Prompt 55: Magische Worte
Es könnte so ein schöner Abend sein, wenn sie beide nicht so angespannt wären. Dieses Essen im nobelsten Restaurant der Stadt war seit Monaten geplant gewesen und auch die dauernden Kleinkriege und Krisen hatten die beiden Frauen nicht daran hindern können, dieses Date durchzuziehen.
Sie hatten es als Pause nehmen wollen. Vom Alltagsstress, der den beiden auf die Nerven schlug und vor allem von diesem Vorfall, über den keine der beiden so wirklich mehr reden wollte.
Ninas Fremdgehen lag nun schon ein halbes Jahr zurück, doch die Beziehung hatte sich seit ihrer Beichte nur sporadisch erholt. Sarahs Vertrauen war gebrochen und vielleicht musste sie auch zugeben, dass sie sich in den letzten Wochen nicht wirklich gut benommen hatte, aber wer konnte das schon, wenn man ständig im Hinterkopf hatte, dass man eigentlich nicht genug für den eigenen Partner war? Wäre es anders, wäre das mit der Arbeitskollegin, deren Namen Sarah nicht einmal kannte, doch nie passiert. Zumindest redete sie sich das ein. Auch wenn das keine guten Gedanken für einen eigentlich so schönen Abend waren.
Ninas Anspannung machte es jedoch nicht besser. Sie wirkte so nervös, als hätte sie gerade jemanden umgebracht und fürchtete, doch noch irgendwo einen Blutfleck an der Hand oder eine andere Spur am Tatort hinterlassen zu haben. Das alles war so unangenehm. Sarah wunderte sich, warum die Leute an den anderen Tischen nicht zu ihnen hinüberschauten mit argwöhnischen Blicken, wenn die beiden Frauen so verkrampft und leise waren, als würden sie sich gar nicht kennen und nur zufällig am selben Tisch sitzen.
Warum konnte es nicht wie früher sein? Vor dem Seitensprung, vor den ständigen Streitereien wegen nichts und wieder nichts und vor all dem Misstrauen, das Sarah in den Wahnsinn trieb, wenn Nina irgendwo allein in der Gesellschaft von anderen Frauen war. Wo sollte das alles bloß enden? Wenn das so weiterging, war dieses Essen im Restaurant das letzte, was die beiden Frauen zusammen täten. Sarah wollte nicht mehr weitermachen, als wäre nichts passiert, wie Nina es versuchte. Vielleicht war es einfacher, aber es löste nicht die Probleme, die zwischen ihnen standen und die Entfernung zwischen ihnen immer größer werden ließ.
»Darf ich dich etwas fragen?«, brach Nina plötzlich das Schweigen.
Sarah horchte auf, vertrieb sofort die düsteren Gedanken und sah ihre Partnerin direkt an. Alles war besser als die Stille. Da konnten auch lahme Worte eine Wohltat sein. Nina war nicht gut mit Worten. Dass sie also überhaupt von sich aus sprach, dabei so ernst dreinblickte und sogar fortfahren wollte, war also etwas Neues, worauf sich Sarah gerne einließ. Deshalb nickte sie.
»Ich weiß, es lief in letzter Zeit nicht optimal zwischen uns. Und daran bin vor allem ich schuld. Es war ein Fehler, dich so zu verletzen. Und ich will es wiedergutmachen. Aber ich weiß nicht wie. Deshalb dachte ich, dass ich dir irgendwie beweisen muss, dass du besser bist, als jede andere auf dieser Welt. Und dass ich gelernt habe, dass ich eigentlich keine andere will, weil die mir vollkommen egal sind.«
Sarah wurde nicht ganz schlau aus diesen Worten. Doch sie sagte nichts dazu und ließ Nina fortfahren.
»Ich dachte, es wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, dich was zu fragen, was mir schon ewig im Kopf rumschwirrt. Weil ich mir von Anfang an sicher mit dir war. Und weil sich das in drei Jahren auch nicht geändert hat.«
Sie nahm Sarahs Hände in ihre. Deren Gedanken rasten, genauso wie ihr Herzschlag in die Höhe schnellte. Wollte Nina damit das andeuten, was sie dachte? Es war schon etwas klischeehaft, das im Restaurant zu tun, doch vielleicht war es wirklich der perfekte Zeitpunkt, wenn auch ein zugleich sehr peinlicher, wenn so viele Leute dabei waren.
»Ich weiß, dass du nicht gerne im Mittelpunkt stehst. Deswegen machen wir es ganz leise, okay?«, lächelte Nina. Sarah war nie gut darin gewesen, ihre Gefühle zu verstecken. Deswegen sah man ihr auch die Scham und Überraschung deutlich an, die ihre Wangen rot werden ließen und ihr ein kleines, fast ungläubiges Lächeln aufs Gesicht zauberten. Das erste, seit einer gefühlten Ewigkeit. Wie sehr Nina dieses Lächeln doch vermisst hatte.
Sie beugte sich leicht vor, durchbrach damit die unsichtbaren Mauern, die sich in den letzten Monaten zwischen den beiden Frauen aufgezogen hatten und lächelte nun auch. Nur etwas nervöser als es ihre Freundin tat.
»Willst du mich heiraten?« Die Frage erreichte Sarah im Flüsterton, unsicher und unwirklich, als würde sie sich das alles einbilden.
Für einen Moment blickte sie sich um. Niemand im Raum schenkte den beiden Frauen Beachtung. Sofort war Sarah beruhigter.
Sie atmete tief durch, ehe sie antwortete und somit Ninas Anspannung endlich verfliegen ließ.
»Ja, ich will.«
Weiterhin leise, wohl wissend, dass damit nicht all ihre Probleme gelöst wären, besiegelten die beiden Frauen den Antrag mit einem Kuss. Er war ein Beweis dafür, dass Beziehungen nicht an dummen Fehlern zerbrechen mussten. Wie lange es auch dauert bis man lernte, dem anderen zu verzeihen.