Prompt 18: Schwarzer Engel
Ihm bei seinem schleichenden Verfall zuzusehen, tat Damian wirklich in der Seele weh. So sehr er Nim auch liebte, er konnte einfach nicht verhindern, dass dieser seine Macken ablegte, die er sich über die Jahre zuvor angewöhnt hatte. Doch was hatte die Gegenwart schon noch groß mit der Vergangenheit zu schaffen? Wer nicht losließ, der konnte nicht vorangehen, das hatte Nim selbst einmal gesagt. Aber er selbst war es doch, der an all den Dingen, die ihm früher widerfahren waren, hing und diese nicht endlich hinter sich ließ.
Was konnte Damian dafür, dass Nims Eltern ihn verstoßen hatten, als er sich vor ihnen als homosexuell outete und sein erster Freund ihn dann auch noch verlassen hatte, weil die erste Liebe eben nie lange hielt? Der Blonde hatte seinen Freund auch sicher nie gemobbt, wie es dessen Klassenkameraden getan hatten, als sie erfuhren, dass er anders war als sie. Lag vermutlich auch daran, dass Nim sich einem von ihnen damals anvertraut hatte, der ähnlich gestrickt zu sein schien und sein eigenes Ansehen in der Klasse steigern hatte wollen, indem er Nim an sie verriet, dem er zu vor noch einen untergeholt hatte.
Das alles wusste Damian auch nur, weil sein Freund so gesprächig war, wenn er wieder einmal high auf dem Sofa lag und an die Decke starrte, als ständen da die Antworten auf alle Fragen des Lebens. Generell schien der Schwarzhaarige alles zu lieben, was ihn Stück für Stück von innen heraus zerstörte. Er trank zu viel, kiffte zu viel, rauchte zu viel und schnitt sich in den dunkelsten Stunden auch zu viel. Alles nur, weil die Vergangenheit einfach nicht ungeschehen gemacht werden konnte.
Und Damian konnte nur zusehen, wie Nim langsam vor sich hin starb. Was hätte er auch anderes tun sollen? Der Schwarzhaarige distanzierte sich schließlich immer mehr von Damian und blockte auch alle Hilfe ab, die dieser ihm anbot. Es fühlte sich an, als würde Nim sich schämen, dass er einen Freund wie ihn hatte und wollte in der Öffentlichkeit auch alles tun, damit niemand sah, dass sie mehr als nur Freunde waren. Weder wollte er Händchen halten, jeder andere Annäherungsversuch wurde abgewehrt und mitunter sogar mit einer Ohrfeige bestraft, wenn Damian und er wieder daheim waren.
Das war auch, was den Blonden am meisten schmerzte. Er hatte keine Kontrolle über Nims Leben und hatte ihm somit nichts vorzuschreiben, doch so behandelt zu werden, tat einfach nur weh. Es fühlte sich an, als wäre Damian nur eine Last für seinen Freund, der vermutlich immer noch fürchtete, man könnte ihn für seine wahre Natur verachten und der sich schämte, Damian an seiner Seite zu haben, dem nie ein Leid wegen seiner Sexualität widerfahren war.
Die Dämonen aus der Vergangenheit machten es Nim unmöglich, sich auf die Zukunft einzulassen. So zwang der Selbsthass ihn, sich selbst und den einzigen Menschen in seinem Leben, der ihn niemals aufgeben würde, immer weiter zu verletzen.
Allmählich reichte das Damian. Er wollte nicht zusehen, wie sein Freund sich selbst hinrichtete, weil andere Menschen damals nicht verstanden hatten, dass an seinen Gefühlen nicht das Geringste falsch war. Doch gehen wollte er ebenso wenig, da er immer noch diese kleine Hoffnung in sich trug, ein Licht in Nims Leben sein zu können, das ihn in der ganzen Dunkelheit erkennen lassen würde, wie wundervoll er unter all den vom Selbsthass zerfressenden Schichten war. Außerdem war der Schwarzhaarige schon zu oft in seinem Leben einfach verlassen worden, da wollte Damian nicht riskieren, dass er noch tiefer in diese Schlangengrube fiel, wenn er wieder allein mit seinen Dämonen war.
Also versuchte der Blonde sich nur auf das Positive zu konzentrieren und besann sich immer wieder darauf, warum er sich in diesen schwarzen Engel verliebt hatte, um wieder Kraft zu finden, an Nims Seite zu bleiben und so zumindest das Schlimmste verhindern zu können.