieder aufgestanden, hätte peinlich berührt sein Fahrrad aufgerichtet und wäre einfach weitergefahren, als wäre nichts geschehen. Doch ich bin nicht jeder andere, womit ich einfach liegen bleibe und die Erde beim Drehen störe.
Zumindest fühlt es sich so an, während ich den Blick auf den regungslosen Himmel über mir richte. Die Zeit steht still, oder fließt zu schnell dahin, als dass ich es begreifen kann – vor mir tut sich mein eigenes Universum auf, in dem es nur mich und den unendlichen Himmel gibt, der mich niederdrücke.
In diesem Moment ist einfach alles unwichtig. Mir ist egal was aus mir geworden ist, was aus mir werden wird, wie nahe am Abgrund sich meine kleine Welt dreht und wie leicht es für mich wäre, in die Schwärze zu springen und mich einfach fallen zu lassen.
Und ich würde endlos fallen, denn die Dunkelheit kennt so etwas wie Grenzen nicht. Das sind nur Dinge, die wir Menschen erschaffen haben und was auch nur in unseren Köpfen existiert. Doch Licht und Schatten waren schon vor uns da, auch wenn wir das gerne vergessen und denken, wir wären der Mittelpunkt der Welt. Doch auf diesem Planeten sind wir nur flüchtige Besucher, die weder irgendwas bewirken noch weiter wichtig für das große Ganze sind, egal wie sehr wir uns immer aufspielen.
Genau das sehe ich auch in dieser scheinbaren Ewigkeit, die ich einfach nur da lige und vollkommen leer und zugleich erfüllt mit dem Wissen der ganzen Welt bin. Ich sehe uns Menschen, wie wir unsere Geschichte begonnen haben und wie wir uns selbst vernichten würden, wenn die Zeit dazu gekommen wäre. Allein weil wir zu dumm sind zu erkennen, dass diese Welt sich auch ohne uns dreht, ganz egal wie sehr wir glauben, dass wir sie grundlegend verändert hätten, nur weil wir alles zu sehen und zu wissen glauben.
Doch wir wissen nur, dass wir nichts wissen. Und dass wir genauso untergehen werden wie wir diese Welt betreten haben: Einfältig genug, um überzeugt davon zu sein, dass wir groß wären in einer Welt, die wir nicht verstehen und in deren Leben wir nur ein kleiner Augenblick sind, der schnell vorübergeht und doch viel zu lange andauert.
Deshalb bleibe ich liegen. Denn so störe ich die Welt nicht dabei, sie selbst zu sein. Wer liegen bleibt, führt keine Kriege, zerstört weder sich selbst noch seine Heimat und denkt vielleicht zu viel, aber tut nichts, was etwas verändern will, wo es keiner Veränderung bedarf.
Kurz denke ich, dass ich mir vielleicht doch den Kopf bei meinem Fall gestoßen habe, doch in Panik gerate ich deshalb nicht. Dieser eine Moment hier ist das, was ich mir unter vollkommenem Frieden vorstelle. Der Schmerz in meinen Gliedern klingt am Rande meiner Wahrnehmung ab, mein Herz ist rein und ich fühle mich, als würde ich in diesem Moment sterben, nur um dann neugeboren zu werden. Ich wäre weiser mit dem ganzen Wissen der Welt und unbesiegbar durch meine Gleichgültigkeit, die mit dem Stillstand einhergeht, in dem ich mich auf ewig befinden würde, würde ich nie wieder aufstehen. Mein neues Ich könnte perfekt sein in meinen Augen.
Schade nur, dass genau diese Perfektion sich in Rauch auflösen würde, wenn ich aufstehen, alles Erlebte vergessen und in mein altes Leben als einfacher Mensch, der nichts versteht und erst recht nichts Neues erfahren will, zurückkehrte, wo ich nun einmal hingehöre, ob es mir nun passt oder nicht.