Start: 07:00 Uhr
Ende: 07:25 Uhr
nachgeschrieben 08.10.2020
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Noch ist es dunkel.
Totenstill, bis auf Regentropfen.
Diese tropfen ganz regelmäßig auf das Vordach.
Eine angenehme Ruhe, die ansonsten von keinem anderen Geräusch durchbrochen wird.
Als würde die Welt still stehen.
Als wäre der Lauf der Zeit in Watte gepackt.
Ich stehe im Dunkeln, nehme einen großen Schluck meines ersten Kaffee, die Zigarette glimmt in meiner anderen Hand.
Für eine Sekunde wünsche ich mir tatsächlich, dass es eine Weile so bleiben könnte.
Dunkel, ruhig, still gestanden.
Aber es ist nur die Ruhe vor dem Sturm.
Er wird wie jeden Tag über mich hereinbrechen, ob ich will oder nicht. Es gibt kein Entrinnen.
Müde blase ich den Rauch in die kühle Luft.
Kreise ein wenig meinen Kopf.
Die Muskulatur im Nacken und Schultern ist verspannt.
Wieder zu wenig Schlaf, meine Schläfen pochen ein wenig.
Kurz träume ich mich weg.
In die Sonne, an einen Strand, ans Meer oder in die Berge.
In eine warme Geborgenheit, in der mich der Alltag nicht finden kann.
Es kommt mir wie Lichtjahre vor, dass ich zuletzt einfach nichts getan habe.
Und dank des New Normal wird es wohl auch eine ganze Weile dauern, bis man all dem hier weit genug entfliehen kann.
Ich drücke die Zigarette aus. Beobachte die Katze, die gemütlich vom Nachbargrundstück heran getrottet kommt. Ja, Katze sollte man sein. Zumindest in dieser Nachbarschaft. Immer ein trockenes und warmes Plätzchen für ein paar Stunden Schlaf. Überall streichelnde Hände und ein gefüllter Napf. Keiner fragt, wohin sie geht oder woher sie kommt. Sie ist da oder eben auch nicht.
Ich greife nach meiner Tasse, ziehe die Verandatür auf und atme ein letztes Mal tief durch. Es nützt ja nichts, es ist unvermeidbar. Und die ruhigeren Stunden am Morgen geben mir wenigstens die Chance, dass ein paar Dinge ohne Störung angegangen werden können.
Auch im Haus ist es noch still. Es meine Zeit, nur meine.
Ich ziehe noch einen Kaffee, während sich die Katze auf ihrer Decke zusammenrollt. Wie gerne ich mit ihr tauschen würde. Noch ein bisschen ins Land der Träume fliehen. Ach, papperlapapp. Mein Unterbewusstsein gönnt mir das sowieso nicht. Also kann ich mich gleich ans Werk machen.
Das Katzenaugenpaar folgt mir, während ich zur Treppe gehe.
Ich lasse sie mit dem Wissen zurück, dass sie vermutlich nachher wieder unterwegs sein wird.
Routinierte Handgriffe folgen, als ich oben angekommen bin.
Bildschirm an, Schreibtischlicht, Laptop.
Kaltes Blau strahlt mir entgegen, fordert meine Anmeldedaten.
Fünf Minuten später bin ich mittendrin in meinem Sturm.
Am Ende des Tages werden es wieder viele Stunden, unzählige Mails und Telefonate sein. Durchatmen Fehlanzeige. Was am Abend bleibt? Mit etwas Glück ein gemeinsames Abendessen, vielleicht mal ein Schaumbad oder die Folge einer Serie. Doch nichts bringt den Gedankenwirbel in meinem Kopf zum Stillstand. Habe ich an dies oder jenes gedacht und warum fällt mir jetzt erst auf, dass der Kollege sich nicht zurückgemeldet hat?
Nur ganz früh am Moren, wenn alles um mich herum noch schläft, steht alles ganz kurz still. Es nützt ja nichts. Es muss ja weitergehen. Auch dieser Herbst wird vorbeigehen. Auch diese Personallücke (bzw. Lücken) irgendwann geschlossen.
Solange heißt es eben: me against the Universe - mein ganz persönlicher Alltagssturm.